Freitag, 2. Februar 2007

Clark Ashton Smiths Zothique-Zyklus

„Über Zothique, dem letzten irdischen Kontinent, erstrahlte die Sonne nicht mehr in der Weißglut der Frühzeit, sondern trübe und fleckig, als wär' sie verhangen von einem blutfarbenen Dunst. Zahllose neue Gestirne waren erschienen am Himmel, und die Schatten der Ewigen Nacht rückten näher und näher. Und aus diesen Schatten waren getreten die uralten Götter: die seit Hyperborea, seit Mu und Poseidonis längstvergessenen Götter, zwar unter anderen Namen, doch mit den nämlichen Attributen. Und ebenso waren wiedergekehrt die alten Dämonen und schwelgten im fetten Gewölk der Opferfeuer des Übels, ja pflegten aufs neue die zaubrischen Künste der Urzeit.“

Zothique, zuerst auch Gnydron genannt, ist der Schauplatz von Clark Ashton Smiths’ umfangreichsten und phantastischstem Zyklus von Kurzgeschichten. Zothique ist der letzte Kontinent, der in einer Umkehrung – oder Weiterführung – der Kontinentaldrifttheorie am Ende der Zeit entstehen werden soll. Ursprünglich im Südatlantik angesiedelt, stellte er in Smith Vorstellungskraft einen verhexten Ort dar, in den mehr als in jedes frühere irdische Reich, Kräfte und Wesenheiten aus anderen, äusseren, Welten eindringen konnten. [A Tale of Gnydron (Synopsis) – Februar 1931]

Diese kurze Grundkonzeption ist vielfach ausdeutbar - vielleicht sogar in Richtung Wissenschaftliche Romanze - ein Austausch mit anderen Dimensionen oder Existenzebenen oder „Dingen aus Galaxien, die noch nicht sichtbar waren“, wie Smith in einem Brief an Lovecraft schrieb, gäbe auch Stoff für Science Fiction. Die Geschichten, die sich schließlich jedoch materialisierten, waren reine Fantasy, dekadent, finster und grotesk. Manche vergleichen sie mit den ungewöhnlicheren Exemplaren der Geschichten aus 1001 Nacht, eine größere Verwandtschaft besteht jedoch vielleicht mit den Visionen Beaudelaires.

Das Subgenre der „Sterbenden Erde“ wird im Zothique-Zyklus von seiner dunkelsten Seite ausgedeutet. Der narrative Imperativ führt immer in den Ruin, denn es besteht keine Hoffnung mehr. Wie in vielen Geschichten dieses Subgenres sind die Themen Entropie, Verfall, Hoffnung, aber auch Unschuld (die verraten wird). Dies geschieht nicht zufällig: Wenn man von einer Zyklischen Natur von Zivilisationen ausgeht, wie es Anfang des 20. Jahrhunderts nicht unüblich war, so muss jede Kultur – wie fortgeschritten sie auch sein mag – letztendlich der Dekadenz unterliegen und zugrunde gehen. Die Dekadenz und der Zerfall hatten immer zu Smiths großen Themen gehört – wie passend sind also die Geschichten vom Ende der Zeit? Wenn alle Zivilisationen untergehen mögen, ist der Zerfall, der Zothique droht, der vollkommene, weil finale Untergang, des Menschen auf diesem. Der Triumph der Entropie.

Hier gibt es keine Zukunft mehr, sondern nur noch Vergangenheit. Dementsprechend sind die rudimentären Kulturen dieses letzten irdischen Kontinentes auch von Grund auf vom Zerfall geprägt. Seine Wüsten sind voll von Gräbern und Katakomben, auf der Insel Naat herrscht ein Geschlecht von Totenbeschwörern, und in Zul-Bha-Sair verehrt man den Ghoulgott Mordiggian.

Eine alphabetische Übersicht über alle Zothique-Geschichten:

Der Zothique-Zyklus übte einen großen Einfluss auf Jack Vance aus, der mit seinen Geschichten von der „Sterbenden Erde“ jedoch die Thematik etwas optimistischer weiterführte. In seiner Version dieses Themas wimmelt es von quicklebendigen Charakteren, die mit einigem Geschick dem Schicksal des Planeten zu entgehen suchen.

Beide Serien beeindruckten mich als jungen Menschen so sehr, dass ich ebenfalls begann, eine Serie von Geschichten über die Sterbende Erde zu schreiben. Ich nannte ihn nach einem Begriff aus der babylonischen Mythologie Arullu.

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