Freitag, 29. September 2006

Der Art Director Witz

Training for the Archetype

Bam Meadstem White
MESSIANIC TENTACLE

virtuoso, how time fries now!
glossily suburbanized judas,
sitcom misnomer tearaway.
spiderflower of a thwarted fingerboard:
three-hitter gin, steerable jaywalk,
jiggle the three-way flaunty.


Bam Meadstem White
SITTING HERE

teenaged geometrician, stark raving,
but training for the archetype.
italian is the marker of a hijacking,
little unpriestly try-on.
downgraded by a metastatic menace,
monster blinded usa.


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Aus B.M. Whites Gedichtsammlung "Lyric Hexagram" (2001-2003)

Donnerstag, 28. September 2006

Herr der Pilzwälder



Zu den eher unbekannten Architekten der grossen Vision des kosmischen Schreckens, die wir wohlgemut den Cthulhu-Mythos nennen, gehört der heutzutage auch im deutschsprachigen Raum unverdientermassen in Vergessen geratene William Hope Hodgson (* 15. November 1877 - † 17. April 1918).

Es kostet viele heutzutage schon Überwindung, einzugestehen, dass der "Mythos" nicht allein von H.P. Lovecraft erschaffen wurde, sondern dass auch Ideen und Erzählungen von anderen, vor allem Clark Ashton Smith und Robert E. Howard die parallele Wirklichkeit geformt haben, in der das ausseriridische (und ausserkosmische) Grauen hinter der Schwelle lauert. Eine Vorstellung, die sich inzwischen sogar in breiten Kreisen der Esoterik grosser Beliebtheit erfreut.

Aber auch diese Pioniere erschufen nichts aus einem Vakuum heraus. H.P. Lovecraft war sich seiner Einflüsse und Vorbilder durchaus bewusst und verwies auch dementsprechend darauf. Natürlich bedeutet seine Verwendung von Namen und Ideen aus den Erzählungen z.B. von Arthur Machen und Algernon Blackwood, dass das Werk dieser Autoren eigentlich auch zum/in den Mythos gehört.

Nicht viel anders ergeht es dem Werk von W.H. Hodgson. Bereits hier finden wir die aus den Banden geratenen Pilzwälder und Wucherungen, die weite Teile der exotischen Landschaften von Clark Ashton Smith formen. In der Erzählung "Stimme in der Nacht" ist ein alles überwuchernder Pilz, der schliesslich sogar Menschen überfällt, eine Präfiguration der Deformierungen, die in Lovecrafts Klassiker "Die Farbe aus dem All" geschildert werden.

Und in der Erzählung "Die Crew der 'Lancing'" erscheint vielleicht zum ersten Mal die Art ausserirdischer/ausserkosmischer Anatomie, die Lovecraft in seinen späteren Werken so eindrucksvoll zu schildern wusste. Nur sind es hier Wesen, die ein seit langer Zeit über die Meere treibendes Schiff besetzt halten - Wesen, über deren wahre Natur man auch nach mehrmaliger Lektüre ihrer Schilderung nur rätseln kann:

"Nichts ähnelte ihnen so sehr wie Menschen. Ihre Körper hatten die gestalt von Seehunden, aber von einer toten, ungesunden weissen Farbe. Der untere Teil endete in einer Art zweifach geschwungenem Schwanz, auf dem sie zwei lange, schneckenartige Fühler hatten, an deren enden eine sehr menschenähnliche Hand mit Krallen statt Fingernägeln saß - schreckerregende Parodien von Menschen." (Die Crew der 'Lancing', in: W.H.Hodgson, Stimme in der Nacht, st 2706, ISBN 3-518-39209-3)

Mittwoch, 27. September 2006

Die Kröten tanzen! (4)

Der Ort: Die Wildnis nördlich der Großen Bunkerstädte
Die Zeit: Irgendwann im 3. Jahrtausend

Die Morgensonne schien unbeteiligt auf die beiden Männer herab. Die Gipfel der nahen Pilzwälder waren von einem feinen Morgennebel verhangen, aber in der Stille erklangen keine schrillen Stimmen mehr. Peklyntok verband seine Wunden und musterte seinen Gefangenen abwartend, der zur Sonne blickte und versuchte, hinter den Pilzwäldern die Silhouette der Bunker zu entdecken. Sein schwarzes Haar flatterte träge um sein Gesicht, das dank der Krallen der Kröten nun nicht mehr so blaß war. „Für einen Moment haben wir Sehnsucht und Entsetzen vertrieben“, sagte Peklyntok. „Aber dieses Dilemma, wenn es überhaupt ein Dilemma ist und nicht bloß eine Art moralischer Magenverstimmung, kann nur dort behoben werden, wo es seinen Ursprung hat.“

Der Gefangene rieb sich die Hände. „Albern genug fühle ich mich jetzt besser als die ganze Zeit vorher. Ich fühle mich wacher und aufmerksamer, vielleicht bin ich auch bloß aus einem Schlaf aufgewacht.“

„Das liegt wohl daran, daß ich Dir die Fesseln abgenommen habe.“

„Hättest Du es nicht, wärst Du wohl kaum hier.“

„Ein guter Handel, das gebe ich zu. Aber Du hättest mich nicht in den Sattel zerren brauchen. Wer sagt, daß ich mich jetzt dafür erkenntlich zeigen würde? Ich bin zu nichts verpflichtet:“

„Niemand ist zu etwas verpflichtet. Ich hab's gemacht, weil ich es für richtig hielt.“

