Samstag, 25. März 2006

Robert E Howards KULL :: Kulls Welt

Die nachführenden Ausführungen basieren unmittelbar auf den ersten Abschnitten von Robert E. Howards Essay „Das Hyborische Zeitalter“, in dem er einen Überblick über die geographischen und ethnischen Veränderungen bis zum Anbeginn der bekannten Geschichte gibt. Rassentheorien waren zu Howards Zeit nicht nur unter Supremacisten populär und sollten nicht ernster genommen werden als notwendig. Howard selbst sagt zu seiner Pseudo-Historie: „Dieser Beitrag soll nicht als Versuch verstanden werden, eine zur allgemein akzeptierten Geschichtsschreibung gegensätzliche Theorie zu verbreiten. Es ist einfach nur ein fiktiver Hintergrund für eine Reihe von Science-Fiction-Geschichten.“ Das „Hyborische Zeitalter“ ist natürlich vor allem für den Conan-Fan gedacht, wir wollen uns aber mit der Zeit vor der ersten Sintflut befassen, die wir hier in bewußter Neuprägung „Das Thurische Zeitalter“ nennen wollen.

Originaltext von Howard, Ergänzungen und Verweise in eckigen Klammern […].

Über jene Epoche, die von den nemedischen Chronisten als prä-kataklysmische Ära bezeichnet wird, ist wenig bekannt. Eine Ausnahme bildet lediglich die letzte Phase und selbst die bleibt hinter einem Gespinst von Legenden verborgen. Die überlieferte Geschichte beginnt mit dem Niedergang der präkataklysmischen Zivilisation, die von den Königreichen Kamelia, Valusia, Verulia, Grondar, Thule und Commoria beherrscht wurde. Diese Völker sprachen eine ähnliche Sprache, was auf einen gemeinsamen Ursprung schließen lässt. Es gab noch weitere, ähnlich zivilisierte Königreiche, die jedoch von anderen, anscheinend älteren Völkern bewohnt wurden. [Namentlich erwähnt von diesen Reichen wird Zarfhaana im Nordosten und Farsun im Südwesten von Valusien.]

[In den Kull-Geschichten tauchen mehrfach Angehörige des „Alten Volkes“ auf, einer Rasse, die den Westen Thuriens bewohnte, bevor die thurische Rasse sie verdrängte. Ob das „Alte Volk“ vollkommen menschlich war, bleibt zu erörtern; die meisten ihrer Vertreter scheinen mit einer unnatürlich langen Lebensspanne gesegnet zu sein, die mitsamt den leuchtenden Augen und in die Länge gezogenen Physiognomie des „Alten Volkes“ auf einen nichtmenschlichen Einschlag deuten lässt. Vielleicht handelt es sich bei ihnen um die Nephilim der Sage. Tatsächlich waren selbst das Alte Volk nicht die Ureinwohner Thuriens, sondern vertrieben andere. (Die Spiegel des Thuzun Thune). Und noch vor der ersten menschlichen Besiedlung Thuriens war der Westen Heimat nichtmenschlicher Rassen, von denen einige in den Einöden und anderen unzugänglichen Orte überleben konnten. Hier hervorzuheben sind die Schlangenmenschen, das Wolfsvolk (Das Schattenkönigreich), aber auch ein Volk amphibischer Menschen, deren letzte Bastion unter dem sogenannten Verbotenen See lag .(Delcardes’ Katze)]

Die Barbaren jener Zeit waren die Pikten, die weit draußen im Westmeer auf Inseln lebten, die Atlanter, die einen kleinen Kontinent zwischen den piktischen Inseln und der größten Landmasse, dem thurischen Kontinent, bevölkerten, und schließlich die Lemurier, die eine Reihe großer Inseln in der östlichen Hemisphäre bewohnten.

[Der thurische Kontinent ist weitgehend identisch mit dem eurasischen. Der erste Kataklysmus verwandelte den thurischen Kontinent in das, was die Forschung die hyborische Welt nennt, die Heimat von Conan aus Cimmerien und seinen Zeitgenossen. In der ursprünglichen Konzeption sind die Piktischen Inseln identisch mit den Bergspitzen des amerikanischen Nordkontinentes, während die Lemurischen Inseln am östlichen Pazifikrand lagen, d.h. näher an der Küste des Thurischen Kontinentes. Eine Kontinentalmasse im Pazifik beherbergte die rätselhafte Zivilisation von Mu, die jedoch wenig Kontakt mit anderen Völkern pflegte.]

Es gab riesige unerforschte Gebiete. Die zivilisierten Königreiche, für sich genommen bereits von gewaltiger Ausdehnung, nahmen dennoch nur einen vergleichsweise kleinen Bereich des Planeten ein. [Man muss davon ausgehen, dass dieser Bereich identisch mit dem zivilisierten Bereich des hyborischen Zeitalters war und vor allem das heutige Europa umfasste, dazu auch s.u..]

