Dienstag, 17. Oktober 2006

Gegen einen dunkelnden Himmel geschmiegt

Der Herbst hat begonnen, nun weiß man es wirklich. Der leichte Frühnebel hebt sich nur zögerlich über den Weiden, die von eiskaltem Tau schimmern. Der Morgen ist kühl, und ein Duft von feuchtem Laub liegt in der Luft. Die Geister von Halloween pochen unhörbar gegen die Mauern, in die sie für die Dauer eines Jahres eingesperrt wurden, und das Laub wird gelb, das Laub wird golden und fällt ungesehen.

Die Ernte ist eingebracht worden, Nüsse und Eicheln pflastern die Wege und fallen unerwartet auf die wenigen Spaziergänger herab. Spinnen wandern durch die Luft, wie feines Haar spinnen sie ihre Fäden von Ast zu Ast. Irgendwo schimpft eine Amsel, ihr Druidenschwarz ein Schatten unter vielen, und ein Schwarm Krähen steigt auf, den Himmel zu verdunkeln. Und ein Duft von feuchtem Laub liegt in der Luft.


* * *


Die Zeit der Ernte ist vorbei, und hat einsame Vogelscheuchen auf den Feldern zurückgelassen. Ausgezehrte Silhouetten vor dem Himmel, deren im Wind flappende Lumpen müde die Bewegung eines Menschen karikieren. Sie sollen die Krähen verscheuchen, diese frechen Kulturfolger und Nachbarn des Menschen. Sie sollen die Krähen verscheuchen… so heißt es jedenfalls, aber im Grunde bilden sie eine Einheit.

Wie oft sieht man auf den nachmittäglichen Spaziergängen eine Vogelscheuche am Wegesrand, auf deren dürren Schultern zwei Krähen hocken, die sich vom unerwarteten Blick ertappt gefühlt, sogleich krähend in die Luft heben und die Vogelscheuche in weiten Bögen umkreisen, um sich letztlich wieder niederzusetzen, wenn der einsame Wanderer vorüber gezogen ist.

Und so steht die Vogelscheuche dort auf ihrer einsamen Warte, gegen einen dunkelnden Himmel geschmiegt. Ein ausgezehrter Odin, auf dessen Schultern die Krähen sich Gedanke und Erinnerung zuraunen.

Und welche Gedanken, welche Erinnerung bleibt in diesem mit faulendem Stroh gefüllten Haupte haften?

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