Helden, die mehr als nur ein Stirnrunzeln hervorrufen. Kein Traum! Keine Täuschung! Erfindungslust, die Amok läuft. / Eine lose Serie von Kurzartikeln.
Die Geburtsstunde eines Helden ist hart umlagert. Die Geschichten innerhalb einer Serie laufen immer gleich ab, und doch muss es Entwicklungen und Veränderungen geben. Wie in einer Bach-Fuge werden die gleichen Bestandteile immer wieder rhythmisch variiert und mit ihren Beziehungen gespielt. Manchmal gelingt eine geniale Komposition, mal missglückt es zur Kakophonie. Die Instrumente, auf denen diese Melodien gespielt werden, sind meist die gleichen: Konventionen. Klischees. Prototypen. Der Millionärsplayboy, der in seiner Freizeit Verbrecher jagt. Der verstoßene Sohn, der in der Maske des Gesetzlosen der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. Der Abgesandte einer höheren Macht, der in die Unterwelt herabsteigt, um die Ungeheuer zu bändigen. Oder etwas Vergleichbares. Oder eine Kombination dieser Ideen. Und dann gibt es natürlich noch die klischeehaften Elemente, ohne die keine dieser Gestalten auszukommen scheint: Die unverkennbare Tracht. Das ikonische Erkennungszeichen. Der Nom de guerre oder Codename. Das Geheimversteck oder Festung der Einsamkeit. Der jugendliche Gehilfe. Der treue Butler. Die Zauberwaffe.
Nicht jede Gestalt ist reich genug, sich all diese Statussymbole leisten zu können, aber man trifft sie von Robin Hood bis Captain Future.
Zu den immer wieder gerne bemühten Klischees gehört, dass man etwaige übernatürliche Fähigkeiten irgendwo in Asien erwirbt. Ob es Telepathie ist, oder die Fähigkeit sich unsichtbar zu machen, anderer Menschen Gedanken zu bewölken - am besten lernt man dies beim letzten überlebenden Meister dieser Kunst, in verborgenen Städten oder abgelegenen Lamaklöstern. Das ist mal ein eher positives Beispiel für ein rassisches oder nationales Klischees, wie sie gerade im 20. Jahrhundert so sehr verbreitet waren (dazu mehr in späteren Artikeln!).
Merke: in der Genreliteratur ist jeder Asiat, der nicht komplexe Foltermethoden ersinnt, um als ‚Gelbe Gefahr' weißhäutige Jungfrauen zu bedrohen, ein Weiser Meister!
Halten wir nicht inne, um uns die Frage zu stellen, woher diese diabolischen gelbhäutigen Weltverbrecher ihre geheimen Künste erlernten - der Weise Meister sitzt erhaben und geduldig auf der Spitze seines verschneiten Himalajagipfels und wartet auf den Tag, da sich ihm ein zukünftiger Verbrechensbekämpfer bescheiden vorstellt.
Initiiert werden nur idealistische Abendländer.
Was sollen die schlitzäugigen Untermenschen, die direkt nebenan wohnen, auch mit diesen Fähigkeiten anfangen? (Weiß eigentlich der Dalai Lama davon? Der hätte, als die Rotchinesen Tibet überrannten, vielleicht doch gerne ein paar Leute mit Superkräften auf seiner Seite gehabt...)
Ah, der geheimnisvolle Orient! Die hintergründige asiatische Seele! Dim Mak! Sashimi! Bukake! Ja, es klingt ein wenig wie der schlechte Samstagabend-Kungfu-Film, Sie wissen schon - VanDamme kriegt ordentlich auf die Nuß und findet dann den Weisen Meister, der ihn solange coacht, bis auch ein belgisches Weißbrot den allasiatischen Champ knacken kann. Oder Karate Kid. Aber auf diese Weise haben seit den 30er Jahren eine ganze Anzahl von Heroen die übermenschlichen Fähigkeiten bekommen, die sie auszeichnen. Der Populärmythos vom Magischen Wissen Asiens ist recht alt, und fand einen weiteren Höhepunkt mit James Hiltons "Lost Horizon" - sie wissen schon, die unsterblichen Meister von Shangri-La...