Valusia war das westlichste Königreich auf dem thurischen Kontinent, Grondar das östlichste. Östlich von Grondar, dessen Volk weniger kultiviert war als die Bewohner der benachbarten Königreiche, erstreckte sich eine wilde, öde Wüstengegend. [Aus diesen Fakten muss man ableiten, dass die von Lin Carter vollendete Erzählung „Jagd im Land der Schatten“ bestenfalls apokryph ist. Grondar ist Teil der thurischen Welt, und nicht der mythische Rand der Welt.]

In den weniger trockenen Regionen der Wüste, im Dschungel und zwischen den Bergen, lebten verstreute Clans und Stämme von primitiven Wilden. Weit im Süden existierte eine geheimnisvolle Zivilisation, die zur übrigen thurischen Kultur keinerlei Verbindung hatte und deren Wurzeln anscheinend bis in die vormenschliche Zeit zurückreichten. [Aus diesem zivilisatorischen Kern entstand später die stygische Zivilisation, die bis zu ihrem Untergang ihre nichtmenschliche Herkunft nicht verleugnen konnte.] Ganz im Osten lebte an der Küste noch ein weiteres Volk, menschlich zwar, doch geheimnisvoll und nicht thurischen Ursprungs, mit dem die Lemurier von Zeit zu Zeit Kontakt hatten. Anscheinend stammten diese Menschen von einem dunklen, namenlosen Kontinent, der irgendwo östlich der lemurischen Inseln lag.

[Mu. – während die lemurische Zivilisation irgendwann unterging, werden die Lemurier von dem anderen Volk (Chinesen?) versklavt und kehren dann in Gestalt der Hyrkanier/Turaner wieder in die Historie zurück – bis an die Grenzen Protoeuropas.]

Die thurische Zivilisation, deren Armeen größtenteils aus Barbarensöldnern bestanden, zerfiel. Pikten, Atlanter und Lemurier stellten die Generäle, die Staatsmänner und oft auch die Könige. Über das Gezänk der Königreiche, die Kriege zwischen Valusia und Commoria und die Eroberungszüge, nach denen die Atlanter ein Königreich auf dem Festland begründeten, gibt es mehr Legenden als akkurate Geschichtsschreibung.

[Hier sollte darauf hingewiesen werden, dass in Howards Konzeption Atlantis die Heimat steinzeitlicher, proto-keltischer Barbaren war, in bewusstem gegensatz zu den Schwärmereien der Theosophen und Anthroposophen, die Atlantis zu dem fürchterlichen Klischee übermenschlicher Philosophenkönige machten, als das es heute bekannt ist – ein überzivilisiertes Wunderland, das durch die Ausübung ‚schwarzer’ Magie Schuld auf sich lud und als Strafe untergehen musste. Howards Atlantis war roh und barbarisch, seine Götter heidnisch und unmenschlich. Während Atlantis in seiner Blütezeit das Steinzeitniveau hinter sich liess, haftet selbst seinen Kolonien etwas Rohes und Urtümliches an, und den Überbleibseln seiner Religion genau das Vormenschliche, das Kull ausrotten wollte, s. die Kolonien Negari und Bal-Sagoth in den Nicht-Kull-Geschichten „Königreich des Schreckens/ The Moon of Skulls“ (Solomon Kane) und „Die Bestie von Bal-Sagoth/ Gods of Bal-Sagoth“ (Turlogh O’Brien).]

Dann erschütterte der Kataklysmus die Welt. Atlantis und Lemuria versanken im Meer und die piktischen Inseln stiegen empor und bildeten die Gebirgsketten eines neuen Kontinents. [Nordamerika] Einige Regionen des thurischen Kontinents verschwanden unter den Meereswellen oder sanken ab, bis große Seen oder Binnenmeere entstanden. [Die spätere Vilayet-See?] Vulkane brachen aus und schreckliche Erdbeben legten die strahlenden Städte des Reichs in Schutt und Asche. Ganze Nationen wurden ausgelöscht.

Den Barbaren erging es ein wenig besser als den zivilisierten Völkern. Die Einwohner der piktischen Inseln wurden vernichtet, doch eine große Kolonie dieses Volks, die sich an Valusias Südgrenze zwischen den Bergen angesiedelt hatte, um als Pufferzone gegen fremde Invasionen zu dienen, blieb erhalten. Auch das Königreich, das die Atlanter auf dem Kontinent begründet hatten, entging der allgemeinen Vernichtung und vom sinkenden Mutterland kamen tausende ihrer Stammesgenossen mit Schiffen herbei. Viele Lemurier flohen an die Ostküste des thurischen Kontinents, der einigermaßen verschont blieb. Dort wurden sie von dem alten Volk, das bereits dort lebte, versklavt. Über Jahrtausende war ihre Geschichte eine Geschichte der Unterdrückung und Ausbeutung.

