Sonntag, 22. Dezember 2019

Flash Fiction :: Der Samariter

Über der Welt stand ein einsamer Mann an einem Fenster, das so groß war, dass er seine Ränder nicht sehen konnte, selbst wenn er den Kopf in den Nacken legte. Unter ihm, ein paar Meter oder auch viele hundert Kilometer, drehte sich der Planet in gleichmäßiger Bewegung dem Sonnenlicht entgegen. Seine Augen verweilten einige Augenblicke auf den dunklen Schatten des großen Kontinentes, auf dem er geboren worden war, unter den strahlendweißen Wolkenbändern, dann war die Landmasse entschwunden, und das offene, schimmernde Türkisblau des Ozeans, übersät mit dem brillanten Schimmern versprengter Archipel, kam in Sicht. Kurz schimmerte es blau und grün und weiß vor ihm, dann verdunkelten sich die Farben und vermählten sich mit der Finsternis der Nachtseite. Der Satellit umkreiste die Welt einmal in drei Minuten. Manchmal fühlte er sich wie ein Geist, wenn er auf die Lichter herabsah, die die Nacht übersäten – kalte, zwinkernde Lichter wie die Sterne jenseits dieser kleinen Kugel unter ihm. Ein Geist, ein einsames Auge inmitten der Leere des Weltraumes. Sah vielleicht irgendjemand da unten zu ihm empor, irgendeine einsame Seele, die ebenfalls nicht schlafen konnte? Aber der Satellit war vom Boden betrachtet nur eines von Millionen winzigen Lichtern, leicht zu übersehen und bedeutungslos in dem gähnenden Abgrund, durch den der Planet raste. Er wandte sich ab, als die Dunkelheit der Nachtseite dem schimmernden Weiß und Blau wich, die sich in neuen Mustern über der Westküste des Kontinentes zusammenzog.

Der Klang seiner Stiefel hallte weit in den langen Korridoren, die vor ihm lagen. Er warf seinem Spiegelbild einen kurzen Blick zu, als er an einer blankpolierten Stahltür vorbeiging. Sein Gesicht, eingerahmt von kurzen, bereits grau werdenden Harren, ein flüchtiger Schatten über dem dunkelblauen Schemen seines Uniform. Er war ein Samariter, so nannte man sie nun, die Männer und Frauen, die die orbitale Satellitenstation in der Atmosphäre des Planeten bemannten. Ein goldenes „S“ in einem Pentagon, dem Abzeichen der Terranischen Raumabwehr, das auf die rechte Brustseite der Uniform geprägt war, gab Zeugnis davon, dass der Spitzname, den man vor etwa zwei Jahrzehnten für die einsame Besatzung der Station geprägt hatte, inzwischen auch Eingang gefunden hatte in den offiziellen Sprachgebrauch. Samariter nannte man sie, weil sie die einzigen waren, die von ihrer Arbeit keinen Nutzen haben würden, die vor allem aus der Beobachtung des Wetters und der tektonischen Aktivitäten des Planeten, sowie dem In-Raum-Scanning des Sonnensystems bestand. Die Samariter waren die einsamen Wachhunde des Planeten, die ihren undankbaren Job schweigsam in den endlosen Stahlkammern der Station verrichteten. Das einzige, was ihnen geblieben war, als sie sich freiwillig für den Dienst auf dem Satelliten verpflichtet hatten, war, die Welt zu beobachten. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr, bis der Dienst abgeleistet war, oder der Tod einen von ihnen auslöschte und ein neuer Samariter an Bord kam.

Der einsame Mann hoch über der Welt blieb stehen, doch das Echo seiner Schritte setzte sich noch einige Augenblicke fort. Auch heute war er nicht der einzige Geist, der den Himmel heimsuchte.

Weniger Flash Fiction als ein Fragment, das entstanden ist, als ich vor 20 Jahren (1998) versucht hatte, die Geschichten um den Grünen Planeten Nemedia aus meinen Jugendwerken, neu zu beleben und in einer griffigeren Form umzuschreiben. Naja, es war einen Versuch wert. *Seufz*

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Das Schwarze Brett im Winter

Ha! Wieder selbst ausgetrickst!
Als motivierende Massnahme und Vorbereitung der Epiphanie eines neuen Lichtes in der Gutenberg-Galaxis,hatte es sich bei uns hier eingebürgert, ein buntes Kärtchen mit dem Titel und den groben Daten der Veröffentlichung an unser Redaktions-Schwarzbrett zu tackern. (Hängt direkt hinter den Schreibtischen...)
Und dann hatten wir sie, und dann hatten wir noch ein paar, aber irgendwie kamen immer mehr bunte Kärtchen dazu, als bunte Kärtchen als "erledigt" geschreddert wurden... bis die bunten Kärtchen alle waren, und das Redaktions-Schwarzbrett nur noch ein stummer, misgelaunter Vorwurf in der optischen Atmosphäre war.

