Sonntag, 9. Februar 2014

Flash Fiction :: Die Stadt, die ein Haus ist, ist auch ein Schädel


Die Stadt, die ein Haus ist, ist auch ein Schädel. Riesig, altersgelb und fahl ragen ihre Zähne aus dem sienagelben Sand der Wüste. Die Wüste selbst ist alt, älter als die Stadt. Die zerbröckelnden Gebeine von Bergen und vergessenen Städten haben sich jahrtausendelang angesammelt, und die kalten Winde des Ödlandes verteilten sie, wie spielende Idiotenkinder, solange, bis nur noch eine einzige, flache, gleichmäßige Ebene von lebloser Perfektion übrig blieb. Die Schönheit dieses fernsten aller Länder hat Poeten weinen lassen und manchen Helden sein Schwert fortwerfen; dessen stählerner Leib zu rotem Rost und dessen Rost zu einem weiteren Partikel der allumfassenden Öde wurde, deren Name 'Vergessen 'ist.

In dieser Wüste namens Vergessen ist die Stadt, die ein Haus ist, und ein Schädel, die größte und die einzige Ansiedlung. Vor langer, langer Zeit, standen noch andere Städte und Burgen auf den grünen Hügeln am Rande der fröhlichen Bäche, doch die Bäche sind längst verschwunden, und die Städte und die Burgen sind mitsamt den Hügeln, auf denen sie einst standen, zu dem Staub geworden, dessen Ströme vom seelenlosen Wind getrieben in die Wüste fließen.

Die blankäugigen Bewohner der Stadt, in ihren insektenartigen Rüstungen und wallenden Gewändern, die über die aus Knochen geschnitzten Straßen mit ihren weit in die stürmische Leere der Wüste herausragenden Alkoven und terrassenartigen Balkone schreiten, widmen diesen Umständen keine Gedanken. Es ist nicht Lethargie, die aus jeder ihrer schlafwandlerischen Bewegungen spricht, sondern die vollkommene Ordnung, die jeden Aspekt ihres Daseins regiert. Die Stadt, die ein Haus ist, ist auch ein Schädel, und das Chaos wurde schon vor so langer Zeit aus ihren Zimmern verbannt, dass selbst die Erinnerung daran Teil des Staubes der allumfassenden Öde wurde, deren Name 'Vergessen 'ist.

Die vollständige Version dieses Textes demnächst in einer der Anthologien von Nemed House!

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