
Wie bizarr, wie verwunderlich, wie mysteriös also, als ich am Halloweennachmittag plötzlich feststellen musste, dass es diese Maschine wirklich gibt. Und einen Klick weiter gibt es sogar eine virtuelle Version.
Wie denkt Gott über Ladenschluss am Sonntag?
Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht. Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht.
Glücklicherweise gibt es ja die übrigen Wesen der Schöpfung. Die haben nichts besseres zu tun.
Also machen Sie sich Gedanken, die sie dann in formschöne Form bringen, auf billiges Papier drucken und an alle Haushalte verteilen, so sie einem aus dem täglichen Werbemüll zwischen den Prospekten des Norwegischen Bettenhauses und des Fischzuchtvereins Wilhelmsburg anspringt.
Gut, man muss alles einmal mitmachen. Dass der Sonntag nicht mit dem biblischen Sabbat identisch ist, war mir durchaus bewusst, deswegen interessiert er mich auch nicht so sehr. Aber dass alle Christen, die den Sonntag als Ruhetag begehen, deswegen in der Hölle schmoren müssen?
Das ist krass, Bruder. Ich dachte, das Christentum fusst auf dem neuen Testament?
Naja, wie auch immer. Dann wird’s wohl später im Himmel ein bischen leerer.
Mehr Platz für mich und den Allmächtigen, wenn wir uns oben auf unserer Wolke sonnen und herabblicken auf unser Werk.
Unsere Vorstellungen von der Seele sind geradezu primitiv, wenn man sie mit Vorstellungen aus dem Orient oder der Antike vergleicht. Ich denke, ein jeder Mensch wird unbefriedigt von der Idee sein, daß er eine Art gasförmiges Wirbeltier in sich hat, das zum Zeitpunkt seines Todes verlischt, oder an einen anderen Ort geht, oder vielleicht nie existiert hat. In anderen Kulturen stellt man sich unter einer Seele nichts statisches vor, sondern etwas Fließendes – ein Strom, oder sollte man besser sagen, ein Strömen? Nebelschwaden über dem See – etwas anderes bedeutete der Begriff ‚Seele’ ja ursprünglich nicht. Aber nicht nur das Wallen und Wogen des Nebels gehört zur Seele, der See auch...
Alles fließt, und das heißt ja auch nichts anderes, als daß auch jedermann fließt, in beständigem Wandel begriffen ist... die Seele ist nichts anderes, als das, was uns mit dem See verbindet, dem gewaltigen unpersönlichen Ozean des Lebens... jeder nur ein Tropfen, aber die neunte Welle ist immer die höchste... wenn man erst einmal beginnt, das Selbst und die Persönlichkeit zusammen mit der Seele als eine Art Flüssigkeit zu begreifen, wird einem alles klarer... Flüßigkeiten können eingefroren werden oder sie können verdampfen, es gibt immer die Möglichkeit, daß die Umgebung zu einem der beiden Temperaturextreme neigt, aber die Substanz bleibt immer die gleiche, und wenn man sie wieder auftaut oder destilliert, kann sie wieder optimale Viskosität erlangen...
Wir müssen uns von den gewöhnlichen, dualen Modellen der Wirklichkeit verabschieden... Die Welt wird nicht im Feuer enden oder im Eis... sie ist beständig dabei, ihre Temperatur zu regulieren, es gibt keine Gesetze, nur Zyklen, genauso wie die Tidenzyklen der großen Meere... verbunden mit dem Gezeitenhub des Mondes... die Erde ist weiblich, wie man an ihren Zyklen sehen kann, die in gleichem Maße die Menstruationszyklen und Hormonschwankungen des weiblichen Homo sapiens widerspiegelt, wie die Fluidität der Seele, dessen altes und arkanes Symbol das wechselhafte Angesicht des Mondes ist, des heiligen Planeten aller Hexen und Prophetinnen...
