Dienstag, 31. Mai 2005

Fanboy :: Apokalypse des Style

Beim Betrachten der Kinoprogramme dieser Jahre drängt sich dem sehwilligen Zuschauer und vor allem dem unvoreingenommenen Leser die Frage auf, ob er bereits Zeuge des Untergangs einer Literaturgattung geworden ist. Ist das Medium Comics bereits dabei, zu zerbrechen? Sind wir alle unbewußte Mitgehilfen bei der Degeneration eines einst innovativen Mittels, Kunst und Unterhaltung zu kombinieren? Zuviele Produzenten bedienen sich auf dem großen Grabbeltisch der Ideen und Konzepte, Comics haben sich als billiger Rohstoff für publikumserprobte Optik herumgesprochen; das Medium selbst kränkelt, aber die Verlage leben gut davon, die Ideen ihrer Angestellten und freien Mitarbeiter zu Millionenbeträgen zu verschachern. Frisches Fleisch für Hollywood Babylon. Warum auch in eigene Ideen investieren? Der Superheld ist bereits eine Ikone der Neuzeit, eine 'lebende Legende', Teil der Mythologie des 20. und 21. Jahrhunderts. Wir haben sogar eigene Bildersprachen entwickelt, um sein Verhalten und seine Macht zu dekodieren.
In dem Boom von Comicverfilmungen, die von exzellent bis grottenschlecht rangieren, haben die eher okkulten oder magischen Charaktere bisher eher eine untergeordnete Rolle gespielt. Natürlich, irgendwann wird jemand auf die Idee kommen, Books of Magic zu verfilmen und darauf hinweisen, daß es pottereske Werke schon lange bevor Harry Potter gab. Bei der variablen Qualität solcher Werke weiß man nicht, ob man sich freuen oder schaudern soll. Es kommt natürlich darauf an, in wieweit die Produzenten den Charakter verstehen. Das, was ihn ausmacht. Sein Gimmick. Sein Mythos. Sein Wahnsinn.
Als Faustregel gilt: Je mehr von dem, was den Fan fasziniert, erhalten wird, desto eher kann auch der Kinogänger im Mythos aufgehen. Da ist es dann teilweise sogar recht entspannend, daß ein Film komprimieren, kürzen, entwirren muß, um aus der komplexen Kontinuität von Jahrzehnten einen sauberen Plot für 2 Stunden Kinozeit zu machen. Deswegen war X-Men 2 ein hervorragender Film, krisp und trotz anderer Zusammensetzung werkgetreu, und Catwoman eine fürchterliche Himbeere. (In beiden spielte die gleiche Schuaspielerin eine der Hauptrollen!) Selbst wenn Superheldinnen viel von der Optik von Pornostarlets an sich haben, so platt muß man die Zielvorlage denn doch nicht gestalten. Wham, blam, no thank you Ma'am.
Mit dem im Hinterkopf, und die Vorstellung einer sich halbnackt windenden Halle Berry ist auch noch eine, die schwer zu vertreiben ist, fällt die Beurteilung von Hellboy: The Movie schwer. Man merkt dem Film an, daß die Produzenten genau wußten, was für einen Wert das Material hat, das sie erworben haben. Man merkt die Dankbarkeit, mit der die von Mike Mignola entwickelte Optik von Hellboy, dem BPRD, den Okkultnazis, den Dämonen, der Apokalypse, bewahrt und umgesetzt wird. Und hier setzt vielleicht das erste Manko ein. Ein tendenzielles zuviel. Es gibt ein, zwei Stellen im Film, die die Handlung nicht weiterbringen und anscheinend keinen anderen Zweck haben, als noch eine weitere Mignola-Optik einzubauen. Unnötig. Der Fan weiß, daß sie aus einem anderen Zusammenhang stammen. Der Profane jedoch merkt, daß sich die Handlung verlangsamt.
Ein anderer Punkt, der ärgerlich aufstößt, selbst wenn man den Film genießt - und er ist kein schlechter, auch wenn es erschreckend ist, wie sehr der Hauptdarsteller Ron Perlman das Aussehen des Halbteufels mit Trenchcoat angenommen hat - ist der mangelnde Sexappeal. Es ist klar, daß man den Versuch unternehmen mußte, Hellboy menschlicher darzustellen. Trotz der Steinhand. trotz der Hufe. Immerhin, er wurde ja von Menschen aufgezogen. Aber einen Großteil des Filmes auf eine Liebesgeschichte zu verschwenden? Kann man sich wirklich vorstellen, wie dieser knurrige und lakonische Riese wie ein Spätpubertierender seiner großen Liebe hinterherschluchzt? Unwahrscheinlich. Und warum sollte ausgerechnet ein Halbteufel mit Hufen und abgesägten Hörnern Probleme haben, Frauen kennenzulernen? Politiker und Musikproduzenten paaren sich doch auch ungehemmt. Und es ist überliefert, daß Hellboy an guten Tagen riecht wie eine geröstete Erdnuß. Yum! Anscheinend verstehen die Produzenten drüben nicht sehr viel von Frauen. Aber so ist das eben, Hollywood Babylon.

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