Donnerstag, 9. Juni 2005

Arullu :: Geographie

Es ist fast zwanzig Jahre her, daß ich die ersten Berichte vom Ende der Zeit veröffentlichte. Damals waren es nur kurze Zusammenfassungen, die in Magazinen erschienen, die man heute nicht mehr kennt, und deren Verschwinden einen gnädigen Mantel des Vergessens über meine ersten Versuche breitet, die Erzählungen, die ich von verschiedenen Reisenden erhielt, die diese eher entlegene Epoche besucht hatten, in eine veröffentlichbare Form zu bringen. Sicherlich waren es auch die eher bruchstückhaften Informationen und meine eigene, noch nicht abgeschlossene Ausbildung in der Kunst der Chronolyse oder des Wanderns auf dem Zeitenstrom, die meine ersten Berichte hemmte. In dieser Hinsicht bin meinen zahlreichen Bekannten aus der Gilde der Zeitnomaden, besonders Oberst J.R.R. Contable, sehr dankbar, daß sie die Geduld mit mir nicht verloren, sondern mich in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit neuen Informationen über diese entlegene Ära versorgt haben.
Auch wenn es nach all den ungezählten Äonen schwierig erscheinen mag, die Geographie des Endes der Zeit mit der heutigen in Beziehung zu setzen, so gibt es doch einige Punkte, die sich in der wechselvollen Geschichte der menschlichen Rasse und dieser alten sterbenden Welt, die wir dereinst die Welt Arulls nennen werden, nur wenig verändern werden, und die uns einen Anhaltspunkt zur Geographie dieses vorletzten Zeitalters der Menschheit geben können.

Die Kontinente, die uns heute bekannt sind, unterliegen einer eigentümlichen Wanderungsbewegung, die sie an einem unbestimmten Zeitpunkt der Geschichte wieder zusammenbringen werden, so wie sie einst zur Zeit von Pangäa auseinandergedriftet sind: ein Widertreffen von Geschwistern, die sich seit Millionen Jahren nicht mehr gesehen haben.
Als Arull den Planeten eroberte und sein flammendes Banner im Mittelpunkt der Welt aufpflanzte, waren alle Kontinente bereits wiedervereint, und so konnte er seine vier Paladine zu den vier Polen der Welt schicken, um dort für ihn zu wachen: Asphodeklion von Mycene in den Westen, Agha Rhimel in den Süden, Yggr von Rusza in den Norden und Kalan Roshan in den Osten. Doch dies ist lange her, und die Lage der vier Zitadellen, die die vier Pole der Welt bewachen sollten, ist längst vergessen.
„Vier große Reiche herrschen über diese grauen Überreste einstiger Größe, jedes von ihnen selbst so alt, daß es die Ursprünge seiner Geschichte längst vergessen hat: Urupyen im fernen Westen mit seinen zerfallenen Städten und Straßen, das einst die Welt regierte; das barbarische Reich der Tigermenschen von Kung weit im Süden; Texé mit seinen Labyrinthen aus Stahl und Kupfer, die tief unter dem schwelenden Sand radioaktiver Wüsten verborgen liegen, fern im Osten, und Polaris hoch im Norden mit seinen vierundvierzig Kuppeltürmen, die unter den flatternden Bannern der Aurora borealis glühen wie geschliffene Diamanten“, so sagt die Saga, aber verschweigt viel der Historie der letzten Millionen.

ARULLU :: Westhalbkugel

URUPYEN ist das heutige Europa, eine der Wiegen der Kultur, zerfressen von der Geschichte von Zehntausend Kulturen, KUNG ist der südliche Teil des heutigen Afrikas, aber die Menschen, die dort leben, haben wenig mit uns zu tun. TEXÉ ist im Kern das historische Texas, aber es wird bewohnt von den hünenhaften Nachfahren der einstigen Kolonisten des Mars, die vor Äonen einen Krieg gegen die Wissenschaftsrepublik von Polaris führten, in dessen Verlauf der Kriegsplanet zerstört wurde. Die gesamte Ebene von TEXÉ ist radioaktiv verseucht, weswegen selbst zur Zeit Arulls die riesenhaften Nachkommen der Mars-Kolonisten sich in bleigepanzerten Bunkerstädten verbergen müssen. POLARIS ist der letzte Nachkomme der wissenschaftlichen Republiken der fernsten Vergangenheit (näher an unserer Zeit als alle anderen).
Neben diesen bedeutsamen und über Jahrtausende bestehenden Reichen gibt es noch weitere Staaten, die von Bedeutung für die Geschichten vom Ende der Zeit sind, und die man vage mit geographischen Begriffen aus unserer Zeit in Beziehung setzen kann. Einige von ihnen kann man schon durch den leicht entstellten, aber immer noch erkennbaren Namen wiedererkennen: So ist die RUSZA-ÖDE eine von Submenschen bewohnte subtundrische Landschaft zwischen dem ehemaligen Ural und dem heutigen China, was zur Zeit Arulls SINU genannt wird.
Daß sich durch klimatische Umstellungen und Polsprünge das Klima mehrfach geändert hat, muß nicht betont werden. Wahrscheinlich hat auch die Wissenschaft der ehemaligen Wissenschaftsrepubliken ihr übriges getan, um das Angesicht der Erde, wie wir sie nun kennen, anders zu gestalten, als es die Projektionen unserer Wissenschaften uns glauben machen. Dennoch bleiben gewiße Namen und Fundamente bestehen. Das öde Land SES-BR im Norden SINUS, und sein Nachbar im Osten, AL-SKYON, können wir ohne Schwierigkeiten als Sibirien und Alaska wiedererkennen. Da der Amerikanische und der Asiatische Kontinent inzwischen einander so nahe gerückt sind, daß sie nur noch durch zwei kleine Binnenmeere, das GELBE BINNENMEER und das HAIMEER getrennt sind, verwundert es nicht, daß die Begrenzungen dieser zwei Landstriche sich entscheidend geändert haben. SES-BR ist entgegen dem Sibirien unserer Zeit nur noch ein kleines Land im Norden SINUS, des heutigen Chinas, während die RUSZA-ÖDE den Rest seines historischen Gewichtes aufgefressen hat.
Doch auch der nordamerikanische Kontinent hat sich einigen Veränderungen unterwerfen müssen. Was zur Zeit die AMRIC-ÖDE heißt, wäre in unserer Zeit der Großteil Kanadas, während das anschließende Land GRUHEJM das heutige Grönland wäre. Die bedeutenden Staaten des heutigen Nordamerika sind außer dem Reich der Mars-Kolonisten, TEXÉ, MECH (Mexiko), FLORTH (Florida), CARPENS und KALAMBUM. Im Süden schließen sich die Kontinentalmassen an, die dem heutigen Australien (MUSGRAW) und Südamerika (SZAD) entsprechen.
Westlich von MUSGRAW, durch das Haimeer getrennt, befindet sich das heutige Indonesien (MILESIUM), an dessen Nordgrenze sich die ersten Erhebungen des AGHRHIMELIANISCHEN WELTENGEBIRGES erheben, die von hier bis an die Südgrenze von Urupyen führen. Dieses Gebirge entstand durch die Verschiebung (oder Veränderung) der Kontinentalplatten, wodurch die heutigen Pyrenäen, die Alpen, die iranische Hochebene und der Himalaya zu einer einzigen, durchgängigen Gebirgskette zusammenwuchsen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß ein Stamm genetischer Mutanten, die von den sagenumwobenen Kobalthexen abstammen, ihrem Land den Namen HIMELIEN gaben.

ARULLU :: Osthalbkugel

Betrachten wir die Namen des letzten Staaten dieser sterbenden Welt, so sehen wir teilweise das Weiterbestehen einer Wortgeschichte, die älter ist als die Völker, die die Länder bewohnen, die nach Menschen benannt sind, die bereits vor einer Million Jahren zu Staub und Asche vergangen sind. Aber dies ist das Mysterium des Menschen, daß Namen und Geschichten länger leben als Könige und Propheten, und die Erinnerung länger lebt als die Menschen, an die sie gedenken soll.

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