Im westlichen Teil des Kontinents ließen die veränderten Bedingungen eigenartige pflanzliche und tierische Lebensformen entstehen. Dichter Dschungel bedeckte die Ebenen, gewaltige Flüsse durchschnitten das Land auf ihrem Weg zum Meer, zerklüftete Berge erhoben sich und Seen bedeckten die Ruinen alter Städte in fruchtbaren Tälern. Aus den versinkenden Regionen strömten Heerscharen von Tieren und Wilden - Affen und Affenmenschen - in das kontinentale Königreich der Atlanter. Obwohl sie gezwungen waren, ständig ums Überleben zu kämpfen, gelang es ihnen, Spuren ihres früheren hoch entwickelten Barbarentums zu bewahren. Da es ihnen an Metallen und Erzen fehlte, entwickelten sie wie ihre fernen Vorfahren großes Geschick beim Bearbeiten von Stein und hatten dabei bereits künstlerische Qualitäten erreicht, bis sie in Kontakt mit der mächtigen piktischen Nation kamen. Auch die Pikten nutzten den Feuerstein, waren aber, was Bevölkerung und Kriegskunst anging, weiter fortgeschritten. Künstlerische Neigungen wie die Atlanter hatten sie nicht; sie waren ein gröberer, praktisch orientierter und fruchtbarer Stamm. Gemalte oder in Elfenbein geschnitzte Bilder haben sie im Gegensatz zu ihren Feinden nicht hinterlassen, dafür aber bemerkenswert wirkungsvolle Waffen aus Feuerstein in großer Zahl.

Diese Königreiche der Steinzeit brachen zusammen. Die Atlanter, die sich in der Unterzahl befanden, wurden auf die Stufe der Barbarei zurückgeworfen, die Entwicklung der Pikten kam zu einem Stillstand. Fünfhundert Jahre nach dem Kataklysmus waren die Barbarenkönigreiche verschwunden. Heute führt ein Volk von Wilden - die Pikten -, einen ewigen Krieg gegen andere wilde Stämme wie die Atlanter. Die Pikten hatten den Vorteil der größeren Zahl und sie waren geeint, während die Atlanter in nur lose zusammenhängende Stämme zerfielen. So sah es damals im Westen aus. [Selbst während des kommenden Hyborischen Zeitalters sollte sich dies nicht ändern. Während die Pikten an die westliche Meeresküste gedrängt wurden, wo sie in ihren Urwäldern beständig versucht waren, die nächstgelegene hyborische Nation – das mächtige Aquilonien – zu überfallen, vegetierten die letzten atlantischen Stämme introvertiert in den düsteren Bergen, die in späterer Zeit Cimmerien genannt wurden.]

Im fernen Osten, der vom Rest der Welt abgeschnitten war, nachdem sich gewaltige Berge erhoben hatten und eine Kette riesiger Seen entstanden war, schufteten die Lemurier als Sklaven ihrer alten Herren. Der tiefe Süden ist heute noch von Geheimnissen umwittert. Vom Kataklysmus unberührt geblieben, scheint er immer noch von der vormenschlichen Ära geprägt. Zu den zivilisierten Völkern des thurischen Kontinents zählt auch ein Überbleibsel einer nicht-valusischen Nation - die Zhemri, die in den niedrigen Bergen im Südwesten leben.

[Die Zhemri müssen Nachkommen eines der zu Anfang erwähnten weiteren, ähnlich zivilisierten Königreiche sein, die jedoch von anderen, anscheinend älteren Völkern bewohnt wurden. (Farsun?) Die Zhemri selbst wurden zu Vorfahren des hispanisch anmutenden halb-hyborischen Königreichs Zamora im Südwesten Aquiloniens – was auch bedeutet, dass Kulls Valusien und Conans Aquilonien fast das gleiche Territorium eingenommen haben müssen – das heutige Frankreich. Es wäre verlockend, hier eine weitere Verbindung zu ziehen zu der von Howards Brieffreund und Kollegen Clark Ashton Smith mittelalterlichen Provinz der Averoigne , die ebenfalls von vormenschlichen Überbleibseln verflucht war.]

Hier und dort gibt es auch verstreute Clans affenartiger Wilder in der Welt, die nichts über den Aufstieg und den Fall der großen Zivilisationen wissen. Weit im Norden aber drängt langsam ein weiteres Volk in den Vordergrund. [Die Hyborier, die im Folgenden ganz Proto-Europa erfolgreich besiedeln sollten.]

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