Donnerstag, 16. Februar 2006

Der diskrete Charme einer scharlachfarbenen Dame (2)


Das Weiblich-Dämonische in Kunst und Religion
- um Fussnoten und Anmerkungen gekürzte Version -

Es ist nur aus der persönlichen Vita von Edward Alexander Crowley (1875-1947) zu erklären, warum er eine der symbolhaften Figuren seiner persönlichen Theo-Mythologie, wie sie in „Liber Al vel Legis“, dem Buch des Gesetzes, zum Ausdruck kommt, mit dem Titel „Scharlachweib“ belegt. „Nun sollt ihr wissen, daß der erwählte Priester & Apostel des unendlichen Raumes der Prinz-Priester das Tier ist; und in seine Frau, Scharlach-Frau genannt, ist alle Macht gegeben“, heisst es, eine deutliche Homage an die Ikonographie des Johannes-Evangeliums, aus dem er sein Leben lang Inspiration bezog.

In den indischen Lehren, in denen er so überaus bewandt war, ist dies eine recht gute Umschreibung der Shakti, des weiblichen Aspektes, der Gefährtin und Macht der hinduistischen Götter. (Und tatsächlich ist ‚Kraft, Macht, Energie’ auch eine exakte Übersetzung für shakti) Dass er mehrere seiner Gefährtinnen bei magischen Experimenten mit diesem Titel belegte, ist eine klare Parallele zum Brauchtum bestimmter Tantra- und Nathschulen, bei denen dem Yogi auch immer eine Yogini zur rituellen Praxis beigesellt wird.

Dass Shakti die Macht, aber auch den passiven Aspekt versinnbildlicht – das Yin zum Yang des Magiers, muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie selbst eine passive Kraft darstellt.

„Die Frau soll mit einem Schwert gegürtet vor mich treten“, heißt es in Al III:15, im Hinduismus selbst gibt es meist einen „lichten“ und einen „dunklen“ Aspekt der Shaktideva: Kalimatra zum Beispiel ist der „dunkle“ Aspekt derer, von der Parvati den „lichten“ darstellt.

In einer anderen, eher umstrittenen Stelle (III:44-45) kommt die moralische Ambivalenz des aus einem puritanischen Elternhaus stammenden Bonvivants Crowley deutlich zum Tragen. Seine Vorstellung einer Frau soll gleichzeitig sittenlos aber gleichzeitig seinem Werk so ergeben sein wie eine Nonne, sonst möge sie als Hure enden.

Ambivalent umschreibt diese Vorstellung wohl am besten, wenn man bedenkt, dass er in späteren Werken diese Vorstellung von Shakti mit einer Göttergestalt vermischt, die er selbst nach einem Wort aus Dr. John Dee’s und Edward Kellys katholischer Engelsmagie Babalon(d) benannte, was in dieser sogenannten „Enochischen Sprache“ schlicht ebenfalls ‚Hure’ bedeutet. Etwas, was sich sicherlich kein frommer Hindu als Titel für Shakti herausnehmen würde.

Die Irritation, die mit dieser Namensgebung Hand in Hand geht, löst sich nur zögerlich, wenn man sich die Grundaussage von Crowleys „Roter Magie“ – Magick mit einem „K“ – ins Gedächtnis ruft. Die Kunst der Vereinigung kann nur gelingen, wenn kein Vorbehalt besteht: das einzig Revolutionäre von Crowley als Magier wie als Künstler war ein gewisser „Mut zur Hässlichkeit“ – auch in der Wahl seiner spirituellen Betätigungsfelder.

Das Tabu und der Glamour mischen sich in einem Bild, und folgerichtig ist das „Gefäß“ Babalons nicht nur der Heilige Gral, sondern auch „die goldene Schale ihrer Unzucht“, wie es in einem weiteren Werk, „Liber Cheth“, heisst.

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