
wünscht NEMED HOUSE
"Die Welt ist gut, die Welt ist schlecht. Ich seh' mehr als ich begreifen kann." - ExtrabreitMein Held Todd Klein, der Mann der all die schönen Logostudien verfasst und all die wohlfeilen Letterings und Designs für all die schönen Serien kreiert hat, hat sich den Luxus erlaubt und in Eigenregie den Druck eines von ihm schön gestalteten Plakates veröffentlicht. Faszinierend per se, mag man sagen, bemerkenswert wird es allerdings, wenn er dafür den grossen Magus und Bonvivant Alan Moore verpflichten konnte, der eigens für Mr. Kleins Druck einen Text verfasste. Mr. Moore schreibt hier wieder zu dem, was Mr. Moore am besten kann, nämlich Magie und Buchstaben. (Und wie angemessen für Mr. Klein, dies zu lettern.) "A is for apple, first fruit from the Tree of Knowledge..."
Ihrem Wunsch wird sofort entsprochen, Herr D.
Entschuldigung, wo waren wir?
Ach, eine kleine Verwirrung der Metaphern, wie es scheint.
Oder doch nicht?
Als die unbekannten Hackergötter des Ersten Kybernetischen Zeitalters die Sprache festlegten, mit der wir in der Welt, die kommen wird, ausschließlich kommunizieren werden, hatten sie bereits ein so inniges Verhältnis zu den Maschinen, mit denen sie zu verwachsen begannen, dass sie keinen Unterschied mehr machten zwischen ihrem eigenen Immunsystem und dem ihrer Maschinenkomponente. Sie begannen von ‚Infektionen’ zu träumen, von ‚Computerkrankheiten’ und ‚Viren’. Im Internet, so scheint es, droht den Hackergöttern das Äquivalent einer Geschlechtskrankheit.
Und mancher von ihnen verwandelte sein Maschinen-Ich in etwas Schreckliches. Die Büchse der Pandora wurde geöffnet, Würmer winden sich durch das Nichts, virtuelle Typhoid Marys husten ihren infektiösen Schleim über die Menüs träumender Computer, unerforschte Daten-Dschungeln gebären neue Krankheiten, die Knoten sind entzündet, abgeschlossene Züge voller Pestkranken donnern durch die Nacht der Datenhighways.
Die Medizin der Götter hat jedoch versagt. Die Antibitotika sind schwach, die Erreger werden resistent und verbünden sich mit den Kranken. Neue Karriereaussichten im Informationszeitalter: Jeder kann jetzt Patient Zero werden, einmal den ganzen Planeten infizieren mit seinem Wahnsinn.
Es dauert nicht lange, bis auch die Politik und Wirtschaft diese neuen Möglichkeiten entdecken.
OMAC (One-Man Army Corps) ist eines der letzten Werke, das Jack Kirby in seiner Zeit bei DC Mitte der 70er Jahre erschuf. Wie auch bei den anderen Werken aus dieser Zeit und dem folgenden hatte sich Kirby von dem reinen Superhelden-Topos abgewandt und nutzte verstärkt Science-Fiction-Elemente, ein Genre, das er seit seiner Jugend sehr schätzte. In dieser Zeit arbeitete Kirby nicht nur als Zeichner, sondern auch noch als Autor und Redakteur seiner eigenen Serien, die dadurch einen ganz besonderen Charakter bekamen, der mit den formelhaften Geschichten anderer Serie in schrillem Kontrast standen.
Kirbys Produktivität ist legendär – mit den Ideen, die er auf zwei Seiten aus dem Ärmel schüttelte, hätten andere Autoren locker zwei Hefte füllen können. OMAC, aber auch die Fourth World und vor allem KAMANDI („die Abenteuer des letzten Jungen auf Erden“), und später bei Marvel THE ETERNALS, BLACK PANTHER und 2001 sprengten durch die schiere Menge visionärer Konzepte den Rahmen, den die Industrie vorgab. Kirby testete in dieser Zeit die Grenzen des Mediums – viele der Dinge, die er zu dieser Zeit ausprobierte, waren ihrer Zeit weit voraus.
