Donnerstag, 2. Februar 2006

Amadeus auf der Flusswelt (1)

Das nächste, an das er sich erinnern konnte, war das Schiff. Er kannte nicht den Namen des Flusses, noch die Ufer, die in der Ferne sichtbar waren. Als er das Fahrgeld bezahlt hatte, warf er einen forschenden Blick über das Deck. Die gut gekleideten Kajütenpassagiere schienen ihn nicht zu interessieren. Ihre Gesichter waren Seidenmasken, die die vollkommene Leere ihrer Züge verhüllten. Da fiel sein Auge auf die andern, welche vom Spiele aufgestanden waren, um die an Bord Steigenden zu betrachten. Er sah einen Mann in ihrer Mitte, hoch aufragend, ein hagerer Schatten von der Farbe von Knochen; sein Blick verließ denselben sofort wieder, als ob er ihn gar nicht bemerkt habe; aber er kicherte, indem er die heruntergerutschten Strümpfe wieder über die schmächtigen Waden heraufzog, leise vor sich hin:

„Duttelgefickt!“, murmelte er, „Wenn das nicht der, wo ich mein’, so mag’s man mich in Schokad’ rollen und vom Zopf bis zum Zipfel abschlecken! Der Zweck, zu welchem er sich eine solche Schar zusammengetrommelt hat, ist sicherlich kein guter. Hoffentlich kennt er mich nimmer.“

Derjenige, den er meinte, hatte auch ihn gesehen und gestutzt. Er wendete sich in leisem Tone an seine Gefährten: „Seht euch mal dies kleine schmächtige Wichterl an! Kennt ihn einer von euch?“

Die Frage wurde verneint.

„Nun, ich muß ihn schon einmal gesehen haben, und zwar unter Umständen, welche für mich nicht erfreulich gewesen sind. Es steckt in mir so eine dunkle Erinnerung davon.“

„Dann müßte er dich doch auch kennen,“ meinte einer. „Er hat uns angesehen, dich aber dabei gar nicht bemerkt.“

„Hm! Vielleicht fällt es mir noch ein. Oder noch besser, ich frage ihn nach seinem Namen. Wenn ich den höre, werde ich gleich wissen, woran ich bin. Gesichter kann ich wohl vergessen, Namen aber nicht. Machen wir ein Saufen mit ihm!“

„Wenn er mitthut!“

„Das wäre eine schandbare Beleidigung, wie ihr alle wißt. Wer nicht mitsäuft, den kamma abstechen, da kräht kein Hahn darüber.“

„Er sieht aber nicht so aus, als ob er zu etwas, was ihm nicht beliebt, zu zwingen sei.“

„Ja, der is’ a bisserl meschugge!“

„Schaut’s, wie er schaut, das Männderl!“

„Und nun kichert er – den hat der Leibhaftige am Zipfel gepackt!“

„Geschissen! Wettest du nun mit, Bischof?“

„Ja, wetten, wetten!“ ertönte es im Kreise. „Der Verlierer zahlt drei Glas für jeden.“

„Mir ist's recht,“ erklärte der Mann wie Knochen.

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