Es gibt nicht nur einen Körper, so wie es nicht nur eine Seele gibt... in der Natur ist nichts statisch und fest. Im alten Ägypten und in den Geheimlehren der Veden geht man von bis zu sieben unterschiedlichen Leibern aus. Sieben unterschiedliche Leiber, von denen nur einer unsterblich ist. Warum sollte das nur bei Menschen so sein? Ist die Erde nicht ein viel größeres und diffizieller organisiertes Lebenssystem als wir? Und wir verbringen die meiste Zeit unseres Lebens damit, auf einem ihrer Leiber, dem gröbsten und schwersten, herumzukriechen und ihn mit einem Netzwerk aus Narben zu übersäen... Schwären und Verätzungen... in den nächtlichen Autobahnen sammelt sich der Eiter der verstümmelten Hügel... Sie haben es geschafft, der Plan von zweitausend Jahren ist aufgegangen, der äußerste Leib unseres Planeten hat längst begonnen abzusterben... globale Nekrose... wir kriechen auf dem Sterbebett der krankenden Mutter umher, ohne die Leichengifte zu bemerken, und nun haben Sie begonnen, auch die anderen Körper zu vergiften... sie schalten einen nach dem anderen aus... bis nichts bleibt.... nur Kälte und Dunkelheit und Tod... und Stille...
Mit den Lichtern aus ist es nich so gefährlichUm welchen famosen Song es sich handeln mag?
Hier sind wir nun
Unterhaltet uns!
I fühl mich doof und ansteckend
Hier sind wir nun
Unterhaltet uns!
Ein Mulatte
Ein Albino
Ein Moskito
Meine Libido
Hah!
Der Herbst hat begonnen, nun weiß man es wirklich. Der leichte Frühnebel hebt sich nur zögerlich über den Weiden, die von eiskaltem Tau schimmern. Der Morgen ist kühl, und ein Duft von feuchtem Laub liegt in der Luft. Die Geister von Halloween pochen unhörbar gegen die Mauern, in die sie für die Dauer eines Jahres eingesperrt wurden, und das Laub wird gelb, das Laub wird golden und fällt ungesehen.
Die Ernte ist eingebracht worden, Nüsse und Eicheln pflastern die Wege und fallen unerwartet auf die wenigen Spaziergänger herab. Spinnen wandern durch die Luft, wie feines Haar spinnen sie ihre Fäden von Ast zu Ast. Irgendwo schimpft eine Amsel, ihr Druidenschwarz ein Schatten unter vielen, und ein Schwarm Krähen steigt auf, den Himmel zu verdunkeln. Und ein Duft von feuchtem Laub liegt in der Luft.
* * *
Die Zeit der Ernte ist vorbei, und hat einsame Vogelscheuchen auf den Feldern zurückgelassen. Ausgezehrte Silhouetten vor dem Himmel, deren im Wind flappende Lumpen müde die Bewegung eines Menschen karikieren. Sie sollen die Krähen verscheuchen, diese frechen Kulturfolger und Nachbarn des Menschen. Sie sollen die Krähen verscheuchen… so heißt es jedenfalls, aber im Grunde bilden sie eine Einheit.
Wie oft sieht man auf den nachmittäglichen Spaziergängen eine Vogelscheuche am Wegesrand, auf deren dürren Schultern zwei Krähen hocken, die sich vom unerwarteten Blick ertappt gefühlt, sogleich krähend in die Luft heben und die Vogelscheuche in weiten Bögen umkreisen, um sich letztlich wieder niederzusetzen, wenn der einsame Wanderer vorüber gezogen ist.
Und so steht die Vogelscheuche dort auf ihrer einsamen Warte, gegen einen dunkelnden Himmel geschmiegt. Ein ausgezehrter Odin, auf dessen Schultern die Krähen sich Gedanke und Erinnerung zuraunen.
Und welche Gedanken, welche Erinnerung bleibt in diesem mit faulendem Stroh gefüllten Haupte haften?
In der Dämmerung der Stadt wandern trauriggesichtige Reisende durch die Knochenalleen der Schädelbrauen, und mit leisen Stimmen zueinander flüsternd deuten sie zu den blaßen Sternen empor, die beginnen, durch das trübe Purpur des Abendhimmels zu lugen, und ein jeder von ihnen verstummt nach und nach, während sie die endlosen Spiraltreppen herabsteigen, die sie zu den spinnweggefüllten, düsteren Hallen der Gesichtslosen führen.
Alles Leben in den staubigen Gemächern dieser letzten aller Städte wird vom leisen Schwellen und Glitzern der Gestirne bestimmt, den Aufgangszeiten der Planeten über dem flimmernden Horizont, dem Sinken des Sirius durch die Himmelskuppel, die die Astronomen mit ihren gelblichen Knochenmasken, in Gewänder aus rauchigroter und gelber Seide gehüllt, von den filigranen Spitzen ihrer knöchernen Türme aus betrachten. Doch sie tun dies mit der stillen Würde, die ihrem Volk zueigen ist, und nur selten unterbrechen ihre Stimmen den Anblick der Sterne. Ja, die Zeit kriecht mit solcher Langsamkeit durch die alten Hallen dieser Stadt, daß sie nur noch durch das jahrhundertelange Rotieren der knorrigen Arme der Milchstraße gemessen wird.
