Samstag, 9. Oktober 2010

Pulp :: Xolank (3)



Aus den Aufzeichnungen von Prof. Kirby McCulloch, Universität Edinburgh, 1969

James zuckte die Achseln. "Wenn er will, dass das Teleskop vernichtet wird, soll das geschehen." Mir drang Blut in den Kopf, als ich ihn so leichthin die Zukunft einer der vorzüglichsten wissenschaftlichen Einrichtungen in Schottland bestimmen hörte.
"Sicherlich meinen Sie das nicht ernst, oder? Denken Sie bitte daran, welchen unschätzbaren Nutzen die Wissenschaft an diesem Observatorium hat!"
"Mein Vater ...“, begann er.
"Ihr Vater ist ein kranker Mann. Die vordringliche Sorge in diesem Moment sollte sein, ihm Linderung zu verschaffen. Wie steht es mit der Möglichkeit, dass die Infektion aus einem exotischen Virenstamm seiner biologischen Forschungen entstammt?"
"Das haben wir schon ausgeräumt", sagte James leise, damit die Worte nicht an das Ohr des Sterbenden dringen konnten. "Mein Vater beschäftigte sich ausschließlich mit theoretischen Forschungen im Zusammenhang mit seinen astronomischen Untersuchungen - sie verstehen schon, Leben im Weltall, Szenarios extraterrestrischen Lebens - er hat niemals Zugang zu Virenstämmen gehabt."
Ich spitzte die Lippen und zupfte an meinem Kinnbart.
"Dann gibt es keinen ersichtlichen Infektionsweg. Oder war ihr Herr Vater in Dinge verwickelt, von denen ich nichts wissen darf." Der verständnislose Blick, mit dem James Kirowan mich musterte, ließ mich die schattenhaften kriminologischen Theorien, die ich halb durchdacht hatte, schnell vergessen, Nein, was auch immer seinen Vater erwischt hatte, er wußte nichts davon.
Ich betrachtete den stumm und steif in seinem Bett liegenden Kollegen, das gelbliche, wie aus Wachs geformte tote Gesicht, und noch einmal kam mir Zweifel, dass ein Mensch innerhalb von ein paar Tagen so schnell und so gründlich zerfallen konnte.
Irving Kirowans Krankheit, so unglaublich es scheinen mochte, zog sich noch über fast drei Wochen dahin, während der er so vollkommen zerfiel, dass er, als er schließlich verstarb, einem Skelett mehr ähnelte als einem lebendigen Menschen. Er war nie wieder aus dem Koma erwacht, aus dem ihn nur der Tod erlöste. Als man ihn nach seinem Verscheiden wog, betrug sein Gewicht nur noch wenige Kilogramm, die Rückentwicklung (oder vorzeitige Alterung), die ihn befallen hatte, gab der medizinischen Öffentlichkeit Rätsel auf. Man einigte sich schließlich darauf, dass er an einer Virusinfektion zugrunde gegangen war, die seine gesamte RNS, der Stoff, der für die Nachrichtenübermittlung zwischen den einzelnen Zellen verantwortlich war, verändert hatte. Das Virus selbst jedoch konnte nicht aufgefunden werden, es hatte sich schon aufgelöst, und diese extreme Kurzlebigkeit wurde einerseits als Extravaganz, andererseits auch als Glück gepriesen, denn es war unwahrscheinlich, dass man jemals ein Gegenmittel gegen diese Krankheit entwickeln konnte.

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