Uns schräg gegenüber sitzt Travis Bickle und trainiert seinen sozialen Bizeps. Er ist ein wenig heruntergekommen, seit den Zeiten als er wie ein hagerer und extrem scharfer Robert de Niro aussah. Heute sieht er so aus, als hätte er schon seit drei Wochen seine Tastatur nicht verlassen. Auf seinem Bildschirm hat er vier Fenster gleichzeitig offen, um der Welt seinen Status mitzuteilen. Er ist ein Brogrammer, immer auf der Suche nach dem nächsten Hackathon.
„Ich muss wieder in Form kommen, vom vielen Sitzen sind meine Muskeln schlaff geworden“, tippt er in das blaue Fenster. Seine Gemeinde wartet atemlos auf seine nächsten Nachrichten. „Ich habe zu lange mit mir Schindluder getrieben. Ab heute heißt es jeden morgen 50 Klimmzüge, 50 Liegestütze und Schluss mit dem ewigen Herumeiern, Schluss mit der Verweichlichung, Schluß mit dem Zombiedasein. Ab heute beginnt die totale Mobilmachung, lol.“
Es ist schön zu wissen, dass die Soziophobie früherer Zeiten inzwischen durch die Sozialen Netzwerke ersetzt wird. Niemand ist mehr einsam, er ist viele. Travis hat jetzt auch Dates, meistens durch Chat Roulette. Er ist inzwischen ein Meister darin, seinem virtuellen Gegenüber etwas vorzuspielen, was er nicht ist.
Die Droogs neben mir knacken mit den Fäusten. Es ist mal wieder Zeit für was Ultrabrutales, rauszugehen und die Stadt in Flammen zu setzen. Wir sehen uns um, in der alten Korova-Internetbar, aber da gibt es keine Verschwörung, der man sich anschließen kann. Nur das verzweifelte Bedürfnis, irgendeine Art von Kontakt, von Berührung zu erleben, irgendwie zu teilen oder nachzuäffen, die anstrengungslose soziale Interaktion, die überall wahrgenommen wird, an der man aber nicht wirklich teil hat. Es ist wie mit jeder Art von Information: jeder Kontakt hier ist gleich viel wert, nämlich gar nichts. Aber man kann sie multiplizieren.
„Jeder Muskel muss wieder hart werden. Jeder Nerv muss wieder hart werden“, schreibt Travis in das nächste Fenster, kopiert den Text und veröffentlicht ihn zeitgleich in zwei anderen Medien. „Schluss mit dem veganen Kram. Ab heute heißt es rohes Fleisch, keine Fruchtsäfte mehr, nur noch harten Stoff, hochprozentiger Rum, wie ihn die Voodoo-Priester saufen. Keine Methadonkippen mehr, nur noch Selbstgedrehte, filterlos und schwarz.“
Er grinst, bis sein Blick auf unsere ablehnenden Gesichter fällt.
Die Zukunft ist tot.
Alle modernen Propheten schreiben Science Fiction, aber Science Fiction ist nur noch Nostalgie.
Realität als Remix.
Die Symptome werden neu gemischt, aber es gibt keine Zukunft mehr.
Das Internet hat das Imaginale ersetzt; die Welt der Ideen gibt es nicht mehr, nur noch die Abbilder von Ideen. Wann hast Du das letzte Mal ein Bild gemalt, anstelle es bei Wikipedia zu stehlen? Wann war das letzte Mal ohne Copy/Paste Job? Wann hast Du das letzte Mal ein Buch gelesen? Scheiße, wann hast Du das letzte Mal eine Idee gehabt, die Dir nicht jemand über Dein Handy ins Kleinhirn geschossen hat?
„Redest Du mit mir? Du laberst mich an? Du laberst MICH an??“, twittert der kleine Junge, der jetzt eilig einige der Fenster schließt, als die Kommentare zu persönlich werden, um sie vor den Augen Fremder abarbeiten zu können.
Die Zukunft, according to Travis Bickle.
Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen diesen ganzen Abschaum vom Informations-Highway spülen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen