Mittwoch, 22. November 2006

Urban Guerilla :: Erkennen eines Paradoxons

Zweite Etappe

In Tanelorn treffen wir auf die Mystische Stadt des Friedens, die auf dem Balancepunkt der grossen Waagschalen von Chaos und Ordnung ruht, gleichweit von jedem Extrem entfernt, Mittelpunkt der Millionen Sphären der Existenz. Dies ist das irdische Paradies das die Renaissance in dem Bild des Neuen Jerusalems ("Heiliger Friede") auszudrücken versuchte - ein wohlgeordneter Mikrokosmos, gleichweit entfernt von der perfekten Ordnung des Bauplanes und dem Chaos der Natur. Bereits vor dem Kommen der ersten Propheten und Patriarchen herrscht hier ein König der Gerechtigkeit - Melchisedek oder ähnlich genannt - im Namen des Höchsten Gottes, der namenlos und ohne heilige Schrift über dem Balancepunkt der grossen Waagschalen von Chaos und Ordnung ruht.

ein Ausschnitt
DAS KOSMISCHE TANELORN

Tanelorn lag vor ihnen.

Es war eine blaue Stadt, die eine starke blaue Aura umgab und sich mit der Weite des blauen Himmels mischte. Ihre Häuser waren von den verschiedensten Blautönen, so daß sie beinahe vielfarbig wirkten. Die hohen spitzen Türme und die gewaltigen Kuppeln schmiegten sich aneinander und hoben sich in phantasievollen Spiralen und Bogen gen Himmel, stolz auf ihre blaue Pracht, die von Tiefdunkelblau bis Hellviolett in ihren metallenen Formen glänzte.

„Das kann keine Stadt der Sterblichen sein“, flüsterte Corum, als er mit Jhary aus dem hohen Gras heraustrat. Fröstelnd wickelte er den scharlachroten Mantel fester um sich. Er fühlte sich so klein und unbedeutend, wenn er die herrliche Stadt betrachtete. [...]

„Ich fürchte, ich kann Euch nicht folgen. Ihr spracht von Frieden. Nun, dieses Tanelorn hier ist friedlich. Ihr sagtet, es gäbe viele Tanelorns, und sie existierten schon vor Anbeginn der Zeit und würden noch sein, wenn es keine Zeit mehr gibt. Wenn dieses Tanelorn nun fremdartiger ist, als jene, die Ihr kennt, was hat das schon zu sagen?“

Jhary holte tief Luft. „Ich glaube, ich beginne ein wenig zu verstehen. Wenn Tanelorn an dem einzigen Ort des Multiversums steht, der nicht dem ständigen Wechsel unterworfen ist, dann dient es vielleicht einem anderen Zweck, als nur der Erholung müder Helden und ähnlichem –“

„Ihr meint, uns drohe dort Gefahr?“

„Gefahr? Es hängt davon ab, was Ihr als gefährlich betrachtet. Manches Wissen mag für den einen gefährlich sein, für den anderen nicht. In der Sicherheit kann Gefahr liegen, wie wir selbst erfahren haben, und Sicherheit in der Gefahr. Wir kommen der Sicherheit nirgends näher, als im Erkennen eines Paradoxons und deshalb – ich hätte es schon eher in Betracht ziehen müssen – muß auch Tanelorn ein Paradoxon sein. Laßt uns in diese Stadt gehen, Corum, und herausfinden, warum wir hierhergeführt wurden.“

Michael Moorcock, Das Ende der Götter

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