Dienstag, 4. Juni 2013
Shortcuts 2013-06-04
Vor längerer Zeit hatte ich die bisherigen Ergebnisse meiner Beschäftigung mit einer Verbindung der "Reise des Narren" aus dem Tarot und dem Monomythos von Campbell geschildert... Teile eines Projektes, an dem wir schon seit längerem herum basteln und den Grundplot für mehrere sogenannte "Tarotromane" bilden soll... und nein, man braucht nicht nach zu blättern, auf welcher Seite es steht, sowohl die Esofreaks als auch die Campbellianer haben nicht viel Gefallen daran gefunden. Die Strohpuppen mit meinem Gesicht brannten an jeder Straßenkreuzung.
Es sollte auch nicht die letzte Zusammenfassung des besten spirituellen Weges zur Erfüllung werden.... wenn ich so etwas gefunden hätte, würde ich wahrscheinlich hier nichts mehr schreiben, sondern mir von dickbrüstigen Chelas Rosenblätter zuwerfen lassen... shanti, shanti, shanti...
Aber als Idee, um den kruden (und wohlgestalteten) Worten und Ideen gewisser Schreiberlinge Form und Struktur zu geben, taugt das immer noch. Zwingen wir das Chaoplasma der Schöpfung in rigide Strukturen. Man will es sich ja nicht zu einfach machen. Kurzum, gestern Nacht habe ich die Sache schnell und schmerzlos zu Ende gebracht. Alles nochmal neu. Ich druck mir das jetzt mal aus und kleb es an die Wand und fange dann an, mit bunten Stiften und kleinen Kärtchen alle möglichen Entwicklungen und Querverweise zu notieren, bis es komplett unverständlich ist, so wie früher.
Auf... Papier.
Wie gewagt. Retro High Tech aus dem Mittelalter!
Mit großem Bedauern mussten wir vor einigen Tagen vom Verscheiden des großen und unnachahmlichen Mr. Jack Vance Kenntnis nehmen. Bedauerlicherweise scheint er heutzutage in Deutschland kaum noch bekannt zu sein, aber sein Einfluss lässt sich überall nachweisen, und wie immer wird man die Bedeutung des großen alten Mannes viel zu spät begreifen. Es wird mal wieder Zeit, zu den alten Taschenbüchern zu greifen, ich auf jeden Fall werde demnächst alle Bücher von ihm noch einmal lesen, und in Erinnerungen schwelgen.
Ich hoffe, ihn wenigstens im Nachwort zu "Planet der Verdammten" ausreichend gewürdigt zu haben... nein, wahrscheinlich nicht, das muss ich dann wohl nachholen für den nächsten Band mit Arullu-Geschichten. Ohne Jack Vance hätte das Genre der "Sterbenden Erde" nicht die Bedeutung (zumindest für mich) erlangt, die es heute hat.
Kniffle momentan an mehreren Stories gleichzeitig, wie immer, und fühle mich genötigt, wie ein stets wiederkehrender Juckreiz, immer wieder neu einschlagende Ideen zu notieren. ("Der Letzte Astronaut" mit Jim Morrison in der Hauptrolle?)
Auch hier habe ich inzwischen wieder eine Retrotechnologie eingeführt und meine Kreativtagebücher hervor gekramt, die ich zu Beginn des Informationszeitalters langsam durch Dumpdateien ersetzt hatte.
Aber ein Infodump sieht leider von außen immer gleich aus. Das gleiche Problem wie bei eBooks - es gibt keine visuelle oder taktile Erinnerung, wo man eine bestimmte Zeile finden könnte.
In ein Tagebuch kann man schreiben, krickeln, zeichnen, oder was einkleben.
Papier siegt. Verdammt.
Habe in den Weiten des weltweiten wilden Webs etwas gefunden, dass sich Irish Metal Archive nennt. Sehr zur Freude auch von Freunden und Bekannten. Nur meine Frau, die beste von allen, bittet mich immer, die merkwürdigen Töne leiser zu drehen, die aus meinem Subwoofer dröhnen...