Wie immer ist es sehr aufschlussreich, zu studieren, womit sich die Menschen ihre Zeit vertreiben, ihre Träume und Ängste manifest vor Augen halten – an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Hierbei sollten die Filmklassiker des Horrors und ähnliches als Blaupausen dienen, es handelt sich also im Grunde um ein postmodernes, dekonstruktivistisches Werk. Natürlich ist mir bewußt, daß diese Werke innerhalb eines sehr viel weiterreichenden historischen Kontextes stehen, aber um es überschaubar zu halten, wollen wir uns auf den größeren Teil des 20. Jahrhunderts beschränken.
* * *
In den 30ern haben wir die in von Universal u.a. unsterblich gemachten starken Einzelpersönlichkeiten – das Monster, das bereits deutliche Züge des Antihelden hat und trotz seines seriellen Unterganges immer wiederauferstehen muß, um den narrativen Imperativ zu erfüllen. Zu diesen Erzfeinden zählen natürlich außer Dracula, der Wolfsmensch, der Mumie und dem Monster der Schwarzen Lagune auch der sinistre Dr. Fu Manchu und ähnliche Gestalten. Der Unsterbliche Widersacher, oft mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet, die sich wie seine fortwährende Existenz der Erklärung entziehen; eine Inkarnation des Bösen, der jedoch eine eigene Faszination ausstrahlt, da er als relevante immer wiederkehrende Figur vom Antagonisten zum Protagonisten wird.
Diese Figuren werden sicherlich über die 30er Jahre fortgeführt, unterlaufen aber mit wachsender Alterung einen Abnutzungseffekt. Es bleibt nachzuforschen, wie lange dieses Muster tradiert wurde oder ob sich der Mythos des satanischen Übermenschen/faustischen Antihelden mit den Schrecken des Weltkrieges und des Faschismus nicht selbst ins Abseits bugsiert hat. Die 40er Jahre sind in dieser Hinsicht eher inkonklusiv. [Eine genauere Betrachtung der Werke der 40er bestätigt dies tatsächlich – hier wurden vor allem Fortsetzungen perpetuiert, neue Gestalten oder Themen tauchen selten auf. Man kann dies mit dem verringerten kreativen kollektiven Potentialen in der Zeit der globalen Krise erklären.]
Die 50er Jahre sind hervorzuheben durch seine Manifestation kollektiver Existenzangst. Einerseits sind die geprägt von geheimen Invasionen, Infiltrationen und Infektionen gesichtsloser fremdartiger Systeme – das außerirdische Äquivalent der kommunistischen Fünften Kolonne – andererseits wird weltweit die Angst vor der Ausrottung und Verseuchung durch die Atombombe in einer Flut von immer destruktiven und oft gigantischen Mutationen manifestiert. Wir sehen hier in einer scheinbar heilen Norman Rockwell-Gesellschaft die existentielle Angst vor der Realität immanenter Versklavung und Ausrottung. Eine Existenzkrise, die jedoch nur über Stellvertreter (wie in Stellvertreterkrieg) ausgetragen wird. Die globale und doch persönliche Bedrohung durch feindliche Supermächte gebiert den Daikaiju, das gewaltige Ungeheuer, das blind alles zertrümmert, das in seinem Weg liegt.
Über die genauen Unterschiede der 60er und 70er Jahre bin ich mir nicht schlüssig, aber ich denke, dies kann mit einiger Nachforschung geklärt werden, außerdem sollte man nicht vergessen, daß der Fokus des Grauens sicher nicht von einem Tag zum anderen umspringt, sondern sich langsam wandelt.
Der krampfhafte Individualismus und schönere Schein der 70er Jahre kontrastiert auf jeden Fall deutlich mit dem Aufkommen des Zombiefilmes, in der jede Individualität im biologischen Mobbewußtsein des fressenden und faulenden – unelegant daherschlurfenden – Friedhofspöbels untergeht; andererseits in den Katastrophenfilmen, die eigentlich nichts anderes zeigen, als wie die Fiktion und Lebenslügen sogenannter Individuen unter dem Ansturm der Naturgewalt, sprich: Realität, zerschmettert werden. Da die 70er Jahre die Hochzeit der Pseudophilosophien und der irrelevanten soziokulturellen Trends waren, ist dies nicht mehr als vollkommen angemessen. (Im Verlaufe der vorhergehenden Zeilen scheint sich bereits recht deutlich herausgeschält zu haben, daß das Grauen der Zeit immer die Antithese des bestehenden Zeitgeistes mitzutragen scheint. Dies als Hintergedanken kann im Folgenden hilfreich sein, eine besonders erschreckende Realität zu formen...)
