Dienstag, 3. Oktober 2006

Fragmente des Grauens [1]

Ausschnitte & Exposés aus unvollendeten Werken.


Irgendwo in Afrika... Die Nacht hat begonnen...

Roman-Fragment
NACHT

„Ich habe all meine Kinder heute nacht hierhergebracht“, sagte er, „Hierher, an diesen Ort alter Pracht und alter Schande, damit sie all die seltsamen Freuden schmecken können, die dieser Ort anzubieten hat. Wir alle sind einsame Wanderer in den Schattenreichen, mein Freund. Unsere Wege sind Netze, die sich nur selten kreuzen, aber kreuzen müssen sie sich, denn auch die Kranken, die Verkrüppelten, die Wahnsinnigen, die Mörder und die Toten müssen manchmal reden. Miteinander reden, und sich an abgelegenen Orten zusammenballen, um für eine Nacht einen Anschein, einen schwachen Abglanz von Wärme miteinander auszutauschen.“

„Ich bin der Herr dieser stummen Legionen, Cornelius, ihr Herr, ihr Vater, ihr Gott. Ich war es immer, von dem ersten Tag, da ein Mensch auf dieser Welt gelebt hat, von dem ersten Tag an, da ein Mensch auf dieser Welt gestorben ist. Ach, ich erinnere mich noch gut an diesen Tag... das heiße, stickige Parfüm der Savanne und der kalte Rauch des Opferaltars... und darüber, unvermutet süßlich, der Geruch seines Blutes, das in die hungrige Erde schoß, die stöhnte, denn sie hatte soetwas noch nie geschmeckt, und sie war hungrig... sie verlangte nach mehr...“

„Du kennst mein Reich nicht, Cornelius. Es ist ein kaltes Reich, ein Reich der völligen Dunkelheit. Tief, tief in den Eingeweiden dieser Welt, die immer meine Geliebte war und es immer geblieben ist, seit diesem Tag, da ich ihr das erste Opfer brachte. Tief unter den Wurzeln der Berge halte ich Hof, und meine Kinder, meine Gläubigen, sie hausen mit mir dort unten in den schwarzen Kavernen, die nur von dem Grabesleuchten der Gifte erhellt werden, die dort in flüssigen Adern aus dem schwarzen Gestein triefen. Unsere Zeiten bestimmen wir nach dem Spiegel der pechschwarzen Seen dort unten, tief unter der Erde. Jeder Flossenschlag der weißen, blinden Dinger, die in diesen Seen leben, ist ein neues Jahr für uns. Oh, sie schmecken uns, diese blinden, klammen Dinge, die in den lichtlosen Höhlen leben, die nie ein Mensch ausgemessen hat. Sie schmecken uns, aber wer will uns verübeln, wenn es uns einmal in hundert Jahren nach anderer Frucht verlangt? Nach einem Geschmack, der mehr ist als nur die bloße Erinnerung an die Dinge, die auf dem Angesicht der Erde, unserer Mutter, wachsen und gedeihen und laufen und sich lieben. Wir leben dort unten, in der verborgenen Gebärmutter der Erde, und dies ist unser Tag. Doch einmal in hundert Jahren verlangt es uns nach Leben, Cornelius, und eine Nacht lang treffen wir uns an verschwiegenen Orten und hören dem Gesang des Windes und der Sterne zu, wir, die wir sonst nur die tödliche Stille der Höhlen kennen, die nur von dem blinden Umhertatsten der Würmer dort unten unterbrochen wird, oder von dem langsamen, langsamen Kratzen der Kontinente aneinander. Eine Nacht lang nur, Cornelius! Der Geruch des Waldes, der Geschmack des Meeres, und die Stimmen und Geräusche des Lebens! Das Schleichen der Katze, das Heulen der Wölfe, das verschwiegene Seufzen und Stöhnen der Liebenden, diese Musik von Himmel und Erde, und zu nehmen, wonach der Hunger von hundert Jahren verlangt – das ist unsere Nacht, Cornelius, unsere Nacht schwarzer Freude und des Vergnügens. Dies, Cornelius, ist unser Fest. Das Fest der Kinder der Erde“

Der vorgehende Monolog (Nacht genannt) stammt aus einem der ersten Kapitel eines Romanes, in dem der biblische Kain als archetypischer Nichtmensch - vielleicht auch Untoter - auftritt. Ich habe die Arbeitz an diesem Werk irgendwann in den 90ern begonnen, bin aber nicht über diese wenigen Zeilen hinausgekommen.

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