Es muss eine Zeit lang einen richtigen Touristikboom von Helden-in-Ausbildung in diesen abgelegenen Himalayatälern gegeben haben, und wahrscheinlich haben sich abends Bruce Wayne, Dr. Stephen Strange und Lamont Cranston bei einer Tasse Tee mit Yakbutter getroffen und gemeinsam ihre Dorjes poliert.
Auffällig ist, dass die Weisen Lehrer ihren Schülern wenig weltanschaulichen Hintergrund mitgegeben haben. Es geht auch nicht um eine vollständige ethische oder spirituelle Erziehung. Der Lehrer existiert nur als genretypische Konvention. Er dient als selbstbezügliche Erklärung für das Magische oder Unwahrscheinliche einer Ursprungsgeschichte. Aber schließlich weiß man ja, dass diese Asiaten seltsame Fähigkeiten haben. Punkt. Seltsamerweise wird dieses Klischee nie weiter ausgereizt, es ist ein bunter Fleck in der Legende verschiedener Helden, aber kaum ein bestimmender Faktor. Außer in einem Fall, einer Geschichte, die gleichsam merkwürdig wie unmöglich erscheint.
Es soll ja schon vorgekommen sein, dass Weiße zu Lamas geweiht wurden. Für gewöhnlich fahren sie dann Harley Davidson und brüsten sich damit, wie cool sie sind, weil sie schon mit sovielen Schülerinnen geschlafen haben. Der wohlhabende amerikanische Abenteurer Jethro Dumont wurde zum Lama geweiht und kehrte in seine Heimat zurück, um mit Hilfe seiner magischen Kräfte Verbrecher zu bekämpfen - wie cool ist das?
GREEN LAMA, der "Grüne Lama" erschien zuerst in mehreren Novellen in dem Munsey-Pulp DOUBLE DETECTIVE MAGAZINE in den Jahren 1940-43, die von Ken Crossen unter dem Hausnamen Richard Foster verfaßt wurden. Er ist aber auch eine der wenigen Pulpcharakter, die erfolgreich den Sprung von einem Medium in ein anderes schaffte: Im Dezember 1940 wurde er für die Comics adaptiert (Prize Comics No. 7). Weitere Auftritte hatte er in PRIZE COMICS bis zur Ausgabe 34, und in seinem eigenen Heft, GREEN LAMA No. 1-8. Im März 1946 erschien das letzte Heft dieser Serie. Und ab 1949 erschien sogar für drei Jahre eine Radio-Show mit den Abenteuern dieses ungewöhnlichen Charakters!
Während seine Pulpherkunft ihn in eine Reihe stellt mit anderen unheimlichen bzw. übermenschlichen Vigilanten wie Shadow oder Spider, die verkleidet oder unsichtbar blutige Rache an den Missetätern der Gesellschaft nahmen, trat er relativ offen auf. Er trug nie eine Maske, sondern stattdessen ein schlichtes dunkelgrünes Mönchsgewand. (Nicht unbedingt die liturgische Kleidung eines buddhistischen Geistlichen, aber immerhin konnte er darin wenigstens gut meditieren.) Auch ihm stand ein treuer Diener asiatischer Herkunft zur Seite, wie es bei den besonders reichen Vigilanten wohl Mode zu sein schien. Jethro Dumonts Diener, sowohl in seiner Park Avenue-Villa, wie auch bei seinen nächtlichen Exkursionen war jedoch stilgerecht ein Tibeter namens Tsarong.