Aus dem Katastrophenfilm der 70er geht der Splatterfilm späterer Zeiten direkt hervor. Während es früher die Natur war, die den Menschen erbarmungslos niederwarf, sind es nun psychopathische Einzelgänger, die wie eine fleischgewordene Naturgewalt alles was ihnen im Wege steht umbringen, bis nur noch eine einzelne Protagonistengestalt übriggeblieben ist, die das abschließende Duell, häufig über einem gähnenden Abgrund, bestehen wird. Diese Filme zeichnet aus, daß es anscheinend außer dem rituellen Ableben aller gezeichneten Figuren keinen narrativen Imperativ zu geben scheint, was mit der Betonung des Actiongehaltes in jeder Art von Film auf Kosten der inneren Bewegung gleichzusetzen ist. Die Figuren dieser Ära sind ebenfalls Monster wie die Einzelgänger der 30er, doch ihnen fehlt sowohl der Charakter als auch die Feinsinnigkeit, die sie zu angemessenen Anti-Helden gemacht hat, sie sind hohle Gefäße unausgesprochenen Ekels und Hasses auf den Menschen; das Böse wird nicht mehr in übernatürlichen oder fremden Phänomenen gesucht, sondern mißtrauisch in jedem anderen Menschen vermutet.
data-based foam on the icarus birdbath
discipline dark-blue skywriting jihad
the brotherly magnetized nonentity
messiah of daydream
midplane visionary
By nightbird starboard, by daybird dark
snow-blind in a handful of dust
something erect in a gang of fascination
show some television,
I will show you fear
Your silo neighbor striding behind
winding sheet freeborn sacrilege.
"Schrift der Bäume ist Ogham genannt worden, das Schriftsystem, das von den keltischen Stämmen benutzt wurde, bevor das römische Alphabet, und später das Christentum eingeführt wurde. Schrift der Bäume nennt man es, und nennt jedes der Zeichen mit dem Namen eines Baumes. "Baum" (fidh) nennt man ein jedes der Zeichen, und wie ein Baum sind diese Zeichen, mit Ästen, die von einem Stamm (flesc) ausgehen. Wie anders als Schrift der Bäume sollte man sie nennen?"
Parallel City ist nicht der wirkliche Name der Stadt, in der all diese Geschichten spielen. Es ist eher eine Beschreibung ihrer Funktion. Ihre Geschichte, ihre Architektur, ihre Strassen sind denen in anderen Grosstädten parallel – unabhängig zwar, aber ihnen in immer gleicher Entfernung nachgebaut. Und auch die Leben der Menschen, die sich durch Parallel City kämpfen, sind denen anderer Menschen parallel gebildet. Unabhängig zwar, aber immer in gleicher Entfernung.
Anfang März kam dieser Fremde in unsere Stadt, Akroyd Valley, South Carolina, und er war ein häßlicher Bursche mit einer fast gelben Haut. Kein Asiate, nur schrecklich häßlich, und wahrscheinlich war er so häßlich und so gelb wegen einer Krankheit. Seine Finger waren ganz knorrig, und seine Stirn war wie die eines Affen, aber er hatte helle blaue Augen, die fast zu leuchten schienen, und sie beruhigten einen auch wenig, wenn man ihn ansah, dann konnte man richtig Angst vor ihm bekommen, er war ja fast zwei Meter groß und dabei stand er noch so gekrümmt da.
Er nahm sich ein Zimmer im Hotel, und er zahlte gutes Geld dafür, also kümmerten sich die Leute nicht viel um ihn, auch wenn viele ihm natürlich nachstarrten, als, er die Hauptstraße entlang kam, und sie starrten ihm auch noch nach, als er bereits zwei Wochen hier gelebt hatte. Er schien keine Anstalten zu machen, fortzuziehen, zahlte seine Miete im Voraus und ließ jedermann in Ruhe. Tatsächlich sah man ihn nie, außer wenn er abends ins WALTZING MATHILDA rüberkam um genau vier Gläser Whisky-Soda zu trinken, zu bezahlen, und dann, ohne ein Wort gesagt zu haben, wieder zu gehen.