Im Sinne der beschaulichen Vorweihnachtszeit... jedenfalls sagt man mir, sie sei beschaulich und ich solle dies doch bitte um Gottes Willen! auch einmal nutzen, pflücke ich nun die bunten Kärtchen, die ich früher mit viel Sachverstand aber wenig praktischem Nutzen selbst zurechtgeschnitten habe, von dem mißbilligenden Schwarzbrett wie der Winter die letzten Blätter von den Bäumen.
All dies muß weg, bevor es wieder Frühling werden kann...
Ich prokrastiniere weiter...

Sonntag, 10. November 2019

Merkwürdige Äonen [5]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


The Nameless City“ ist keine große oder vielleicht auch nur besonders gut bekannte Geschichte von H. P. Lovecraft – vielleicht gerade, weil hier viele der Bausteine und Elemente, die er in späteren Werken viel effektiver einsetzte, das erste Mal auftauchen. Die Namenlose Stadt steht noch knapp auf der Schwele zur Imitation größerer Autoren – die Dimensionen und Proportionen sind noch bescheidener und unverzerrter, als sie sich in der Zukunft anbieten mögen. Wurde deswegen die Namenlose Stadt in der weiteren Entwicklung des Mythos nicht weiter berücksichtigt, außer halbherzigen Erwähnungen am Rande? Das Volk, das sie erbaute – „haßverzerrt, grotesk herausgeputzt, halb durchsichtige Teufel einer Rasse, die niemand verwechseln kann – taucht im Mythos nie wieder auf. In der größeren Architektur von Lovecrafts Werk und seinen Epigonen spielt sie, „die über die Welt herrschte, bevor Afrika aus den Wogen auftauchte“ keine Rolle.

Dennoch ist der Gedanke verlockend, vielleicht auch quälend, sich einen Mythos vorzustellen, der sich von hier aus weiterentwickelt hätte, mit dem gleichen Duktus und der Geschwindigkeit, die Lovecraft zu jenen Ruinen tief im Inneren der Arabischen Wüste geführt hatte. Kein Cthulhu-Mythos, nicht mal ein cthulhoider, sondern der Mythos von den Echsen-Königen, die Millionen jahre über diesen Planeten herrschten, bis die Wüste ihre ehemalige Küstenmetropole erstickte; der Mythos von der Alten Rasse, die Meilen unter der Menschenwelt im astralen Lichtmeer der Innenwelt darauf lauert, zurückzukehren.

Wie fremdartig müssen diese Wesen für uns sein, wenn wir ihnen einmal gegenüberstehen – Wesen, die aus einer Zeit stammen, in der sich noch nicht einmal die höheren Teile unseres Gehirns entwickelt hatten?

Der einzelne flüchtige Blick in seltsame Äonen: Welt und Natur sind hilflos gegen solche Angriffe aus den aufgebrochenen Brunnen der Nacht, auch kann kein Zeichen oder Gebet den Walpurgisaufstand des Grauen aufhalten. Und schon sind wir unsicher, wer oder was es ist, was ewig lügen kann.

Sonntag, 3. November 2019

Merkwürdige Äonen [4]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


Anklänge finden sich auch an das sagenhafte Ägypten aus „The Cats of Ulthar“ (1920), ebenfalls eine Dunsany-Imitation, in der Lovecraft fulminant die Katze als „die Seele des alten Aigyptos“ identifiziert. „Die Sphinx ist ihre Cousine“, preist sie der Autor, „und sie spricht ihre Sprache; aber sie ist viel älter als die Sphinx und erinnert sich an das, was jene vergessen hat.“

An einer anderen Stelle werden die sagenhaften Kolosse des Memnon erwähnt, die Statuen des Amenophis III. beim Luxor, und das Geräusch, das das Öffnen und Schließen der Bronzetür in die „Innere Welt“ verursacht, wird mit dem klagenden Ton verglichen, den die Kolosse einst bei Sonnenaufgang ausstießen. (Erstaunlicherweise ist dieses Phänomen der einzige von Lovecrafts Verweisen, der wissenschaftlich belegbar und nicht einer Traumwelt oder Legende entstammt.) Die Katze mag „älter als die Sphinx“ sein, die Namenlose Stadt aber ist „Urahne der ältesten Pyramide“ – bedrohlich und rätselhaft wie die Frage nach ihren Erbauern. „Furcht sprach aus den zeitbenagten Steinen dieses altersgrauen Überbleibsels der Sintflut“, so heißt es. Es ist offensichtlich – die Namenlose Stadt entstammt seltsamen Äonen.

