Montag, 25. August 2014

Das Zeitalter von Poseidonis [1]



Von den Geschichten der phantastischen Literatur, die sich mit der untergegangenen Insel Atlantis und ihrem Erbe befassen, sind wenige so eigenwillig und widersprüchlich wie jene, die der unvergessene Weird Tales-Star Clark Ashton Smith (CAS) in seinem Minizyklus von vier Geschichten um "Poseidonis" verfasste. Ich habe mich hier bereits mehrere Male aus Spass damit befasst, und jetzt die Gelegenheit ergriffen, das bereits gesammelte Material als Hintergrundmaterial einiger eigener Kurzgeschichten zu benutzen. Hierbei einige Sätze zur Historie, die auch Fans der anderen Weird Tales-Autoren Freude machen könnten.

*  *  *

„Poseidonis“, wie es in den Geschichten von Clark Ashton Smith beschrieben wird, ist schwieriger zu verorten als andere fiktive Welten. Sie ist vage historisch, aber ebenso schon vom Verfall und Untergang gezeichnet wie der letzte aller Kontinente, Zothique, dessen Existenz wir nicht abstreiten können, da wir sie nie erleben werden.

„Poseidonis“, oder wie der Name jenes mikroskopischen Inselkontinentes auch immer gewesen sein mag, ist aber auch Teil eines größeren Originaluniversums, an dem nicht nur Smith, sondern auch seine Freunde und Kollegen Robert E. Howard und H.P.Lovecraft als fleißige Mythographen gearbeitet haben. Nicht nur, dass Ideen des einen in den Werken des anderen auftauchen, wir wissen auch, dass allem eine vage Pseudohistorie zugrunde liegt, die in weiten Teilen von den phantastischen Spekulationen der Theosophie inspiriert wurde. Da sind die vormenschlichen Bewohner der Erde, wie sie Lovecraft beschrieb, das urzeitliche Hyperborea von Smith, die Thurische Welt des Kull von Atlantis, die sich durch eine globale Katastrophe, den so genannten Kataklysmus, in die Hyborische Welt Conans wandelt. Wo und wann jedoch finden wir den Platz für den Aufstieg und Untergang von „Poseidonis“?


Wenn Poseidonis die letzten Überbleibsel des untergegangenen Atlantis sind, müsste es dann nicht vor oder zeitgleich mit dem Hyborischen Zeitalter Conans sein? Erwähnt wird es nicht. War es zu unbedeutend?

Oder spielen die Geschichten um Poseidonis nach dem Untergang eines anderen Atlantis, oder in einer parallelen Welt, die sich mit den anderen fiktiven Welten des Weird Tales-Kreises erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder vereint?

Das wäre eine einfache, aber wenig befriedigende Antwort. Üben wir uns ein wenig in kreativer Mythographie und füllen die leeren Stellen in der geheimen Geschichte unserer Welt aus:

Wir wissen, dass auch Poseidonis ein Teil des Originaluniversums sein muss, nicht nur einer anderen beliebigen ‚cthulhoiden Welt’. In einer von Smiths vier originalen Poseidonisgeschichten, „The Double Shadow” (1932, in Weird Tales veröffentlicht 1939), findet der Magier Avyctes ein Relikt der prähistorischen Schlangenmenschen. Diese sind sicherlich die gleichen, die bereits in der ersten Kull-Geschichte „The Shadow Kingdom“ (veröffentlicht in Weird Tales 1929) erscheinen, und deren Erben auch Conan begegnen sollte.

Auch Lovecraft erwähnt die Schlangenmenschen von Valusien in „The Shadow Out of Time“ (1934/5, veröffentlicht in Weird Tales 1936). An der gleichen Stelle erwähnt er auch Elemente aus Clark Ashton Smith Hyperborea-Serie und einen cimmerischen Häuptling namens Crom-Ya und zementiert solchermaßen die Zusammengehörigkeit der einzelnen Welten und Serien innerhalb des „Originaluniversums“.

Der einzige Zeitpunkt, wo das Poseidonis von Clark Ashton Smith sich in die Zeitlinie einfügen lässt, muss zwischen dem Untergang von Kulls Atlantis und dem Aufstieg von Conans Hyborischer Welt liegen.

In Robert E. Howards eigenem Essay „Das Hyborische Zeitalter“ wird dies in etwa so beschrieben: Im ersten Kataklysmus [ein veralteter Begriff für eine erdgeschichtliche Katastrophe, eigentlich: Überschwemmung] versinken Atlantis und Lemurien, die Pikteninseln tauchen auf und bilden die Berggipfel neuer Kontinente.

Das so genannte Thurische Zeitalter endet gewaltsam und abrupt. „Vulkane brachen aus, und schreckliche Beben ebneten die prunkvollen Städte der Reiche ein. Ganze Völker wurden ausgelöscht.“ Hiermit sind anscheinend die eigentlichen thurischen Völker gemeint (Valusien, Verulien, Grondar etc.); dass dem nicht wirklich so war, werden wir später sehen.

Der globale Kataklysmus, in den Sagen späterer Völker als ‚Sintflut’ erinnert, gibt jedoch eine einfache Erklärung für das Entstehen von ‚Poseidonis’ selbst – so wie die Pikteninseln zu den Spitzen der Berge eines bislang unbekannten Kontinentes (Amerika) werden, wird aus den Hochländern des großen Atlantis die Insel Poseidonis, umgeben von einigen kleineren Inseln, den Bergspitzen einer früheren Zeit.

Von der Hochkultur des Thurischen Zeitalters überlebten nur wenige kontinentale Kolonien der Atlantiden, Lemurier und Pikten, die jedoch rasch in Kämpfen mit primitiveren Stämmen, die aus den untergehenden Landstrichen flohen, bis in die Steinzeit zurückfielen.

„Fünfhundert Jahre nach dem Kataklysmus verschwanden die barbarischen Königreiche.“ Eine komplette Auslöschung der vorsintflutlichen Kultur hat es jedoch nie gegeben, wie später aufgefundene Überbleibsel von atlantidischen Siedlungen wie Negari (in der Solomon Kane-Story „The Moon of Skulls“) beweisen, und selbst einige der Relikte der vormenschlichen Geschichte der Welt sollten erhalten bleiben, zum Leidwesen aller, die sie wieder auffinden sollten.

„Das war der Westen zu jener Zeit“, heißt es lakonisch in „Das Hyborische Zeitalter“. Hiermit sind das spätere Europa und der Mittlere Osten gemeint. Von der Welt vor der Sintflut ist außer Wilden wenig übrig geblieben – ein Überbleibsel der nicht-valusischen Völker lebt in den niedrigen Bergen des Südostens, die Zhemri, und ein Geheimnis liegt über dem tieferen Süden. „Unberührt vom Kataklysmus ist seine Geschichte noch vormenschlich.“

Teil 2 von "Die Geschichte Poseidonis'" morgen an gleicher Stelle

Keine Kommentare: