Sonntag, 27. Oktober 2019

Fear of the Unknown Vol. I, Nr. I

"The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown."
H.P.Lovecraft


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Merkwürdige Äonen [3]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


Das ist nicht tot, was ewig lügen/liegen kann.
Und mit seltsamen Äonen kann sogar der Tod sterben.“


Das berühmte Zitat bezieht sich hier augenscheinlich auf die Bewohner der Namenlosen Stadt im Inneren der Arabischen Wüste, die in den Tiefen ihrer „Inneren Lichtwelt“ überdauert haben – in „The Call of Cthulhu“ wird dieselbe Stelle mehr oder weniger unverändert wieder verwendet, bezieht sich jedoch plötzlich auf den außerirdischen Titelhelden. „In seinem Haus in R’lyeh wartet träumend der tote Cthulhu“ auf die Zeit, da die Sterne richtig stehen und er wieder erwachen wird. In diesem Zusammenhang wird aus dieser Sentenz die Quintessenz des Mythos, und der ekstatische arabische Dichter zu seinem Propheten.

„The Nameless City“ wird aus diesen Details heraus – wie erwähnt – oft als die erste Geschichte des „Cthulhu Mythos“ angesehen. Dies ist nicht richtig. Sie ist Proto-Mythos, und liefert einige Bausteine, die Lovecraft in späteren Geschichten zitiert, um die Illusion eines Kontinuums zu suggerieren. Erst dies ist der vielbeschworene Mythos, „The Nameless City“ liegt davor und greift auf andere Quellen zurück.

Zum einen bildet sie die Faszination ab, die Lovecraft als junger Mensch für die Geschichten aus „1001 Nacht“ empfand. Der unbekannte Erzähler selbst erwähnt „Sarnath die Verdammte im Lande Mnar, als die Menschheit jung war, und an Ib, das aus grauem Stein gehauen wurde, ehe die Menschheit bestand“ aus „The Doom that Came to Sarnath“ (1920), und verbindet so „The Nameless City“ mit den Traumweltgeschichten, die Lovecraft in Imitation von Lord Dunsany verfasste.

Sonntag, 20. Oktober 2019

Merkwürdige Äonen [2]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


Als der namenlose Erzähler in Gewölbe unter der Namenlosen Stadt eindringt, „tief unten im Grab ungezählter, seit Äonen vergangener Altertümer, Meilen unterhalb der von Morgendämmerung erhellten Menschenwelt“ präsentieren sich ihm die bizarren, doch beeindruckenden Hinterlassenschaften der alten Rasse, die diese Stadt vor zehn Millionen Jahren erbaut hatte. Er findet groteske Mumien, in der Beschreibung nicht unähnlich dem Brauchtum des späten ägyptischen Reiches, und Reliefs an den Korridorwänden, die die Geschichte der Alten wiedergeben. Viele Jahre später stellte er auf gleiche Weise die sternköpfigen Alten Wesen seiner Meistererzählung „At the Mountains of Madness“ (1931, veröffentlicht Februar-April 1936 in „Astounding Stories“) vor. Auch der Plot einer der letzten Erzählungen Lovecrafts, „The Shadow Out of Time“ (1934/5, veröffentlicht Juni 1936 ebenfalls in „Astounding Stories“), hat in seiner zweiten Hälfte Ähnlichkeiten mit dem von „The Nameless City“.

Doch dies sind nicht die einzigen Elemente, die Lovecraft in späteren Erzählungen wieder verwendete, die zusammen den dunklen Mythos ergeben, der ihn so populär werden ließ. In „The Nameless City“ wird auch das erste Mal der Name Abdul Alhazred erwähnt. Es ist die Namenlose Stadt, so heißt es in der Geschichte, von der „der wahnsinnige Dichter in den Nächten träumte, ehe er seinen rätselvollen Zweizeiler sang“:

„That is not dead which can eternal lie.
And with strange aeons even death may die.“

Freitag, 18. Oktober 2019

Die Wiederkehr der Wiedergänger [3]

  Aus einem unveröffentlichten Essay, das zu neuem Leben erweckt wurde...



Der Zombie in seiner ursprünglichen Form ist ein Kind Haïtis  und der Louisiana-Sümpfe, der französischen Kolonialzeit, in dem der liberal-orthodoxe Katholizismus eine explosive Verbindung mit verschiedenen afrikanischen Glauben einging. Er ist auch ein Kind der Geschichte der Versklavung und des Strebens nach Freiheit, die mit dem Sklavenaufstand von 1791 einen glorreichen Höhepunkt erreichte und Haïti als erste unabhängige Republik von Farbigen etablierte. 

Der Zombie in diesem Umfeld ist nichts anderes als ein Mensch, der nach seinem Verscheiden von einem bösen Zauberer oder Bocor als untoter Wiedergänger zu seinem Dienst gezwungen wurde – die Wiederauferstehung als ultimative Schurkerei – dies ist kein Voodooist, sondern jemand, der sich die Macht Gottes anmaßt, wenn schon nicht satanistisch, so zumindest satanisch.

Der größte Schrecken für die Sklaven und Kinder von Sklaven – auch nach dem Tode ein Sklave zu sein; keine Erlösung im christlichen Jenseits, keine Errettung von den Ketten des Daseins, und dem Dasein in Ketten. In dem ersten  Kinofilm zu diesem Thema, „White Zombie“ (1932), wird dies quasi-authentisch dargestellt, wo der bösartige kreolische Hexer Murder Legendre, gespielt vom unsterblichen Bela Lugosi die von ihm erschaffenen Untoten als Sklaven in seiner Zuckerrohrmühle arbeiten lässt. populärer gemacht durch „Weird Tales“ und andere Pulpmagazine der 30er und 40er, und ihre Verwandten, die Comic Books der 40er und 50er – in den Horror Magazinen des EC Verlages so sehr beliebt, dass man in einen der Paragraphen der Comics Code Authority genannten Selbstzensursvereines, der von den anderen Verlägen extra so formuliert wurde, um EC auszuschalten, u.a. auch das Wort Zombie verboten wurde.

In den alten EC Comics tauchten die wandelnden Toten oft getrieben von dem Streben nach Vergeltung – die sprichwörtliche Rache aus dem Grabe – und dies ist gut so.

Was wollen die Zombies der modernen Zeit rächen?

Sonntag, 13. Oktober 2019

Merkwürdige Äonen [1]



Das Zeitalter der Namenlosen Stadt


„The Nameless City“ (Die Namenlose Stadt) ist eine Horrorgeschichte des amerikanischen Schriftstellers H. P. Lovecraft (* 20. August 1890; † 15. März 1937) aus dem Januar 1921, die erstmals in der Novemberausgabe 1921 der Amateurzeitschrift „The Wolverine“ veröffentlicht wurde. Es wird oft als die erste Geschichte des „Cthulhu Mythos“ angesehen. Dies ist ein Begriff, den Lovecraft selbst so nie benutzt hat, aber dazu dient, den Handlungsrahmen, die Stilmittel und Überlieferung zu identifizieren, die von Lovecraft und seinen literarischen Nachfolgern eingesetzt wurden. Einige der Themen dieses Mythos, wie zum Beispiel das Überleben nicht-menschlicher Wesen, die in „seltsamen Äonen“ die Erde beherrschten und die relative Bedeutungslosigkeit der menschlichen Rasse, kommen bereits in „The Nameless City“ vor, wurden in späteren Erzählungen jedoch effektiver eingesetzt.

Freitag, 11. Oktober 2019

Die Wiederkehr der Wiedergänger [2]

  Aus einem unveröffentlichten Essay, das zu neuem Leben erweckt wurde...