Ein Detail am Rande, leider nicht von Lovecraft angewandt: Der schreckliche ägyptische Fruchtbarkeitsgott Sobek, er mit dem Krokodilskopf, trug als Beinamen den Titel Djedi, der Dauernde. Wie lang mag er wohl gedauert – und gewartet haben? „Die Altertümlichkeit des Ortes war unerträglich“, so heißt es weiter, „und ich sehnte mich danach, irgendein Zeichen oder eine Vorrichtung aufzufinden, um zu beweisen, daß die Stadt wirklich von menschlichen Wesen errichtet wurde. Es gab in den Ruinen gewisse Proportionen und Dimensionen, die mir nicht behagten.“ Ähnlich werden auch die Hinterlassenschaften anderer außermenschlicher Kulturen in den Folgegeschichten des Mythos beschrieben; hier ist diese Beschreibung aber auch noch ein zartes Echo der Faszination, mit der man früher den Hinterlassenschaften der Pharaonen begegnet ist.

Sonntag, 27. Oktober 2019

Fear of the Unknown Vol. I, Nr. I

"The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown."
H.P.Lovecraft


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Merkwürdige Äonen [3]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


Das ist nicht tot, was ewig lügen/liegen kann.
Und mit seltsamen Äonen kann sogar der Tod sterben.“


Das berühmte Zitat bezieht sich hier augenscheinlich auf die Bewohner der Namenlosen Stadt im Inneren der Arabischen Wüste, die in den Tiefen ihrer „Inneren Lichtwelt“ überdauert haben – in „The Call of Cthulhu“ wird dieselbe Stelle mehr oder weniger unverändert wieder verwendet, bezieht sich jedoch plötzlich auf den außerirdischen Titelhelden. „In seinem Haus in R’lyeh wartet träumend der tote Cthulhu“ auf die Zeit, da die Sterne richtig stehen und er wieder erwachen wird. In diesem Zusammenhang wird aus dieser Sentenz die Quintessenz des Mythos, und der ekstatische arabische Dichter zu seinem Propheten.

„The Nameless City“ wird aus diesen Details heraus – wie erwähnt – oft als die erste Geschichte des „Cthulhu Mythos“ angesehen. Dies ist nicht richtig. Sie ist Proto-Mythos, und liefert einige Bausteine, die Lovecraft in späteren Geschichten zitiert, um die Illusion eines Kontinuums zu suggerieren. Erst dies ist der vielbeschworene Mythos, „The Nameless City“ liegt davor und greift auf andere Quellen zurück.

Zum einen bildet sie die Faszination ab, die Lovecraft als junger Mensch für die Geschichten aus „1001 Nacht“ empfand. Der unbekannte Erzähler selbst erwähnt „Sarnath die Verdammte im Lande Mnar, als die Menschheit jung war, und an Ib, das aus grauem Stein gehauen wurde, ehe die Menschheit bestand“ aus „The Doom that Came to Sarnath“ (1920), und verbindet so „The Nameless City“ mit den Traumweltgeschichten, die Lovecraft in Imitation von Lord Dunsany verfasste.

Sonntag, 20. Oktober 2019

Merkwürdige Äonen [2]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


Als der namenlose Erzähler in Gewölbe unter der Namenlosen Stadt eindringt, „tief unten im Grab ungezählter, seit Äonen vergangener Altertümer, Meilen unterhalb der von Morgendämmerung erhellten Menschenwelt“ präsentieren sich ihm die bizarren, doch beeindruckenden Hinterlassenschaften der alten Rasse, die diese Stadt vor zehn Millionen Jahren erbaut hatte. Er findet groteske Mumien, in der Beschreibung nicht unähnlich dem Brauchtum des späten ägyptischen Reiches, und Reliefs an den Korridorwänden, die die Geschichte der Alten wiedergeben. Viele Jahre später stellte er auf gleiche Weise die sternköpfigen Alten Wesen seiner Meistererzählung „At the Mountains of Madness“ (1931, veröffentlicht Februar-April 1936 in „Astounding Stories“) vor. Auch der Plot einer der letzten Erzählungen Lovecrafts, „The Shadow Out of Time“ (1934/5, veröffentlicht Juni 1936 ebenfalls in „Astounding Stories“), hat in seiner zweiten Hälfte Ähnlichkeiten mit dem von „The Nameless City“.

