Dienstag, 17. Dezember 2013

Tom ist erfroren

Der Mund war mir trocken. Vielleicht war ich auch aufgeregt - wenn, dann konnte ich meinen Herzschlag während das Schulorchester seine letzten Akkorde spielte, nicht hören. Wie war ich in diese Situation gekommen?

Weihnachtsfeier, gymnasiale Oberstufe, irgendwann in den 80ern. Irgendjemand - wahrscheinlich der Schlagzeuger - war zu dem Schluss gekommen, dass immer nur Swing oder so bei einer Weihnachtsfeier uncool ist. Also wurde innerhalb kürzester Zeit eine Rockband gesucht. Jeder, der ein Instrument halten konnte, und mir drückte man das Mikro in die Hand.

So kam es dazu, nachdem wir unser Set absolviert hatten - ich glaube "War", "Iron Man", "Centerfold" und das Bacardilied - ich als Musikfaschist verschrien war. Wir hätten nicht versuchen sollen, ein Weihnachtslied zu spielen. oder besser gesagt, man hätte mir nicht das Mikro für ein Weihnachtslied lassen sollen.

Dies Mikro, das mit über den Bassverstärker lief und weissgott kein Gesangsmikro war. Also, so gut jeder auch spielte, es musste eine Punkversion von allem werden, was wir anbieten konnten. An diesem Zeitpunkt war ich schon so auf Adrenalin, purer Panik und Dögen, dass ich ohne Rücksicht auf Verluste los grölte, soweit ich mich noch an den Text erinnern konnte:

"O du fröhliche, O du selige,
Gabenbringende Weihnachtszeit.
Christ ward geboren,
Tom ist erfroren -
Freue dich, o freue dich, du Christensch***!"

Ja, ich weiß. Bad taste. (Aber wenigstens kapitalismuskritisch.)

"Wie die Nazis", war der Kommentar der Lateinlehrerin. Ja, diejenigen die sich das nicht anhören wollten und unauffällig verschwanden, waren nach diesem Konzert die stolze Resistance, und man war sich sicher, dass diese Band und vor allem ihr Frontmann (gebückt vor dem Bassverstärker) die dreckigen Punks waren, für die man sie immer gehalten hatte.

Andere Karrieren haben weniger erfolgversprechend angefangen...


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