In der populären Vorstellung ist der Zombie ein Untoter, der aus dem Grabe wiederaufersteht und von einem unstillbaren Hunger nach Menschenfleisch angetrieben wird.

Im Volksglauben und den Sagas von Mittel- und Nordeuropa tauchen diese Figuren als Wiedergänger, Gonger, Draugr auf. Es sind die unruhigen Toten, die ihre Sünden büssen oder nach Vergeltung streben müssen. Der Draugr lebte unter seinem Grabhügel weiter – untot im Sinne des Wortes – und man konnte ihn nur besiegen, wenn man ihn enthauptet und verbrennt. Ein dumpfer Ton, tief unter der Erde - da ist der Zombie, wie man ihn heutzutage kennt, ein fernes Echo davon. 

Der Draugr wurde ansehnlich beschrieben von Poul Anderson in seiner Kurzgeschichte „The Tale of Hauk“ (1977), in der sich ein Wikinger gegen seinen untoten Vater wehren muss, der den ruhmlosen Strohtod gestorben war und aus seinem Grabhügel zurückkehrt. Das Bild des Kopflosen Reiters, die weltweit durch Washington Irvings Erzählung ‚The Legend of Sleepy Hollow’ (1820) popularisiert wurden, entstammen ursprünglich übrigens u.a. dem Rheinland. Der Zombie, so merkt man, kommt wohl aus Haïti, aber seine Vorgänger durchaus auch aus Mittel- und Nordeuropa.

Andererseits, die Furcht vor den unruhigen Toten ist vielleicht so alt wie die Menschheit, wenn nicht sogar älter.

Freitag, 4. Oktober 2019

Die Wiederkehr der Wiedergänger [1]

  Aus einem unveröffentlichten Essay, das zu neuem Leben erweckt wurde...



Zombie. Zombi. Zonbi. Zumbi. Zouvembie. Die Namen sind viele, aber das Gesicht dahinter ist immer das gleiche – stöhnend, zähneknirschend, jeder Zug der Individualität ausgelöscht hinter einer Maske aus geronnenem Blut und Fäulnis. Zombies sind alle gleich, egal ob sie wandeln, schlurfen oder sich in Windeseile viral verbreiten. (Dies ist wahr: Der Gedanke an den Zombie ist viel ansteckender als er selbst. Jeder kann jederzeit gebissen werden, und den kranken Traum von der Zombie-Apokalypse weitertragen.) Der Wandelnde Tote hat längst die Massenkultur und die Kulturindustrie infiziert, er ist eine Ware, er folgt den Gesetzen des Marktes. Die Nachfrage ist noch nicht gesunken – Zombies gehen immer.

Der Zombie ist Pop, Pop ist ein Zombie.

Das war nicht immer so. Die Gestalt des Wiedergängers, des Wandelnden Toten, in Form eines unwirkliches Gespenstes oder eines allzu wirklichen Leichnams, ist so alt wie die Menschheit, besonders populär ist er aber erst in den letzten Jahrzehnten geworden und hat inzwischen vielleicht sogar seinen etwas zivilisierteren Cousin, dem Vampir, von seinem Platz verdrängt. (Und auch dieser ist ein Wiedergänger – die Art und Weise, einen Vampir zu pfählen rührt von Praxis her, wie man einen Leichnam im Grab fixierte, damit er nicht zurückkehren konnte. Wenn man ganz sicher gehen wollte, konnte man sie auch noch enthaupten, auch dies ein Aspekt, der gerne wiederholt wurde. 

Auch dies ist Pop: die scheinbare Vielfalt an Waren, die im Grunde nur Variationen desselben Themas sind.)

Jede Generation, so heißt es in einem alten Song, hat ihre eigene Krankheit. Das ist wohl so. Und jede Generation hat ihren eigenen Schrecken, ihre eigene Furcht, ihren Terror und Horror. Man könnte auch sagen, jede Generation bekommt den Zombie, den sie verdient.