Donnerstag, 28. Juli 2005

Geschichten aus der Gruft [3] 3.600°

"Wir hätten uns wenigstens davon überzeugen können, ob dieser Bursche wirklich tot ist oder nur als blinder Passagier in seinem Zinksarg liegt und sich heimlich ins Fäustchen lacht." (Der seltsame Fall der 'Periphéron', 1986)


Da bin ich wieder! Meine Kinder machen Urlaub – nämlich mir und meiner Frau. Mal sehen, was wir ohne sie so alles anstellen können, derweil sie bei Omma an der Nordsee den Rest der Verwandtschaft entzücken. Ich sitze also hier am Schreibtisch und starre Löcher in die Wand, weil es so ruhig und still ist. Dammich! Und meine Frau kommt erst morgen wieder hier an, bis dahin habe ich wahrscheinlich schon den Durchbruch ins Wohnzimmer unserer Nachbarn geschafft.

Und weil ich ja nun gar nicht schlafen konnte, habe ich gestern bis morgens um Viere noch die letzten Aktenordner mit Manuskripten durchgeforstet. Ihr fragt euch sicherlich, warum ich denn nur so wenig veröffentliche, wenn es doch sooooo viele Manuskripte sein sollen. Fragt nicht, oh wahrhaft Gläubige. Das meiste davon wollt ihr gar nicht sehen. Um die Wahrheit zu sagen, will nicht mal ich das meiste davon wirklich sehen.

"Er schrie auf, als die klamme kühle Gestalt an seiner Kehle entlangkroch. (Rot – Rot – Rot!, 1984)


Ich habe in den letzten Tagen natürlich einen Haufen Stories eingescannt, aber die meisten davon sind schlicht und einfach auch zu lang, als daß man sie im Blog mal so zwischendurch lesen könnte. Der perfekte Umfang für so einen Text scheint ein Bogen zu sein, aber wer schreibt schon Geschichten, die GENAU ein DinA4-Blatt lang sind?

Und ich habe beim Durchschauen der alten Texte gemerkt, daß ich schon immer ein unglaublich cleverer Hund gewesen bin. So clever, daß man manche Texte erst nach dem dritten Lesen versteht – wenn man eines der nicht gerade reich gesäten Lexika des Grunoversums zur Hand haben sollte. Manchmal würde es ja schon eine Landkarte tun, um den komplexen und farbenprächtigen Hintergrund einer jeden Serie zu entschlüsseln, den ich mit soviel Liebe und Hingabe komponiert habe.

"Der Fremde war hochgewachsen, von einer Aura der Düsternis umgeben. Master Hon Yl Loupas bemerkte gleich beim Eintreten des Fremden in das kleine und etwas stickige Geschäft, daß der Fremde gewiß reich sein mußte, denn Schwert und Maske waren exquisite Arbeiten der hammparkhschen Edelstein-Schneider. Allein die schimmernde Klinge aus yemestrischem Smaragd mußte an die tausend Sklaven wert sein." (Die Geschäfte des Master Hon Yl Loupas, 1984)


Und das ist sogar noch ein verständlicher Satz. Schlimmer die, mit denen ich mein intuitives Verständnis der Nebensatzkonstruktion beweisen wollte, in dem ich sie sich über eine halbe Seite winden ließ. Bloß nichts verschwenden, habe ich mir damals gesagt, Papier ist teuer!

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich in den ersten Jahren fast nie Absätze gemacht habe. Stellen wir uns ein Blatt mit 60 Zeilen á 60 Zeichen vor, die fast alle ausgenutzt wurden. Keine Absätze. Kein Raum. Gott, ich kriege keine Luft mehr. Das einzige Positive, daß ich an diesen schrecklichen Zetteln finden kann, ist daß man recht gut den Umfang jedes Textes abschätzen kann. Pro Blatt 3.600 Zeichen. Ein perfekter Kreis. Der Umfang meiner Phantasie.

Oyvey.

"Die drei anderen Mobster hielten bestürzt inne, dann feuerten sie erneut, als Licht durch die wandernden Wolken fiel und eine von einem im Nachtwind wirbelnden schwarzen Cape umhüllte Gestalt offenbarte, sie sich nun aus dem seltsamen Gefährt beugte. Dreimal blitzte Gold auf, und die drei Gangster erstarrten und fielen neben ihren Gefährten zu Boden, ohne noch einmal zu zucken."(Der Schwarze Skorpion, 1989)


Ein Gutes hat's, dieses Durchforsten der Vergangenheit. Es ist ein kleiner, aber gefahrloser Ringkampf mit den Gespenstern der Vergangenheit, bevor sie wieder ruhig und sicher in der Gruft eingesperrt werden. Manche Dinge muß man einfach immer mal wieder betrachten, damit man begreift, wieviel Zeit innerhalb eines einzigen Lebens verstreicht. Man sagt ja, der Körper wechselt innerhalb von sieben Jahren alle seine Zellen aus.

Vielleicht auch die Gedanken?

" Denn der Stachel des Schwarzen Skorpions stak tief in seinem Herzen.

DEMNÄCHST:

Wer schreibt schon Geschichten, die GENAU ein DinA4-Blatt lang sind?

Ich natürlich! Spannung bis zum letzten Wort der letzten Zeile!

Die erlösende Pointe, kurz bevor die Schreibmaschine den Bogen verliert!

Einige dieser unvergesslichen One-Pager demnächst in diesem Blog. Unverändert, Warzen und alles.

(Nur ein paar Absätze mache ich noch rein. Sonst kann das ja kein Schwein lesen...)

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