OMAC ist kein Superhelden-Comic, sondern führt die Science-Fiction-Action, die bereits Kirbys Arbeit an den Fantastischen Vier kennzeichnete, auf ein noch höheres Niveau. Diesmal ist es nicht ein phantastische Jetztzeit, in der skurill gekleidete Helden und Schurken sich bekämpfen, die gesamte Welt ist skurill geworden und bekämpft sich selbst. Es ist die Welt einer nicht näher gekennzeichneten Zukunft - „die Welt, die kommen wird!“ Es ist – wie KAMANDI – eine dystopische Zukunft, aber zu OMACs Zeiten kämpft man noch gegen den Untergang der Zivilisation an. (Quälende Andeutungen späterer Jahre legen nahe, dass OMAC Kamandis Großvater war, dass der Kampf gegen den Untergang also letztendlich vergeblich war, und die „Große Katastrophe“ kommen würde, in der die menschliche Welt untergeht und die Erde schliesslich von hochintelligenten Tieren bewohnt wird, während der Mensch auf das Niveau von Tieren herabgefallen ist.)
Kirby als visueller Mensch erschuf seine SF-Parallelwelten schneller und kompletter, als jeder Autor sie beschreiben konnte, und das schloss ihn selber ein. Sie sind visuelle Achterbahnfahrten von hohem Tempo, bei denen manches Mal die Feinheiten auf der Strecke liegen bleiben. Dennoch wirken sie – Jahre später – auf surreale Weise prophetisch. Die „Welt, die kommen wird“ ist eine klar zu erkennende Weiterentwicklung der Welt am Abgrund, wie die Mitte der 70er Jahre sie kannte. Die Welt ist in einem delikaten Gleichgewicht des Schreckens, multinationale Konzerne und globale Verschwörungen haben mehr Einfluß als jede Nation. Die einzige unabhängige Polizei ist die Global Peace Agency, die stets mit gesichtslosen Masken auftritt, um Herkunft und Geschlecht zu verbergen. Sie arbeiten mit pazifistischen und hochgeradig futuristischen Waffen. Das Gleichgewicht ist inzwischen zu zerbrechlich geworden, um große Armeen einsetzen zu können.
In dieser Welt begegnen wir einem Niemand namens Buddy Blank, wobei dieser nondeskriptive Name vielleicht sogar nur ein Codename ist. Buddy Blank ist, ohne es zu wissen, „Bruder“ der künstlichen Intelligenz, die als Satellit die Erde umkreist: Brother Eye.
Buddy Blank ist, ohne es zu wissen, OMAC.
Die Ein-Mann-Armee.
Die meisten Menschen verschwenden mehr Zeit damit, Schmerzen zu vermeiden als Freude zu gewinnen.
Wussten Sie, dass im alten Italien, am See von Nemi, ein der Mondgöttin geweihter Hain heiliger Eichen stand, dessen einziger Bewohner ein zottiger ungewaschener Mann war, der den ganze Tag – und sicher auch die Nacht – mit gezogenem Schwert einen einzigen auserwählten Baum bewachte. Dieser Mann war der König des Waldes, ein König und ein Mörder, ein Priester der alten Mysterien – der Mysterien des Mondes, des Schwertes, des Blutes. König des Waldes war er geworden, indem er seinen Vorgänger ermordet hatte – und in angemessener Zeit wurde auch er von demjenigen ermordet werden, der ihm nachfolgen würde. Ich bin fasziniert von solchen Kindergeschichten, Sie nicht? In diesen Märchen und primitiven Bräuchen kann man sehr viel Wahrheit finden, einen profunden Kommentar zum Wesen der Natur oder auch dem herzen der Menschen. Rot sind Sie, rot, wenn sie aus der Brust gerissen dem Mond dargeboten werden. Und grün sind die Bäume, deren Wurzeln sich an diesem Blut satt trinken. Die alten Italiener wussten dies besser als diejenigen, die nun ihre geheiligte Insel bewohnen. Der König des Waldes regierte durch Blut und Mord, und er konnte nur solange König sein, wie er stark war, denn wurde er schwach, würde er unter der Sichel des Prinzen fallen und sein rotes Blut das Grün nähren. Eine simple und einleuchtende Lehre, oder? Dem Wald erging es gut, solange der König des Waldes stark war, und auch er lebte nur solange er stark war wie die Eiche, die er im Namen des Mondes, der jungfräulichen Hure, bewachte.