Doch dies sind nicht die einzigen Elemente, die Lovecraft in späteren Erzählungen wieder verwendete, die zusammen den dunklen Mythos ergeben, der ihn so populär werden ließ. In „The Nameless City“ wird auch das erste Mal der Name Abdul Alhazred erwähnt. Es ist die Namenlose Stadt, so heißt es in der Geschichte, von der „der wahnsinnige Dichter in den Nächten träumte, ehe er seinen rätselvollen Zweizeiler sang“:

„That is not dead which can eternal lie.
And with strange aeons even death may die.“

Freitag, 18. Oktober 2019

Die Wiederkehr der Wiedergänger [3]

  Aus einem unveröffentlichten Essay, das zu neuem Leben erweckt wurde...



Der Zombie in seiner ursprünglichen Form ist ein Kind Haïtis  und der Louisiana-Sümpfe, der französischen Kolonialzeit, in dem der liberal-orthodoxe Katholizismus eine explosive Verbindung mit verschiedenen afrikanischen Glauben einging. Er ist auch ein Kind der Geschichte der Versklavung und des Strebens nach Freiheit, die mit dem Sklavenaufstand von 1791 einen glorreichen Höhepunkt erreichte und Haïti als erste unabhängige Republik von Farbigen etablierte. 

Der Zombie in diesem Umfeld ist nichts anderes als ein Mensch, der nach seinem Verscheiden von einem bösen Zauberer oder Bocor als untoter Wiedergänger zu seinem Dienst gezwungen wurde – die Wiederauferstehung als ultimative Schurkerei – dies ist kein Voodooist, sondern jemand, der sich die Macht Gottes anmaßt, wenn schon nicht satanistisch, so zumindest satanisch.

Der größte Schrecken für die Sklaven und Kinder von Sklaven – auch nach dem Tode ein Sklave zu sein; keine Erlösung im christlichen Jenseits, keine Errettung von den Ketten des Daseins, und dem Dasein in Ketten. In dem ersten  Kinofilm zu diesem Thema, „White Zombie“ (1932), wird dies quasi-authentisch dargestellt, wo der bösartige kreolische Hexer Murder Legendre, gespielt vom unsterblichen Bela Lugosi die von ihm erschaffenen Untoten als Sklaven in seiner Zuckerrohrmühle arbeiten lässt. populärer gemacht durch „Weird Tales“ und andere Pulpmagazine der 30er und 40er, und ihre Verwandten, die Comic Books der 40er und 50er – in den Horror Magazinen des EC Verlages so sehr beliebt, dass man in einen der Paragraphen der Comics Code Authority genannten Selbstzensursvereines, der von den anderen Verlägen extra so formuliert wurde, um EC auszuschalten, u.a. auch das Wort Zombie verboten wurde.

In den alten EC Comics tauchten die wandelnden Toten oft getrieben von dem Streben nach Vergeltung – die sprichwörtliche Rache aus dem Grabe – und dies ist gut so.

Was wollen die Zombies der modernen Zeit rächen?

Sonntag, 13. Oktober 2019

Merkwürdige Äonen [1]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


„The Nameless City“ (Die Namenlose Stadt) ist eine Horrorgeschichte des amerikanischen Schriftstellers H. P. Lovecraft (* 20. August 1890; † 15. März 1937) aus dem Januar 1921, die erstmals in der Novemberausgabe 1921 der Amateurzeitschrift „The Wolverine“ veröffentlicht wurde. Es wird oft als die erste Geschichte des „Cthulhu Mythos“ angesehen. Dies ist ein Begriff, den Lovecraft selbst so nie benutzt hat, aber dazu dient, den Handlungsrahmen, die Stilmittel und Überlieferung zu identifizieren, die von Lovecraft und seinen literarischen Nachfolgern eingesetzt wurden. Einige der Themen dieses Mythos, wie zum Beispiel das Überleben nicht-menschlicher Wesen, die in „seltsamen Äonen“ die Erde beherrschten und die relative Bedeutungslosigkeit der menschlichen Rasse, kommen bereits in „The Nameless City“ vor, wurden in späteren Erzählungen jedoch effektiver eingesetzt.