Cutout der Woche
Aus den "Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen"
Der Captain, jener glorreiche Soldat, erscheint dem Beobachter ein eitler Prahler und Aufschneider, der kaum von etwas anderem spricht als von seinen angeblichen Heldentaten auf dem Schlachtfeld und im Bett, die er jedoch nie beweisen kann. Er ist ein älterer Herr mit einem sich regelmäßig sträubenden Schnauzbart, von kleinerer Statur und generell unauffällig, wenn auch nicht harmlos. Sein hervorstechendes Merkmal sind wahrscheinlich seine Augen, die von einer ungewöhnlich intensiven Türkisfarbe sind, die auf längere Zeit sowohl durchdringend als auch beunruhigend wirken.
Beginnt er seine Geschichten zu erzählen, unweigerlich aus einer Zeit, früher und viel besser, kann er sich oft nicht mehr bremsen, bemerkt aber auch nicht, wenn seine Zuhörer schon lange gelangweilt und betreten nach einer Möglichkeit suchen, seinem Redefluss zu entkommen. Man sollte jedoch nicht versuchen, ihm dazwischenzureden oder gar seine Erlebnisse zu hinterfragen. In die Enge getrieben offenbart er eine kalte und überraschend zielsichere Aggressivität, die erneute Zweifel wecken, wie viel von den Geschichten, die man sich von ihm erzählt, doch oder trotzdem wahr sein mögen.
Im Kampf jedoch scheint ihn niemand gesehen zu haben, jedenfalls gibt es keine lebenden Zeugen, und in Gegenwart von Frauen verstummt er lieber, als sich eine Abfuhr zu holen. Er trägt stets, wenn nicht anders vorgeschrieben, eine Uniform oder ein militärisches Kostüm, das schwer einzuordnen ist, jedoch so abgetragen scheint, dass sie der Fiktion eine vage Autorität verleiht. Die Abzeichen und Bezeichnungen, die er trägt, klingen authentisch, aber auf bizarre Weise verdreht oder falsch, als ob sie einem parallelen Geschichtsablauf entstammen würden. Seine Haltung ist wie erwartet steif und aufrecht, wie die eines Soldaten, der auf einen neuen Befehl wartet, und oft liegt seine Hand an der Hüfte, als wolle er eine Waffe ziehen, die man ihm besser nicht anvertrauen sollte.
Wenn er wirklich ein Soldat ist, so jedoch kein Patriot. Es ist nicht sicher, wem seine Loyalität gehört außer sich selbst, er ist ein Staatenloser, ein Waisenkind des Zeitenstroms, das sich vielleicht selbst nicht mehr erinnern kann, wo und wann er geboren wurde. Auf seinen Reisen durch den Zeitstrom hat der Captain viele Namen getragen – seinen eigenen hat er vergessen. Ronald M.X. Contable ist sein bekanntestes Pseudonym, jedoch auch das unwahrscheinlichste. Teilweise tritt er auch unter Namen auf, die vage auf seinen komödiantischen Ursprung verweisen, auch wenn er selbst vielleicht jene Person ist, die in Gesellschaft am wenigsten Humor aufweist.
Wenn er Begleitung sucht, so scheint seine Wahl für diese Rolle traumwandlerisch sicher immer auf den gleichen Typ zu fallen, einen schmeichlerischen Parasiten, der sein Selbstbewusstsein bestärkt, indem er seine Heldentaten wiederholt, ohne sie selbst überprüfen zu müssen. Es ist jedoch nicht so, dass der Captain eine persönliche Bindung zu seinem Begleiter aufrecht erhält, er benutzt sie, wie er selbst sagt „wie ein gebrauchtes Taschentuch, das man wegwirft, wenn man sie nicht mehr benötigt“. In wie weit er die Schmeicheleien, mit dem sie ihm zu gefallen suchen, wirklich selbst ernst nimmt, scheint daher zweifelhaft. Sie gehören, so scheint es, zu den komplexen Masken, hinter denen er sich durch die Zeitgeschichte bewegt.
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