„Der König, der für sein Königreich geopfert wird – eine romantische Vorstellung, nicht wahr? So sind die unreifen Ideen junger Männer, die glauben dass der Künstler für seine Kunst leiden muss und unter den kalten Füssen seiner Muse seinen letzten Atemzug tun muss, um seinem Werk Relevanz zu verleihen, und Tiefe.“
„Wenn die Natur durch menschliche Gesetze beherrscht oder unterdrückt wird, entsteht als Folge das Wüste Land. Und wer die Natur ablehnt, lehnt damit notwendigerweise auch den Geist ab, weil beide ebenso untrennbar sind wie Licht und Schatten.“
„Ist der König verwundet, wird das Land zur Wüste“, schnarrte Angus. „Er muss erneut vom Blut des Grals trinken, um wieder zu erstarken.“
Und wie verträgt sich das mit Vorstellungen vom König der Furcht, dem Herren dieser Welt? Die Seele der ganzen Welt ist zu einem Wüsten Land geworden.
Soll er denn die Erde nicht berühren und die Sonne nicht mehr sehen?
Wovon soll er trinken, um wieder zu genesen?
Robert Barry (1970)
via Ubuweb
Hssssssss! |
Bud Abbott und Lou Costello waren zwei in Europa eher unbekannte Komiker der amerikanischen Sorte, d.h. der eine diente als Stichwortgeber, während der andere die Pointen lieferte. Nicht unbedingt die Art von Dialog, die man gewöhnt ist, die auf den Bühnen des 20. Jahrhunderts jedoch eine lange Zeit lang beliebt war. Der Stichwortgeber, oder „Straight man“, so hört man, war dabei derjenige des Duos, der sich mehr anstrengen musste. Abbott und Costello sind hier chronologisch irgendwo zwischen Laurel und Hardy und Martin und Lewis anzusiedeln. (Seien wir ehrlich, ich strecke hier das Material ein wenig, bevor ich Ihnen das cinematographische Bonbon präsentieren kann, das ich heute gefunden habe. Aber Sie sollten es auch zu schätzen wissen, dass ich mich heute Nacht noch mal hinsetze und wohlfeile Sätze schmiede, morgen fahre ich für ein paar Tage auf’s Land, und da möchte ich Ihnen noch einen kleinen Tröster mit auf den Weg geben. Demnächst ist Halloween, und da wollen wir uns schon mal ein wenig einstimmen, auch wenn es dieses Jahr keinen Themenmonat Oktober zu geben scheint.)
Abbott und Costello sind zu Recht inzwischen vergessen. Austauschbare Komiker, die den gleichen Gag jahrzehntelang auslutschten, bis der eine sich verabschiedete und der andere Ersatzmänner anheuern musste. Und anscheinend war ein guter Stichwortgeber nicht so leicht zu finden. Aber Abbott und Costello hatten eine andere Masche, die sie schon fast wieder interessant macht. In den zahllosen Filmen, die sie drehten, trafen sie manches mal auf weitaus bekanntere und unsterbliche Figuren einer eher grausigen Herkunft. Ach unheimlich… tatsächlich, ein Zeichen dafür, wie tief die Classic Monsters der Universal Studios teilweise gesunken waren. Zwei merkwürdige New Yorker Clowns treffen auf die Mumie, Dr. Jekyll, oder gar Frankenstein…
Die Horrorkomödie Abbott und Costello treffen Frankenstein von 1948 gilt als die beste dieser Masche. Sie gilt auch als der letzte große Erfolg, den der große Bela Lugosi feiern konnte, bevor er den langen schmerzvollen Weg in Alkoholsucht und Morphinismus antrat, an dessen Ende Ed Wood und solche Absonderlichkeiten wie Plan 9 aus dem Weltall standen. Bela aus Lugos! Ein weiterer großer Sohn Ungarns, heute legendärer als zu seinen Lebzeiten, aber auch damals schon legendär. Niemand verkörperte das Bild des Vampirs mehr als Bela, niemand verkörperte Dracula mehr als Bela. In Belas (in späteren Jahren zugegebenermaßen morphiumvernebelter) Vorstellung war er Dracula. Ironischerweise spielte Bela einen echten Vampir nur sehr selten. Und Dracula nur zweimal.
