Montag, 11. Oktober 2010

Pulp :: Xolank (4)



Aus den Aufzeichnungen von Prof. Kirby McCulloch, Universität Edinburgh, 1969

Während die Ärzte sich über terminologische Unterschiede stritten, hatte ich die Möglichkeit, Einblick in die Forschungen Kirowans zu erhalten. James Kirowan selbst, von Beruf Architekt, hatte kein Interesse an den Untersuchungen seines Vaters, die er als "esoterischen Buck-Rogers-Kram" abtat und überreichte mir eigenhändig die Schlüssel zu Kirowans Privatobservatorium, einem alten Turm oben in den Bergen, der mit einem leistungsfähigen 2,5m-Teleskop auf einer freibeweglichen Lafette ausgerüstet war. Der Bau stammte aus dem zweiten Weltkrieg und bestand weitgehend aus schmucklosem grauem Beton, von der weißgestrichenen Kuppel einmal abgesehen, aber was an ihm reizte, war nicht seine Ästhetik, sondern sein wissenschaftlicher Nutzen. Kirowan hatte hier einen Großteil seines beträchtlichen Familienvermögens investiert und damit Edinburgh zu einem Anziehungspunkt für Astronomen, Astrophysiker und ähnliches aus aller Welt gemacht.
Obwohl Kirowans Forschungen mir, dem Physiker, in weiten Bereichen zu spekulativ und populistisch waren, habe ich ihm doch nie die fachliche Kompetenz abgesprochen. Er war anerkanntermaßen ein Experte auf sämtlichen Gebieten der Sternkunde, auch wenn sein erklärtes Lieblingskind eine etwas ungewöhnliche Verquickung von Astronomie und Biologie war. Ich spürte sofort etwas von der Faszination, die Irving Kirowan angetrieben haben musste, als ich an einem kalten Novembertag schließlich die Türen des Beobachtungsturmes aufschloss und in seinem ausgedehnten Forschungstrakt fantastischen Bildern und ausladenden chemischen Molekülmodellen gegenüberstand, die seine neuesten Überlegungen zum Existieren von Lebewesen außerhalb der irdischen Biosphäre unterstützen sollten.
An einer Wand hatte er Photographien und Tafeln befestigt, die bis ins kleinste Detail peinlichst genau die Beschaffenheit einzelner Meteoriten oder anderer stellarer Körper beschrieben, auf deren Oberfläche oder in deren Substanz man Spuren organischer Moleküle der bekannten Art gefunden hatte. Die schiere Übermacht dieser Daten war schon genug, um einige zu überzeugen, auch wenn mir solche Fakten meistens zu karg waren und durchaus zur Misinformation einluden. Dennoch, Kirowans Forschung selbst war nicht so unbedeutend oder abartig, wie sein Sohn glauben machen konnte. Es war durchaus wichtig zu wissen, ob Leben im Weltraum möglich war. Irving Kirowan zum Beispiel hatte Zeit seines Lebens Forschungen zu der Frage betrieben, ob verschiedene Krankheiten, die von Zeit zu Zeit ohne eine Spur bisherigen Vorkommens den Globus überfallen, nicht vielleicht mit Meteoriten in die Erdatmosphäre eingedrungen waren.

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