Dienstag, 5. Oktober 2010

Pulp :: Xolank (1)



Aus den Aufzeichnungen von Prof. Kirby McCulloch, Universität Edinburgh, 1969

Ein nächtlicher Anruf hatte mich geweckt und an das Krankenbett meines Bekannten, Irving Kirowans gerufen. Obwohl die Stimme seines Sohnes, James, besorgt und irgendwie verstört geklungen hatte, war ich doch nicht an den mitleidserregenden Anblick gefasst, den der Kranke in seinem durchschwitzten Lager bot. Wenn nicht die Stimme und einige unveränderliche Merkmale bestanden hätten, hätte ich in dem ausgemergelten, um Jahre gealterten zerbrechlichen Körper denselben noch vor wenigen Tagen vor Vitalität und Lebenskraft sprühenden Freund wiedererkannt. Kirowan war nur noch ein Schatten seiner selbst, und ein Blick in sein gelbliches, eingefallenes Gesicht genügte um zu wissen, dass es mit ihm zu Ende ging.
James Kirowan und Kirowans Frau waren ratlos, ebenso die anwesenden Ärzte. Es bestand aber für sie kein Zweifel daran, dass es bereits zu spät war, irgendetwas zu unternehmen. Ein Transport würde den sowieso nur noch dürftig glimmenden Lebensdocht des Kranken sofort auslöschen. Die Ärzte vermuteten eine virale Infektion, aber von keinem ihnen bekannten Stamm. Keines der bekannten Mittel sprach an, und es war unmöglich, in der kurzen Zeit, der Kirowan noch blieb, ein neues Präparat zu entwickeln. Man konnte nur zusehen, wie er langsam schwächer und schwächer wurde.
"Er hat nicht mehr lange", flüsterte James mir zu, die Kinnbacken angespannt wie Stahlseile, "aber bevor er das Bewusstsein verlor, hat er nach Ihnen gerufen. Wir dachten, es wäre vielleicht wichtig. Vater scheint es viel zu bedeuten, dass Sie hier sind."
"Ich werde versuchen mit ihm zu sprechen."
Die Hand des Kranken war heiß und trocken, sie schien in Flammen zu stehen, als ich sie berührte. Zugleich schien ihre Epidermis sich in eine wachsartige Masse verwandelt zu haben, denn als ich die Hand überrascht zurückzog, blieb der Eindruck meiner Finger in der greisenhaft aufgequollenen dürren Handfläche zurück.

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