Freitag, 11. Oktober 2019

Die Wiederkehr der Wiedergänger [2]

  Aus einem unveröffentlichten Essay, das zu neuem Leben erweckt wurde...



In der populären Vorstellung ist der Zombie ein Untoter, der aus dem Grabe wiederaufersteht und von einem unstillbaren Hunger nach Menschenfleisch angetrieben wird.

Im Volksglauben und den Sagas von Mittel- und Nordeuropa tauchen diese Figuren als Wiedergänger, Gonger, Draugr auf. Es sind die unruhigen Toten, die ihre Sünden büssen oder nach Vergeltung streben müssen. Der Draugr lebte unter seinem Grabhügel weiter – untot im Sinne des Wortes – und man konnte ihn nur besiegen, wenn man ihn enthauptet und verbrennt. Ein dumpfer Ton, tief unter der Erde - da ist der Zombie, wie man ihn heutzutage kennt, ein fernes Echo davon. 

Der Draugr wurde ansehnlich beschrieben von Poul Anderson in seiner Kurzgeschichte „The Tale of Hauk“ (1977), in der sich ein Wikinger gegen seinen untoten Vater wehren muss, der den ruhmlosen Strohtod gestorben war und aus seinem Grabhügel zurückkehrt. Das Bild des Kopflosen Reiters, die weltweit durch Washington Irvings Erzählung ‚The Legend of Sleepy Hollow’ (1820) popularisiert wurden, entstammen ursprünglich übrigens u.a. dem Rheinland. Der Zombie, so merkt man, kommt wohl aus Haïti, aber seine Vorgänger durchaus auch aus Mittel- und Nordeuropa.

Andererseits, die Furcht vor den unruhigen Toten ist vielleicht so alt wie die Menschheit, wenn nicht sogar älter.

Freitag, 4. Oktober 2019

Die Wiederkehr der Wiedergänger [1]

  Aus einem unveröffentlichten Essay, das zu neuem Leben erweckt wurde...



Zombie. Zombi. Zonbi. Zumbi. Zouvembie. Die Namen sind viele, aber das Gesicht dahinter ist immer das gleiche – stöhnend, zähneknirschend, jeder Zug der Individualität ausgelöscht hinter einer Maske aus geronnenem Blut und Fäulnis. Zombies sind alle gleich, egal ob sie wandeln, schlurfen oder sich in Windeseile viral verbreiten. (Dies ist wahr: Der Gedanke an den Zombie ist viel ansteckender als er selbst. Jeder kann jederzeit gebissen werden, und den kranken Traum von der Zombie-Apokalypse weitertragen.) Der Wandelnde Tote hat längst die Massenkultur und die Kulturindustrie infiziert, er ist eine Ware, er folgt den Gesetzen des Marktes. Die Nachfrage ist noch nicht gesunken – Zombies gehen immer.

Der Zombie ist Pop, Pop ist ein Zombie.

Das war nicht immer so. Die Gestalt des Wiedergängers, des Wandelnden Toten, in Form eines unwirkliches Gespenstes oder eines allzu wirklichen Leichnams, ist so alt wie die Menschheit, besonders populär ist er aber erst in den letzten Jahrzehnten geworden und hat inzwischen vielleicht sogar seinen etwas zivilisierteren Cousin, dem Vampir, von seinem Platz verdrängt. (Und auch dieser ist ein Wiedergänger – die Art und Weise, einen Vampir zu pfählen rührt von Praxis her, wie man einen Leichnam im Grab fixierte, damit er nicht zurückkehren konnte. Wenn man ganz sicher gehen wollte, konnte man sie auch noch enthaupten, auch dies ein Aspekt, der gerne wiederholt wurde. 

Auch dies ist Pop: die scheinbare Vielfalt an Waren, die im Grunde nur Variationen desselben Themas sind.)

Jede Generation, so heißt es in einem alten Song, hat ihre eigene Krankheit. Das ist wohl so. Und jede Generation hat ihren eigenen Schrecken, ihre eigene Furcht, ihren Terror und Horror. Man könnte auch sagen, jede Generation bekommt den Zombie, den sie verdient.