Es war jedesmal genauso wie beim Mal zuvor, ein Ritual fast. Wenn sein langer, gekrümmter Schatten auf den Gehsteig vor der Kneipe fiel, verstummten alle Gespräche, und alle starrrten ihm entgegen, wenn er durch die Tür trat und zu dem Tisch steuerte, an den er sich zu setzen pflegte. Niemand anderes setzte sich seitdem dorthin. Und alle würden weiter starren, fast stumm, wenn Betty, die Kellnerin mit dem ersten Drink ankam, und würden weiterstarren, bis er seinen letzten Drink getrunken hatte, seine Zeche auf den Tisch legte und dann aufstand, um zu gehen, ohne ein einziges Wort gesagt zu haben.
Er hatte ein einziges Mal ein Wort gesagt in der Kneipe, beim ersten Mal. Die anderen Male servierten sie ihm einfach, was er beim ersten Mal bestellt hatte, und kein Mensch verlor ein Wort darüber.
Er selbst verzog keine Miene, selbst wenn er die Geschichten hörte, die sich die Säufer hinter seinem Rücken über die Tische zubrüllten. Er wollte im Grunde nur eins, in Ruhe gelassen zu werden.
Ich meine, er wirkte nicht träge oder irgendwie lebensmüde - aber hatte wohl schon früh in seinem Leben selbst gemerkt, daß er in keine Gruppe paßte, und so sonderte er sich lieber selbst ab, um der Menge die Genugtuung zu rauben, ihn irgendwo ausgrenzen zu können.
Alles, was er brauchte, Essen, Kleider, bestellte er im 7-11, und er bezahlte immer bar. Auch nach zwei Wochen machte er noch keine Anstalten, wegzuziehen, oder sich eine Arbeit zu suchen oder von der Bank Geld abzuheben, sondern verkroch sich in seinem Zimmer und kam erst spätabends heraus und ging zum WALTZING MATHILDA.
An diesem Abend aber waren ein paar Farmarbeiter aus den Bergen östlich von Akroyd Valley da, die seit zwei Monaten nicht mehr in der Stadt gewesen waren und den Gelben Mann noch gar nicht kennen konnten. Als er erschien und sich an seinen Tisch setzte, der der einzige leere in der ganzen Kneipe war, hatten sie schon viel getrunken. Und als sie ihn sahen, stierten sie ihn mit offenen Mündern an und begannen dann, sich das Maul zu zerreißen.
„Hey, Du Pinscher“, rief Malcolm Bertreux, „Hat Deine Mammi sich von einer Horde Chinks rammeln laßen?“
„Nein, nein“, grinste Daddy McCall und erhob seine Stimme, damit es auch wirklich jeder mitbekommen konnte. „Dem ha'm sie als Kind in die Milch gepißt, deshalb isser so gelb. hahaHA!“
„Vielleicht isser ja auch gar kein richtiger Kerl, sondern nur so'n großer gelber Affe, dem sie'n Anzug angezogen ha'm, damit's keiner merkt, daß er kein Kerl is'?“, schmatzte John Dove.
„Jungs, hört auf damit!“, warnte Betty blaß.
Der Gelbe Mann aber leerte seinen ersten Drink und drehte sich dann um. Seine hellen blauen Augen schienen anzuschwellen, als er sich erhob. Sein großer gelber Schatten wuchs vor den drei Farmarbeitern in die Höhe, und seine blauen Augen brannten kalt auf sie herab.
„Hey, Chink, Willste Ärger?“, knurrte Malcolm.
Da streckte der Gelbe Mann seinen knorrigen langen Arm aus und deutete auf ihn.
Fleisch schmolz, und verband sich wieder. Malcolm wollte etwas sagen, aber er hatte keinen Mund mehr. Nur noch eine kleine runde Öffnung, wie ein Fischmaul, gerade groß genug für einen Strohhalm, blieb ihm.
Pfeifend entwich sein Atem, und er wollte schreien, aber er war stumm wie ein Fisch geworden. Ohnmächtig fiel er von seinem Stuhl. John Dove und Daddy McCall sprangen entsetzt auf. Sie starrten zu ihrem Kumpan, dann zu dem Gelben Mann und wollten ihn anspringen. Der Gelbe Mann deutete auf sie, und sie verstummten. Röchelnd fielen sie in ihre Sitze zurück, betasteten ihre Gesichter und starrten den Gelben Mann an, der wie ein großer schwankender Baum vor ihnen aufragte und stumm lächelnd die langen gelben Hände in seine Hosentaschen zwängte.
