Freitag, 10. Februar 2006

Amadeus auf der Flusswelt (2)

Fortsetzung von Nemed House: Amadeus auf der Flusswelt (1)

Das Warten wurde zur Qual.
Auch ohne zur Uhr zu blicken, wusste Amadeus, dass jetzt 33 Minuten verstrichen waren, seit das fremdartige Raumschiff an der HOFFNUNG angelegt hatte und die Besatzung übergewechselt war. Die gewaltigen Metallformen, die vor den Bullaugen des irdischen Raumschiffes aus der Finsternis des Raumes hervorragten, hatten in dieser Zeit mehr als hundert Mal ihre Farbe gewechselt. Polychromatische Schauer und Flecken rannen über das semi-intelligente Metall der drei außerirdischen Gefährte, wie ein immerwährender Rorshach-Test, der die Intelligenz und Belastbarkeit der Raumfahrer herausfordern wollte.

Amadeus beobachtete die Chaos-Screens. Er tat das weniger in der Erwartung, irgend etwas zu sehen, als aus einer gewissen Scheu heraus, den hinter ihm sitzenden Offizieren in die Augen zu blicken. Er fühlte sich für alles, was nun an Bord des letzten Raumschiffes der Erde geschah, verantwortlich.

Der Musiker spürte, wie jemand an seine Seite trat.

„Dort drüben rührt sich nichts“, sagte der Mann wie Knochen. „Wie lange wollen wir noch warten, bevor wir etwas unternehmen?“

Amadeus zuckte die Schultern. „Solang’s noch keine akute Gefahr für Hiram und seine Begleiter besteht, verhalten wir uns abwartend. 14 Mutanten mit dem Papa-Gen X stehen mit Hiram in telepathischer Verbindung, und bis jetzt hat er überhaupt noch nichts durchgegeben, was auf Gefahr schließen ließe.“

Wenige Augenblicke später wurde an Bord der HOFFNUNG ein Normalfunkspruch aufgefangen. Er ging über Sprechfunk ein, und der Mann, der ihn durchgab, war zweifellos Hiram Kobalt.

„Hier spricht Hiram Kobalt. Ich rufe die HOFFNUNG. Können Sie mich hören?“
Die Stimme klang undeutlich.

Amadeus ließ die Verbindung in den Kontrollstand legen.

„Ich verstehe dich nicht sehr gut, Hiram“, antwortete er. „Hoffentlich ist es umgekehrt besser.“

„Nein. Ich benutze ein Gerät der Außerirdischen. Ich befürchte, es wird nicht lange aushallen. Hier an Bord ist alles in bester Ordnung. Wir werden uns mit den Außerirdischen einigen können. Du kannst mit der HOFFNUNG längsseits gehen. Du musst ein paar Techniker herüberschicken, die den Außerirdischen helfen, die drei Schiffe gründlich zu überprüfen.“

Auf Amadeus Stirn erschien eine Falte.

„Weshalb?“ fragte er.

„Die Außerirdischen wollen eines dieser Schiffe soweit herrichten, daß sie damit zwanzigtausend Lichtjahre überbrücken können. Das ist die Entfernung, die sie von ihrem Gross-Kophta, trennt.“

„Diese drei Raumschiffe wandeln jede Minute ihre Farbe, und ich glaube auch die Form. Sie sind wie Lavalampen, Hiram. Sie zerfliessen, trennen sich und kommen wieder zusammen. Ich will Dich nicht echauffieren, aber meinst’, dass man diesen Leuten traun kann?“

„Sie sind anders, meinst’ das?“

Amadeus lachte. „Duttelgefickt! Was hältst du denn von der ganzen Sache?“
Ein undeutliches Lachen kam aus dem Lautsprecher.

„Ich glaube nicht, dass eines dieser Schiffe jemals wieder fliegen wird“, sagte Kobalt. „Der Raum hat sich um sie in eine andere Richtung gewölbt… ihre Farbtriebwerke haben einen ungewöhnlichen Pixelverlust erlitten, als sie an den Monochromen Megalithen unseres Universums strandeten. Deshalb habe ich den 33 überlebenden Außerirdischen angeboten, sie mit der HOFFNUNG zum Standort ihres Gross-Kophtas zu bringen.“

In Amadeus Erleichterung mischte sich Ärger. Es sah Kobalt ähnlich, den Fremden ein solches Angebot zu unterbreiten. „Geschissen!“, fluchte er und strich sich über seine pockennarbigen Wangen.

„Ich höre dich nicht!“ rief Kobalt.

„Ich habe auch nicht gesprochen. Ich denke nach.“

Hinter ihm erhob sich der Mann wie Knochen. In seiner Hand lag eine tückisch funkelnde Strahlenwaffe.

„Diese Sache gefällt mir nicht“, sagte er langsam. „Warum sollten wir für diese Außerirdischen Transportunternehmer spielen?“

„Heuer sind wir tolerant?“, vermutete Amadeus.

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