Donnerstag, 16. Februar 2006

Der diskrete Charme einer scharlachfarbenen Dame (1)


Das Weiblich-Dämonische in Kunst und Religion
- um Fussnoten und Anmerkungen gekürzte Version -

Von allen Nuancen der Farbe Rot ist Scharlach die vielleicht hervorstechende, gerade und vielleicht auch nur, weil sie sich vom reinen Ton nur durch eine kleine Beimengung Gelb unterscheidet, die sie noch strahlender und transparenter als das nackte Rot macht. Wenn in historischen Quellen von Rot die Rede ist, ist es meist ein Scharlachrot, vor allem auch weil die Farbe und der Name Scharlach das reine, unauffälligere Rot mit einem besonderen, fast dämonischen Glamour versieht. Dieser Glamour ist der Glanz der Beimengung des sonnenhaften Gelb, seine Wirkung das Ausstrahlen einer besonderen Konnotation und Symbolik der Farbe Rot.

Lässt man einmal die Farbtheorie beiseite, so ist die offensichtlichste Verbindung dieser Farbe ganz einfach: Blut.

Man kann ohne die Glaubwürdigkeit allzusehr zu strapazieren, hypothetisieren, dass jede Verwendung der Farbe Rot einen direkten Bezug zu Blut enthält. Manchmal wird dies versteckt, verdrängt oder vergraben, ganz parallel zu den rituellen bzw. kulturellen Bluttabus, die man in den meisten Kulturen vorfinden kann.

Und damit sind wir fast unweigerlich bei Aspekten der Weiblichkeit angelangt, die den Geschichtenerzählern und Mythomagiern aller Zeiten ebenso tabu und rätselhaft erschienen. Man kann nicht beweisen, ob zu Zeiten eines hypothetischen Matriarchats wirklich geglaubt wurde, dass Embryonen aus einer Verklumpung des Menstrualblutes entstanden, dass aber ein direkter Zusammenhang vorlag, sicherlich.

Es ist eine semiotische Nullaussage. Blut = Leben.

Die primäre (physiologische) Eigenschaft von Blut, Leben zu geben und zu erhalten, macht es in der primitiven Vorstellung zu einer Substanz voller mana – weswegen es auch einem hohen Tabu unterliegen muss. Die Übertragung ist einfach und für den Primitiven logisch: Der weibliche Schoß als „Behältnis des Blutes“ muss deswegen zweifelsfrei ebenfalls magisch sein, weswegen man sich mit einem Tabu dagegen versichern musste. Hier liegen die Wurzeln so unterschiedlicher Konzepte wie der Absonderung von Frauen während ihrer Monatblutung, aber auch des Heiligen Grales und anderer magischer „Gefässe“. In der Moderne ist die „Rote Magie“, jene, die sich dieses Gefässes zu „bedienen“ weiss – für die Kenner durch ein „K“ wie Kteis (Yoni, Vagina) von der gewöhnlichen Schreibweise unterschieden.

Es ist sicherlich kein Zufall, wie oft in Kunst und Religion durch Rot gekennzeichnete weibliche Signalgestalten verwandt werden, die mit den weiblichen Rites de Passage (Menstruation, Defloration etc.) verbunden sind.

Das Rot des Tabus wird hier zum Rot eines Kennzeichens, und kann in Form eines roten Kleides, roter Schuhe oder einer roten Kapuze sichtbar werden.

Das weibliche Blut, das weibliche Rätsel, das weibliche Tabu werden zu einem einzigen Topos verschmolzen, das in vielen Formen auftreten kann. Es erscheint der Archetyp einer scharlachfarbenen Dame.

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