Ja, Sie können es sich denken...
Abbott und Costello treffen nicht nur auf Frankenstein, sondern auch auf den Grafen – der sich somit sozusagen selbst spielen kann. Bela spielt seine eigene Legende. Daneben spielt Lon Chaney Jr. Ebenfalls ein weiteres Mal seine klassische Rolle des Larry Talbot aka „Der Wolfsmann“. Vollkommener wäre dieser Monsterparty nur noch geworden, wenn die titelgebende Kreatur von Frankenstein von Boris Karloff gespielt worden wäre, aber leider ist es Glenn Strange, der sich hinter der Maske versucht. Immerhin erscheint noch der Unsichtbare (eine der ersten Rollen von Vincent Price, aber er war ja eh unsichtbar.)
Abbott und Costello treffen Frankenstein ist somit ein echtes Crossover, an dem mindestens vier Filmserien von Universal zusammenlaufen. Etwas was in den letzten Jahren Filme wie Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen und Van Helsing mit einer Unmenge an Spezialeffekten und magerem Erfolg versuchten. (Van Helsing, ebenso wie Die Mumie, basieren übrigens auf den Originalserien von Universal. Eine gute Idee, die leider nicht optimal ausgeführt wurde. 1948 konnte man so etwas noch zu einem vernünftigen Budget schaffen, selbst in einer Opera Buffo.
Schauen Sie sich mal eine Kurzfassung dieses ikonoklastischen Streifens an. Der folgende Clip ist die Reproduktion eines 8mm-Filmes der Firma Castle, die sich auf die Kurzversionen von Kinofilmen spezialisiert hatte – Kurzfilme, die man an der Tankstelle kaufen konnte und sich zuhause auf dem Projektor ansehen konnte, so etwas wie Heimvideo, als es noch kein Video gab. In 8 Minuten sollten Sie die wichtigsten Punkte der Handlung verstanden haben. Es reicht wahrscheinlich für eine kleine Tüte Popcorn oder einen Hamburger.
Wenn Sie schnell essen.
Action Comics and Superman Logo Study
Batman Logo Study
Legion of Super-Heroes Logo Study
X-Men Logo Study
Various
Es gab Botengänge zum Schnapsladen, und in dem Aufnahmeraum des Studios die Groupies. Den Rest der Zeit verbrachte Amadeus in den Kneipen, die praktischerweise rund um sein sein Motel lagen, und das Studio schickte jeden Tag pünktlich um 10 die Schwarze Limousine, um ihn in seinem Raum aufzugabeln, oder wenn es nicht anders ging, auch aus dem Hinterzimmer einer Bar abzutransportieren. Ohne Vitaminspritzen ging gar nichts.
Amadeus Universalmittel, die magische Flasche, die seinen Nöten abhalf, seine Probleme löste. Er musste aus geschichtlicher Notwendigkeit saufen. Dem dionysischen Bild gemäß, mit dem er sich identifizierte, in das er sich versetzte, und in der kulturellen Tradition Amerikas Amadeus gelegentliche Impotenz verursachte.
Amadeus trank, um die Schmerzen des Daseins zu lindern. Diesen Schmerz zu begreifen, war wichtiger als irgend etwas sonst im Leben, obschon das Leben selbst ständige Quelle des Schmerzes war. Das war schon fast Buddhismus, aber Amadeus benutzte es eher wie ein Aufputschmittel.
