Dienstag, 27. März 2007

Fanboy :: Parallelbildungen

Weil es im deutschen Wikipediaeintrag nicht vorhanden ist, und ich somit wieder ein paar interessierte Leser auf meine Seite locken kann... har, har, har (satanisches Gelächter aus dem Off.)

Alan Moores viel gerühmte dekonstruktivistische Dystopie Watchmen wurde ursprünglich für DC Comics geschrieben - den "Supermanverlag", um es den Unwissenden einmal nahe zu bringen. Die Charaktere in Watchmen, wiewohl typisch für das Superheldengenre, stammen aber nicht dem historienreichen DC-Universum, sondern stellen eine eigene, in sich abgeschlossene kleine Welt dar, die sich unumgeschränkt Mr. Moores narrativem Imperativ beugen muss. Keine Kontinuität zu anderen DC-Erzeugnissen - ein souveränes neues Land.

Dennoch, und das muss betont werden, benötigte auch ein so vielschichtiges Werk wie Watchmen Historie und Kontinuität - Wurzeln. Was die meisten Leser wahrscheinlich nur billigend zur Kenntnis nehmen, stellt einen wichtigen Aspekt von Watchmen als Kommentar zum Genre und der Bedeutung des amerikanischen Comicbooks dar. Die Welt von Watchmen ist faszinierenderweise, obwohl sie wie festgestellt für sich absolut souverän und einzig ist, eine direkte - respektvolle und doch unheilschwangere Parallelbildung - zu anderen Universen.

Solche Parallelbildungen sind übrigens in der Comicbranche nicht unüblich. (Eine Übersicht über veröffentlichte Parallelbildungen findet sich z.B. bei Newsarama...) Sie eröffnen die Möglichkeit, inoffizielle Crossover mit anderen Serien (vielleicht sogar von anderen Verlagen) zu inszenieren, ohne so lästige Dinge wie Copyrights oder andere Rechte berücksichtigen zu müssen.

Der erste und vielleicht schönste Fall wurde von Roy Thomas in einem alten Heft der Rächer (Avengers) erfunden, die auf eine Parallelwelt versetzt wurden, in der sie auf leicht erkennbare Parallelgestalten der Justice League of America trafen - die Squadron Supreme. (Diese Geschichte diente übrigens auch als Inspiration für eine der besten Folgen der hervorragenden Justice League-Zeichentrickserie. Der Doppelteiler "Legends" ist sogar doppelt ironisch, weil die Parallelbildungen sich auf eine ebenfalls DC gehörende Gruppe von Charakteren beziehen, den Vorläufern der Justice League: Die Justice Society. Merkwürdige rechtliche Probleme machten es tatsächlich notwendig, dass DC seine eigenen Charaktere neu erfinden musste!)

Und nun zu den Parallelbildungen von Watchmen: Ursprünglich verwendete Moore die Charaktere auf den Figuren des MLJ Verlages (heute: Archie) als Basis für seine Geschichte, wechselte dann jedoch dazu über, die gerade von DC (anscheinend) erworbenen Rechte an den Charakteren des Charlton Verlages als Hintergrund zu benutzen. Da man sich bei DC jedoch unsicher war, ob nach Veröffentlichung eines so kontroversen Werkes wie Watchmen diese Figuren in Zukunft noch zu vermarkten seien, entschied man sich schließlich, die Figuren zu Parallelbildungen umzuwandeln - was Moore natürlich noch mehr Möglichkeit gab, mit der Kontinuität und den Figuren zu spielen. Dennoch kann man die Hauptfiguren von Watchmen leicht ihren Vorbildern zuordnen:

  • So basiert The Comedian (Edward Blake) auf dem militaristischen Charlton-Charakter Peacemaker. [Der Mann, der den Frieden so sehr liebt, dass er für ihn in den Krieg zieht...]
  • Doctor Manhattan (Jon Osterman) ist eine direkte Parallelbildung zu Captain Atom, komplett mit der berühmten Szene mit dem Panzer.
  • Parallel auch seine Beziehung zur Figur Silk Spectres (Sally Jupiter and Laurie Juspeczyk) bzw. Nightshade.
  • Der Charakter Nite Owl (Golden Age: Hollis Mason, Silver Age: Dan Dreiberg) basiert auf Blue Beetle. Der Blue Beetle von Charlton (Ted Kord) war die neue Version eines in den 40ern sehr beliebten Comic- und Radiohelden (Dan Garrett). Inzwischen hat man sich bei DC Mr. Kords durch einen Kopfschuss entledigt und ihn durch eine dritte Inkarnation ersetzt.
  • Der geniale Ozymandias (Adrian Veidt) steht für Peter Cannon, Thunderbolt, den Mann mit den vielen Talenten,
  • während Rorschach (Walter Kovacs) seiner Inspiration The Question sogar recht ähnlich sieht. [Ein ironischer Dreh war Jahre später eine Ausgabe des neuen Question-Magazines, in der Question eine Ausgabe von Watchmen ließ und versuchte, Rorschach zu kopieren... mit unrühmlichen Ergebnissen.] Ähnlich wie Blue Beetle ist auch The Question von DC anscheinend durch eine neue Version ersetzt worden.
  • Ein letzter Rest der ursprünglichen MLJ-Konzeption ist der Charakter Hooded Justice, der auf einem alten Helden namens Hangman basiert.
Man kann sich streiten, ob es sich bei solchen Parallelbildungen um Homagen oder Parodien handelt, im besten Fall handelt es sich um ein legitimes Mittel eines Autoren, auch aus dem Off respektvoll oder taktlos bestimmte Geschichten oder Charaktere zu kommentieren.

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