Donnerstag, 12. Juli 2012

Zitat der Woche

Gespensterhaft schwimmen phantastische Nebelfetzen durch die stummen Straßen, die auf die lauten Schritte eines belebenden Menschen lauern. Grauer Himmel drückt auf die altersmüden winkligen Giebelhäuser, die wie verwitterte Schönheiten einer prunkvollen Vergangenheit nachtrauern. In den zahlreichen Kanälen, die sich wie riesenhafte Würmer durch die Stadt winden, fließt schiefergraues Wasser; es hat eine Melodie, als lägen Tote auf dem Grunde. Schlafende Kähne, die wie märchenhafte Riesenschwäne ihre Brust bespülen lassen, träumen leise vor sich hin. Unnütz und düster bohren sich die Masten der Schiffe gleich drohenden Fingern in den Himmel, und wenn man mitternachts an den Kais entlang wanderte, würde man sicherlich den unheilbringenden Klabautermann erblicken.
Und Glocken tönen von den einsamen Kapellen, und Glocken rufen von den Türmen der ernsten Kirchen ..., dumpf und schwer kommen die Töne über die schweigenden Gewässer ... warnend und drohend wie mitleidlose Engel ... keifend und schrill wie bösartige Nonnen ... hell und wimmernd wie das Armesünderglöckchen ... bang und tief wie die Märchenglocke, die im See liegt ... singend und klagend wie heiße Menschentränen. Und die Symphonie der Klänge schwimmt ineinander und wird zu einem dröhnenden Orgelgebraus, das die Seele mit wilden Ängsten füllt. Und dann wieder Stille ... Totenstille über knienden Menschen in kalten Kirchen, in denen noch der Ruch erloschener Kerzen steht und der Weihrauch von gestern, der nicht flüchten konnte.
Die Menschen gehen still ihres Weges, als triebe keinen ein Gewerbe oder ein Beruf, als kämen sie vielmehr vom Traumreich Thule, wo das Vergessen wohnt und die Schmerzlosigkeit, Versonnen schauen sie vor sich hin, uralten Blicks, von vagen Gedanken zu Boden gedrückt.
Alles ist leise und sanft ergeben; selbst die Möwen, die sich zuweilen auf vermorschten Giebeln niederlassen, um zu ruhen, scheinen verzauberte Jungfrauen; sie schreien nicht, und sie zanken nicht miteinander. Beten auch sie? ...
(Jakob Elias Poritzky, Geist und Schicksal)

Kontext für die im laufe des Jahres (?) erscheinenden Erzählungen um Martin Jungs "Klabautermann", der ersten Figur von etwas, was wir GermanPulp nennen möchten.

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