Der Anlaß zum Trinken war nicht so sehr Teil der umfassenderen Realität, sondern ein wichtiges Fundament der persönlichen Mythologie, die Amadeus sich erschaffen hatte. Das Bild des leidenden Künstlers, der an sich selbst kaputt ging, war schon immer ein attraktives Bild gewesen, und eine Abkürzung zur Unsterblichkeit. Kopfüber über dem chaotischen Miasma der Menschlichkeit baumelnd, die Hände auf den Rücken gebunden, ein Opfer an die Vorstellungen der Fans und der PR-Monstermaschine.
Das Bild des Gekreuzigten hatten schon so unterschiedliche Typen wie James Dean und Morrison benutzt, um ihren eigenen Mythos zu nähren. Das war typisch. Amerika hatte keine Götter, also schufen sie sich selbst. Die verfassungsmäßige Konfessionslosigkeit der Vereinigten Staaten hatte immer wieder zur Folge, daß die Massen so leicht auf religiöse Ikonen ansprangen. Politiker und Schauspieler, und oft dieselben, hatten ein leichtes Spiel, in das Unterbewußtsein der Bevölkerung einzudringen, indem sie die Posen biblischer Charaktere kopierten.
Amadeus fand es einfach, sich selbst zum Opfer zu bringen. In seinen Notizbüchern meditierte er über die Ikonographie, die die Musikjournalisten von ihm aufgebaut hatten. Der Eierkopf-Dionysos. Der schwarze Engel der Zerstörung. Dies war der Abgrund, über den er sich selbst aufgehängt hatte. Wenn man sagte, daß in den Medien jemand ‚gehängt’ oder ‚gekreuzigt’ wird, heißt es eigentlich nichts anderes, als daß jemand systematisch fertig gemacht wird.
Amadeus gefiel sich in der Pose des Gekreuzigten. Er war gerne ein elektronischer Messias, sein eigener persönlicher Jesus. Er stand voll darauf, fertig gemacht zu werden. Er freute sich auf die Tournee. Der Wetterdienst hatte „Trauer, House Music und Bikinis“ vorhergesagt.
Das war einen Tag gewesen, bevor der QVC-Trojaner, Codename „Der Pate“ die halbe Datenbasis der Ostküste ausradiert hatte.
* * *
In der Schwarzen Limousine: Vor den getönten Scheiben drängten sich die Mädchen, manche ohne Schlüpfer, manche vollkommen nackt, lauter kleine virtuelle Anime-Girls, violetter Lippenstift, neongrüne Nägel, Ponyzöpfe und Ganzkörperrasur. Die Abdrücke ihrer kleinen Brüste tätowierten das rauchige Glas mit ovalen Spuren. Die Tarmangani auf dem schwarzen Lederpolster. Gläser klirren. Amadeus erzählt einen Witz.
„Burroughs, Burroughs...“
Burroughs war für die Kids nichts weniger als ein Gott. Was Amadeus sich in früheren Zeiten überlegt hatte, war Wirklichkeit geworden. Er hatte sich lange genug von exponierter Stelle herab in den Abgrund hängen lassen, daß sein persönlicher Mythos sich in den Urwassern des kollektiven Unterbewußten auflösen konnte.
Er hatte das Chaos der Phantasielosen befruchtet und eine neue Schlangenbrut hervorgebracht. Das Opfer des Gehängten war erfolgreich gewesen, wenn auch auf Kosten von wichtigen teilen seines Selbst. Von diesem Akt ging für jeden, der klarsichtig genug war, es zu begreifen, eine gewisse morbide Faszination aus. Aber wenige begriffen, worum es Amadeus wirklich ging. Für manche war seine Show nur ein affektiertes Kokettieren mit der katholischen Schuld & Sühne-Nummer, für andere ein paganes Spektakel der Selbstvergottung.
