Sonntag, 26. November 2006
Seltene Träume [2]
Ich saß in einer Kneipe, einem meiner liebsten Orte, voll von Rauch, mit zwei Freunden und ihren Freundinnen. Der Tisch war voller Gläser, die dann verschwanden, als ich das Mädchen sah, das am anderen Ende des Sitzecks saß. Die Sitze waren alt, aus dunklem Holz und dunklem Leder, wie alles in der Kneipe, die finster und gemütlich war, als ob sie unterhalb der Erde lag. Das Mädchen war sehr schön, mit blondem kurzen Haar, das ihren Kopf in einem unordentlichen Pagenschnitt umgab, und sie lächelte mit einem Lächeln, das nicht von dieser Welt war Auf meine Frage, wer sie sei, antwortete einer meiner Freunde lachend, dass sie natürlich seine Schwester sei. Sie lachte auch und flirtete mit mir, während die anderen sich unterhielten und sich gegenseitig zum lachen brachten. Ich zögerte, aber dann begann auch ich sie zu kitzeln, und wir lachten, als ich neben ihr saß und wir uns umarmten, umarmten und uns nicht mehr loslassen wollten. Wir ließen uns auch nicht los, als wir uns in ihrem Zimmer, zurück in ihrem Haus liebten, auf einer Matratze, heiß und wild wie zwei Neugeborene, und wir hielten einander solange, bis wir einschliefen. Am nächsten Morgen machte ich uns beiden Frühstück und brachte es an unser Bett, wo sie bereits saß und sich die blonden Flusen aus der Stirn zupfte. Sie lächelte immer noch, wie ein Stern, aber irgendetwas war anders. Dann kamen Männer, um sie zu einer wichtigen Operation abzuholen, von der sie mir nichts gesagt hatte. Ratlos folgte ich ihnen, verlor aber ihre Spur und fand sie erst in dem Krankenhaus wieder, in dem sie operiert werden sollte Ich suchte sie, denn ich hatte Angst um sie, und als ich sie wieder fand, lag sie nackt, nur mit einem schmalen Laken, das ihre Brüste und Scham bedeckte, inmitten eines großen Operationssaales, der gar nicht wie ein Operationssaal aussah, sondern wie eine große, altertümliche Küche. Aus den Schränken mit ihren altertümlichen Schubladen, von denen die Farbe abblätterte, ragten Knoblauchkränze und zu große Tüten und Pakete, Flaschen und Gewürzbehälter. Es war unglaublich schmutzig, der Fliesenboden schmierig, und in den Waschbecken stapelte sich schmutziges, von Essensresten verkrustetes Geschirr. Doch das Schlimmste war, dass sie auf einem ganz gewöhnlichen Küchentisch lag, von Messerrillen und Blut- und Gewürzflecken verfärbt. Die Ärzte hatten wohl schon mit der Operation begonnen und waren dann fort gegangen, den ein tiefes, rotes Loch gähnte oberhalb ihrer Hüfte, und man sah die Muskeln dahinter. Ich wurde wütend, denn man hatte den Tisch nicht einmal abgeräumt, und ein Holzbrett mit einem großen Stück silbrigen Fisches, um das Fliegen summten, lag genau vor ihrer klaffenden Wunde auf dem Tisch. Sie lächelte, als sie mich sah, und mit ihrem strahlenden Lächeln sagte sie, ich solle mich nicht so erregen, es sei alles in Ordnung. Ich aber sah nur den silbernen Schimmer der blaugrauen Schuppen vor ihrem rot geöffneten Fleisch, ihrer zerschnittenen armen weichen Bauchhaut, und ich war wütend. Da kam eine große, resolute Schwester mit einem Steingesicht, und mit der Begründung, dass ich sie nicht aufregen solle, die Ruhe benötigte, zerrte sie mich weg. Aber ich tobte immer noch wegen des ranzigen Stück Fisches, das man neben ihr auf den Tisch gelegt hatte, als bestünde kein Unterschied zwischen ihnen. So verschwand sie, wie sie aufgetaucht war, ebenso plötzlich, wie ein Streichholz verlischt: einen Moment lang glaubte ich, noch eine Spur ihres Geruches zu spüren, und dann war sie fort.
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