„Halt!“, rief da Betty, die nicht alles mitbekommen hatte und kam auf den Tisch zu, „Was geschieht hier schon wieder?“
Der Gelbe Mann grinste. Ihr Blick fiel auf die veränderten Gesichter der Männer, auf das lächelnde gelbe Gesicht und Entsetzen befiel sie. Sie öffnete den dick rot übermalten Mund und wollte lauthals schreien, doch der Gelbe Mann nickte ihr zu, und die rote Farbe verschwand, und mit ihr der Mund.
So begann die Zeit der Stummheit für Akroyd Valley.
„Ich habe all meine Kinder heute nacht hierhergebracht“, sagte er, „Hierher, an diesen Ort alter Pracht und alter Schande, damit sie all die seltsamen Freuden schmecken können, die dieser Ort anzubieten hat. Wir alle sind einsame Wanderer in den Schattenreichen, mein Freund. Unsere Wege sind Netze, die sich nur selten kreuzen, aber kreuzen müssen sie sich, denn auch die Kranken, die Verkrüppelten, die Wahnsinnigen, die Mörder und die Toten müssen manchmal reden. Miteinander reden, und sich an abgelegenen Orten zusammenballen, um für eine Nacht einen Anschein, einen schwachen Abglanz von Wärme miteinander auszutauschen.“
„Ich bin der Herr dieser stummen Legionen, Cornelius, ihr Herr, ihr Vater, ihr Gott. Ich war es immer, von dem ersten Tag, da ein Mensch auf dieser Welt gelebt hat, von dem ersten Tag an, da ein Mensch auf dieser Welt gestorben ist. Ach, ich erinnere mich noch gut an diesen Tag... das heiße, stickige Parfüm der Savanne und der kalte Rauch des Opferaltars... und darüber, unvermutet süßlich, der Geruch seines Blutes, das in die hungrige Erde schoß, die stöhnte, denn sie hatte soetwas noch nie geschmeckt, und sie war hungrig... sie verlangte nach mehr...“
„Du kennst mein Reich nicht, Cornelius. Es ist ein kaltes Reich, ein Reich der völligen Dunkelheit. Tief, tief in den Eingeweiden dieser Welt, die immer meine Geliebte war und es immer geblieben ist, seit diesem Tag, da ich ihr das erste Opfer brachte. Tief unter den Wurzeln der Berge halte ich Hof, und meine Kinder, meine Gläubigen, sie hausen mit mir dort unten in den schwarzen Kavernen, die nur von dem Grabesleuchten der Gifte erhellt werden, die dort in flüssigen Adern aus dem schwarzen Gestein triefen. Unsere Zeiten bestimmen wir nach dem Spiegel der pechschwarzen Seen dort unten, tief unter der Erde. Jeder Flossenschlag der weißen, blinden Dinger, die in diesen Seen leben, ist ein neues Jahr für uns. Oh, sie schmecken uns, diese blinden, klammen Dinge, die in den lichtlosen Höhlen leben, die nie ein Mensch ausgemessen hat. Sie schmecken uns, aber wer will uns verübeln, wenn es uns einmal in hundert Jahren nach anderer Frucht verlangt? Nach einem Geschmack, der mehr ist als nur die bloße Erinnerung an die Dinge, die auf dem Angesicht der Erde, unserer Mutter, wachsen und gedeihen und laufen und sich lieben. Wir leben dort unten, in der verborgenen Gebärmutter der Erde, und dies ist unser Tag. Doch einmal in hundert Jahren verlangt es uns nach Leben, Cornelius, und eine Nacht lang treffen wir uns an verschwiegenen Orten und hören dem Gesang des Windes und der Sterne zu, wir, die wir sonst nur die tödliche Stille der Höhlen kennen, die nur von dem blinden Umhertatsten der Würmer dort unten unterbrochen wird, oder von dem langsamen, langsamen Kratzen der Kontinente aneinander. Eine Nacht lang nur, Cornelius! Der Geruch des Waldes, der Geschmack des Meeres, und die Stimmen und Geräusche des Lebens! Das Schleichen der Katze, das Heulen der Wölfe, das verschwiegene Seufzen und Stöhnen der Liebenden, diese Musik von Himmel und Erde, und zu nehmen, wonach der Hunger von hundert Jahren verlangt – das ist unsere Nacht, Cornelius, unsere Nacht schwarzer Freude und des Vergnügens. Dies, Cornelius, ist unser Fest. Das Fest der Kinder der Erde“