„Ich habe da dieses homöopathisch codierte Hasch“, vertraute er irgendwann den Tontechnikern an, „Fettes Harz aufgeladen mit der telepathischen Schwingungen und den Ideen von allen Freaks, die jemals einen Brocken davon gezogen haben. Es ist Information pur: der Acapulco Golden Silence Mind Trip. Jedermann sonst kann das Programm erweitern: in den Vereinigten Staaten war Los Angeles immer der genetische Plan, nach dem sich die ganze Evolution richten sollte: Westwärts – zum Meer – Surfen und Doppel-D Silikon Nirvana.“
Auf die verwirrten Blicke der Techs grinste er nur verschwörerisch. „Das kommende Königreich, Kids!“, rief er, „Das Jüngste Gericht wird warm serviert!“
In Atlanta sprach er beruhigend auf Zuschauer ein, die bei den Randalen am Rande des Superbowls verletzt worden waren.
Und in New York zog er seine Jacke aus und gab sie einem Kind, das im Regen am Straßenrand zitterte. „Das ist alles Teil der Formel“, flüsterte er spöttisch seinen Kollegen zu. „Der Sterbende und Wiederauferstandene Gott gibt reiche Gaben an seine Gläubigen.“
„Die beste Show seit dem Brand Roms“, beschrieb der Journalist Alan Cabal vom Modern Noise Magazine das Konzert in Queens, das die Tarmangani als Hauptact hinter Ganjasta Rap und Lugosi Saviour spielen sollten. „Ich sehe ihn immer mit Weintrauben im Haar, wie einen heidnischen Frühlingsgott aus dem alten Griechenland. Er stand am Mikrophon, packte es oben mit der Rechten, den Ständer mit den Fingerspitzen der Linken, das Licht fiel auf sein Gesicht. In diesem Moment begann die Schöpfung. Es gibt kein zweites Gesicht auf der Welt wie dieses Antlitz. Es ist so wunderhübsch im landläufigen Sinn. Mit seinem symbolischen Tod geht es der ganzen Welt besser. Weil du, wenn du es anschaust, spürst, daß er für uns am Pfahl sterben will.“
Ein etwas gelassenerer Autor schrieb im gleichen Blatt: „Man weiß nicht, ob der Kerl bescheuert oder genial ist, „aber ganz sicher weiß er, wie's sich verkaufen lässt.“
Der freie Platz in Queens ermöglichte den Tarmangani ein Programm nach einem anderen Buch und einem längeren Gig, als die britischen Band Lugosi Saviour, die gerade ihre Auflösungspläne in Florida bekanntgegeben hatten, ihre Spielzeit entgegen allen Absprachen auf eine halbe Stunde kürzten. Mehr Raum für Burroughs und seine Show, und keine Berührung mit den neurotisch-depressiven, asexuellen Inselfröschen. Die Tarmangani sahen in Freiheit einem guten und aufregenden Abend entgegen.
„Burroughs, Burroughs, Burroughs...“
In der Schwarzen Limousine. Seine Dokumentation: rundherum das ziemliche Mädchen-Gedränge. Hinter ihn schützend ein Trupp New Yorker, sie folgten im Kielwasser des Helden. Er schien entspannt und ging rückwärts, war fröhlich und burlesk.
„Burroughs, Burroughs...“
Ein Mantra; die Menge sang es über das ganze Gelände hinweg. Amadeus wirkte feierlich, als er auf die
Polizisten bezogen ihre Stellung vor den Kameramännern. Nur die Knöpfe der Verstärker, Räucherstäbchen auf Hirams Orgel, sonst nichts.
„Burroughs, Burroughs...“
Die jungen Leute fingen an, auf einander zu klettern, um sich an der Bühne hochziehen zu können – nur um von den Polizisten buchstäblich zurück in die Dunkelheit geworfen zu werden. Hölzerne Klappstühle wurden nach den Bullen geschleudert; Hunderte von Teenagern bluteten.
Um Mitternacht notierte er, „Rückzug ins Primitive: Nacktheit und Waghalsigkeit. Auf einmal gibt's keine Gefahr.“ Seine inneren Kräfte brachten am nächsten Tag wieder Farbe in sein Gesicht.
Der Gig wurde abrupt beendet und das wurde in einer Zeit, in der Rock-Krawalle im Untergrund schick wurden und Schlagzeilen von jedem neuen Krach die Reputation der Bands nach oben puschten, zu einem Verkaufsschlager. Der Trend nahm noch zu. Hello, l Love You.