In den Stories wurde Dumonts spirituelle Herkunft mit der gleichen Glaubwürdigkeit behandelt wie z.B. die Geheimnisse des alten Ägypten. Sie ist nur eine triviale Hülse oberflächlichen Wissens über eine fremdartige Kultur. Obgleich ein Lama natürlich ein geweihter Priester einer überlieferten Lehre ist, erscheint er eher wie der typische Magier der Genreliteratur. Exotisches Äußeres und besondere Fähigkeiten täuschen nicht darüber hinweg, daß hinter der ungewöhnlichen Verpackung eine relativ durchschnittliche Detektivgestalt verborgen liegt, der recht gewöhnliche Gegner bekämpfte. Braucht man wirklich die Macht des Grünen Lamas, um den Krösus des Verbrechens zu bekämpfen? Den Mann mit dem Totenkopfgesicht? Den Clown, der lachte? Falstaff?? Vielleicht die Wahnsinnigen Magi - aber den Hollywood Geist?
Jethro Dumonts übernatürlichen Fähigkeiten (Stärke, Unverwundbarkeit und die Fähigkeit der Levitation) erscheinen durch das Rezitieren eines Zauberspruchs - eines Mantram, um genau zu sein, nämlich das gleiche "Om mani padme hum", das von Millionen von Buddhisten tagtäglich rezitiert wird, ohne dass sie sich in einen okkulten Übermenschen verwandeln. Schade auch. Vielleicht erinnern sie sich allerdings auch daran, daß die magischen Fähigkeiten, die sich auf dem Weg der Vollendung einstellen mögen (siddhis) Ablenkungen bzw. Hindernisse sind, die es abzulehnen gilt.
Die vier Wahrheiten des Buddhismus sind wohl Leiden, die Entstehung des Leidens, die Aufhebung des Leidens und der Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt. Aber ich dachte immer, daß dieser Weg der edle Achtfache Pfad ist, rechtes Erkennen, rechte Entschlüsse fassen, rechtes reden, rechtes Handeln, rechter Lebenserwerb, rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit und rechte Meditation - und nicht als Mönch vermummt in New Yorker Hinterhöfen Verbrecher zusammenzuschlagen! Das mag vielleicht durchaus einiges an Leiden verhindern, aber ist das wirklich die angemessene Art und Weise für einen heiligen Mann, sich zu verhalten? Andererseits haben ja auch Mönche und Nonnen die meisten der waffenlosen Kampfkünste Chinas erfunden. Also was weiß ich schon. Vielleicht weiß es ja der Dalai Lama.
Und vielleicht hat der ja auch eine grüne Robe bei sich im Schrank hängen.
2 Kommentare:
Tach Axel,
daher kommen die nicht enden wollenden Gerüchte über die "Grünen Lamas" - gibt ja an sich nur Rot- und Gelbmützen, gell?
Aber buddhistischen Kampfsport, insbesondere sino-tibetische Stile, gibt es tatsächlich, wenn sie auch etwas unbekannt sind.
Siehe auch
http://www.tibetankungfu.net/religion%20kung%20fu.htm
Achja, der Sekte der Grunermützen würde ich sofort beitreten...
Sicherlich gibt es buddhistsichen kampfsport, mein Lieber, eigentlich fast alle bekannten und in Film und Fernsehen profanierten...
Unser "grüner Lama" jedoch hat jedoch weder Kung Fu noch Kung Kong benutzt, um sich durchzusetzen, sondern nur seine "mentalen" Fähigkeiten (siddhis). er gehört also zu der kleinen aber feinen Gruppe von Genrehelden, die magieweise auf Verbrecherjagd gehen... ein etwas befremdliches Prinzip, denn keiner von ihnen scheint z.B. die Kunst der Divination zu nutzen, um Verdächtige zu finden. Wie im schlechten Kino: sie werfen feuerbälle oder schiessen magische Laser aus den Fingerspitzen. Zwar alles einfache und sinnvolle Fähigkeiten, die jeder Magier beherrschen sollte, aber braucht man soetwas für Handtaschendiebe?
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