Dienstag, 26. August 2014
Das Zeitalter von Poseidonis [2]
Zweiter Teil, erster Teil unter diesem Link
Howard hat nie erklärt, woher die Wilden kamen, die zur Zeit des Kataklysmus in den Norden flohen und sich zu einem neuen Menschengeschlecht entwickelten – den Protohyboriern, hochgewachsen, mit hellbraunen Haaren und grauen Augen, an das kühle Klima des Nordens angepasst. Da der thurische (später eurasische) Kontinent relativ dicht besiedelt war, handelt es sich bei diesem Volk sicherlich nicht um eine bisher nicht dokumentierte Parallelentwicklung, sondern in Wirklichkeit um Flüchtlinge aus den unter Vulkanausbrüchen und Erdbeben untergegangen Sieben Königreichen, vielleicht sogar Valusien selbst – ein Mischmasch verzweifelter Menschen aus allen Völkern, die im höchsten Norden Rettung suchten.
Tausend Jahre später sollten ihre Nachkommen im Laufe einer der ersten Völkerwanderungen der Geschichte sich bedächtig Richtung Süden und Westen ausbreiten und die Hyborische Welt erschaffen.
Es ist sicherlich nicht so, dass die Bewohner des Westens, wie es Howard beschreibt, ob nun Pikten, Nachkommen der Atlantiden oder andere Epigonen der Thurier, soweit in die Barbarei zurückgefallen waren, dass man sie als Affenmenschen bezeichnen könnte. Eine halbnomadische Stammeskultur wäre eine zutreffendere Bezeichnung, und eine solche Kultur, das lehrt die Geschichte, kann höchst fortgeschritten sein. Auch andere Völkerschaften waren zu jener Zeit ähnlich weit, wie die Besiedlung des von hohen Bergen umgebenen Tales von Zingg an der Westküste durch wahrscheinlich proto-shemitische Stämme beweist.
Wie bei den späteren indoeuropäischen Stämmen, die eine ganz ähnliche Völkerwanderung unternahmen, wird es sich bei den einzelnen Stammesgruppen sicherlich um sprachliche, eventuell kulturelle und religiöse, aber keine ‚rassischen’ Einheiten gehandelt haben. Unter Umständen trifft dies auch auf die Bewohner von „Poseidonis“ zu.
Auch wenn die Insel die letzten, langsam versinkenden Überbleibsel des vorsintflutlichen Atlantis darstellen mag, muss es nicht unbedingt eine Kontinuität in ihrer Besiedlung oder Kultur gegeben haben. Da weltweit alle anderen Kulturen mehr oder weniger komplett ausgelöscht und neu durchmischt wurden, wäre dies tatsächlich mehr als unwahrscheinlich.
Dies wäre eine Erklärung, warum in den ursprünglichen Poseidonis-Geschichten von Smith keine Anspielungen an das tatsächliche Atlantis oder seine Kultur (die des Thurischen Zeitalters) nachweisbar sind. Es fehlen die Namen der grausamen, strengen Götter der Urzeit – Valka, Hotath, Honen – oder vergleichbares. Dennoch kann gerade dies paradoxerweise ein Hinweis auf weitere Verbindungen von „Poseidonis“ zum Rest des Originaluniversums sein.
„Poseidonis“ ist der Name, der jenem letzten Überbleibsel des bebenden Atlantis von den Theosophen gegeben wurde – er hat nichts mit dem ursprünglichen Atlantis-Mythos, den Plato zitierte, zu tun. Eine vorsintflutliche Verehrung des mykenischen Pferdegottes des gleichen Namens ist jedoch mehr als unwahrscheinlich, es ist jedoch nicht das einzige Mal, dass der Erderschütterer „Poseidon“ in seiner viel später dokumentierten Rolle als Meeresgott im Originaluniversum auftaucht.
In der Novelette „Marchers of Valhalla“ (von Weird Tales 1932 abgelehnt) trifft ein Kriegszug von Aesir des Hyborischen Zeitalters im späteren Texas (!) auf die letzten Erben der Lemurier sowie auf eine Priesterin des Poseidon. Dies muss der gleiche Poseidon sein, nach dem „Poseidonis“ benannt wurde; oder um genauer zu sein, der gleiche Meeresgott, dessen proto-hyborischer (?) Name von den Mykenern mit dem ihres Pferdegottes Poseidaōn oder Poseidawonos gleichgesetzt wurde.
Wir haben nun mehrfache Möglichkeiten, „Poseidonis“ zu verorten. Ein Ort, dem eponymen zerstörerischen, wütenden Meeresgott geweiht, dem Herren des Kataklysmus, Nachbar zum postthurischen, protohyborischen Europa. Es war den anderen Völkern seiner Zeit technisch und kulturell überlegen, aber bereits vom Zerfall eben jener Kultur gezeichnet.
Wie die Geschichte Britanniens lehrt, kann eine Inselnation sich nur durch Handel und Import, und letztendlich Eroberung, erhalten. Dies konnten die letzten Erben von Atlantis nicht gewährleisten, sondern ergaben sich stattdessen der Dekadenz und Magie.
Anstelle sich zu retten, oder den steinzeitlichen Stämmen des Hauptlandes Entwicklungshilfe zu leisten, gingen sie spurlos mit ihrer Insel unter, noch bevor die hyborischen Nationen der Spätzeit die Seefahrt entwickeln und das ferne Ufer im Westen erreichen konnten.
Übrig blieben nur vage Erinnerungen, und Ruinen tief unter dem Meer, in denen sich verstohlenes Leben regt.
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