Sonntag, 27. Mai 2007

Resumee | Der Tod des Egozines

Glauben Sie an das Karma von Namen? Ich nicht. Aber natürlich hat das Universum eine ganz andere Meinung, und neigt dazu, sich so zu verhalten, als ob selbst der schlimmste Aberglauben Realität ist. Wenn man also wie ich ein gebürtiger Hamburger ist, den Vornamen eines berühmten Publizisten hat, und den Nachnamen eines der größten Verlagshäuser der Stadt, muss man sich nicht wundern, wenn man irgendwann entdeckt, dass man eine unheilige Neigung dazu hat, die Umwelt mit eigenwilligen Publikationen zu terrorisieren.

In meinem Falle tatsächlich, sobald ich einen Stift halten konnte. Meine Grundschullehrer waren höchst perplex. Aber das waren sie immer. (Die meisten dieser handgeschriebenen und handkolorierten Zeitschriften mit der Auflage von 1 Exemplar habe ich inzwischen erfolgreich vernichten können – schade eigentlich, es waren interessante Newsletter einer Parallelwelt, in der ich und meine Schulkollegen auf dem Pausenhof neue Städte gründeten und die Macht in Norddeutschland übernahmen. Komplett mit Miliz und Solarer Garde, was auch immer das bedeutet…)

Die Einführung des Kopierers in den Schulbetrieb ließ die Auflage in ungeahnte Höhen schießen (5 oder 10 Exemplare! Wow!), und aus den wirren Berichten über eine eigene Parallelwelt wurden wirre Berichte über eine fremde Parallelwelt. Ja, die Welt des Fanzines hatte uns eingefangen, und für ein paar Monate lang zelebrierten wir die Pose des Fans, der über die Vorzüge und Nachteile des Posbi-Zyklus zu philosophieren wusste, aber ansonsten nichts eigenes auf die Reihe kriegt. Glücklicherweise war der Schritt vom Fanzine bis zum Egozine, dieser besonderen Abart von Magazin, die meist nur von einer Person herausgebracht wird und nichts anderes darstellt als seine eigene rein subjektive Meinung und Kreativität, nicht groß.

Das erste Egozine, das ich herausgebracht habe, nannte sich „Star Rider“ und druckte eigentlich nichts anderes als Kurzgeschichten und Fortsetzungsgeschichten von mir und meinem Kollegen, illustriert und gesetzt von meinen bescheidenen Fähigkeiten. Und daran hat sich eigentlich bis vor einiger Zeit nicht viel geändert, auch wenn die Themen und das Format sich mit den Jahren wandelten und die Technik, die Auflage und die Qualität erstaunliche Fortschritte machen sollte. Und ich mache mir da nichts mehr vor: Bei allen Publikationen habe ich nicht nur das Layout und den Satz alleine hergestellt, sondern auch den Grossteil aller Artikel. Natürlich haben auch andere Leute teilweise hervorragende Artikel veröffentlicht, die Herstellung und der Vertrieb blieb dann aber auch immer wieder ausschließlich bei mir hängen. Dammichtes Egozine, und dabei war das für meine Ego nicht einmal besonders förderlich. Können Sie sich vorstellen, wie deprimierend und ärgerlich es ist, dauernd das Gefühl zu haben, bei „gemeinsamen“ Projekten immer die ganze Arbeit alleine machen zu müssen?

Glauben Sie an das Karma von Namen? Ich nicht. Und dennoch habe ich fast 20 Jahre lang obskure Egozines produziert, weil es mir ein obskures Bedürfnis war, meine Ideen und Geschichten in print zu sehen. Dass ich irgendwann mein Geld mit DTP und ähnlichem verdiente, hat dem natürlich nicht geschadet – man könnte sogar sagen, dass das Egozine die Wiege meiner typographischen Karriere war. (Ein Teufelskreis, nicht wahr? Oder eine Katze, die sich selbst in den Schwanz beisst.) Irgendwann konnte ich es mir dann sogar erlauben, mit meinen Vorlagen von „Schwert & Stab“ zu einem Drucker zu gehen und ihn anzuweisen, davon ein halbes Tausend Exemplare zu drucken. Mein Drucker war höchst perplex. Aber das war er immer.

Vielleicht gibt es doch so etwas wie eine Magie von Namen – wenn ich mich jetzt zurücklehne und den Stapel zerfledderter Heftchen ansehe, die neben mir liegen, muss wohl irgendetwas wie ein magischer Impuls dahinter stehen. Ansonsten kann ich es mir nicht erklären, nicht einmal, warum die Titel aller Zeitschriften, egal zu welchem Thema sie waren, immer mit dem Buchstaben „S“ anfangen mussten, selbst die Vereinszeitschriften, die ich betreute und teilweise immer noch betreue. Nun ja, ich war jung und hatte das Geld. Heutzutage, auch gerade bei den Schwierigkeiten, die mir die Veröffentlichung der letzten Magazine verursachte, muss ich wohl feststellen, dass die Zeit der Egozines auf jeden Fall für mich vorbei ist. Die Titel sind ausgelaufen, und ich werde wohl für längere Zeit keine Magazine nur für den Hausgebrauch machen. Die Zeit und das Geld, das ich in der Jugend im Übermaß hatte, teile ich mir jetzt lieber ein wenig besser ein. Mein Herzblut liegt jetzt bei anderen Sachen, und es bleibt ja immer noch die Vereinszeitschrift.

Und schließlich, das Weblog ist auch nichts anderes als die Fortsetzung des Egozines mit anderen Mitteln.

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