„Glaube nicht, daß ich Dir nicht dankbar bin“, sagte Peklyntok und musterte das Gesicht des Gefangenen, „Was mich angeht, war es richtig. Verwunderlich, was geschieht, wenn man handelt, ohne zu denken, oder wie immer es auch nennen mag. Aber warum traust Du Dir nur bei so kleinen Dingen?“

„Hier ging es nur um Leben und Tod, Mann. Das andere... das bedeutet ewige Verdammnis... Das Schlimme ist, das ich die Bedrückung immer noch nicht los bin. Selbst wenn ich in die Stadt zurückkehren würde und sie nie wieder sehen würde, wäre da immer noch dieses Gefühl des Versagens, und darin erinnert mich jede Straße in der Stadt. Man glaubt alle Straßen zu kennen, selbst an dem Ort, an dem man geboren wird, aber kaum lernt man jemand anderen kennen, der sein Lebtag andere Wege beschritten hat, erweitert sich plötzlich der Blickwinkel, und man starrt auf Wege und Verbindungen, die man vorher noch nie gesehen hat. Und in die angenehme Überraschung, das sanfte Brennen, das man dabei verspürt, mischt sich immer auch ein winziges Quentchen Unbehagen, weil man in eine Welt eintritt, die nicht die eigene ist. Ich frage mich, ob es nur eine Angst vor Veränderungen ist, die daraus spricht, oder mehr...“

„Du weißt, das Du keine Angst vor Veränderungen hast, denn sonst wärest Du nicht so zufrieden, armselig und allein über irgendeine gottverlassene Weide am Ende der Welt zu wandern, fernab aller Bunkerstädte, fernab von Elektrizität, Licht, Wärme und menschlicher Zivilisation. Was auch immer Dich Dein Leben lang in den Katakomben gehalten hat, es war bestimmt nicht der Beton der Wände oder das summen der Laufbänder oder die Musik der Singenden Gärten. All das gibt es hier draußen nicht. Hier gibt es nur kompliziertere Vergnügungen wie Leben und Tod und den Tanz der Kröten.“

„Diese Tänze habe ich schon oft gesehen“, sagte der Gefangene bitter. „Und diese Tänzer sind mir nicht fremd. Nur tragen sie sonst längere Haare und andere Kleider. Aber sie sind immer auf Blut aus, aber meist auf das eigene.“

„Ich glaube, die Schwerkraft versagt bei Dir“, sagte Peklyntok und setzte sich schmerzlich auf. „Was fesselt derartig Deine Gedanken?“

„Ich fürchte, kein bestimmtes Thema. Nur kann ich mich nicht damit abfinden, mich mit nichts abzufinden, wenn da etwas anderes sein könnte. Ich habe oft genug die Gesichter der Clowns gesehen, wenn sie ihre Possen rissen, und den Ausdruck in den Augen der Bettler, wenn sie wieder hungrig die Straßen entlangstrichen. Ich will mich nicht mit Hoffnungslosigkeit abfinden, und wenn es mich umbringt, mich davon freizumachen. Davonlaufen, meinetwegen, aber immer noch eine Möglichkeit haben.“

„Ich kann Dich nicht laufen lassen, das ist keine Möglichkeit, nur noch größere Hoffnungslosigkeit. Hoffnungslosigkeit spricht daraus, daß Du überhaupt so denkst. Wohin Du auch fliehst, irgend jemand wie ich wird immer da sein, der Dich aufhält, jede Straße hat irgendwo ihr Ende. Keine Flucht dauert ewig, Du mußt Dich schon stellen. Ich werde allmählich der Worte müde.“

„Ich würde lieber ein rollender Stein sein als eine Stütze der Gesellschaft.“

„Dann wärst Du nur ein kleiner Unbekannter, genauso ohne Hoffnung wie alle anderen.“

„Ich brauche keine Hoffnung, das ist dasselbe wie Furcht auf der anderen Seite. Ich brauche nur eine Alternative.“

„Was für eine Alternative? Zu Dir selbst hast Du keine.“

„Das glauben nur die Alten. Und vielleicht die Clowns, die nachts weinen, weil ihre Schminke längst in ihre Haut übergegangen ist.“ Der Gefangene lachte und wischte sich hastig über die Augen. Seine Stimme war nun selbst ein wenig schrill geworden. er wußte sehr gut, was das bedeutete.

„Und ich habe immer noch mein Messer und die andere Leine“, sagte Peklyntok. Er verschränkte die Arme vor seiner Mantelbrust. „Wie schnell Du auch rennst, ich kriege Dich. Und wenn nicht ich, dann ein anderer.“

„Nicht, wenn ich das Pferd nehme.“

„Dann dauert es vielleicht länger...“

„Aber ich hätte die Zeit, mir darüber klar zu werden..“

„Verdammt, Mann!“, schrie Peklyntok, „Wovor rennst Du eigentlich davon? Weißt Du das überhaupt?“

„Vor allem, was mich einfangen und in Fesseln dorthin zurückschleppen will, woher ich komme“, sagte der Gefangene ernst, und seine Lippen zitterten ein wenig.

Peklyntok seufzte, halb aus Schmerz und halb aus Resignation.

„Sieh es doch einmal so: Wenn sie jemanden wie mich hinter Dir herschickt, um Dich aufzuhalten, dann bedeutest Du ihr doch irgend etwas, oder? Und wenn es nur der kleine Flecken Mißvergnügen ist, den man braucht, damit das Leben nicht zu unerträglich eintönig ist.“

„Liebe und Haß, eh? Das alte Spiel scheint nie zu Ende zu sein.“

„Es gibt immer neue Spieler“, sagte Peklyntok weise. „Wir reiten abwechselnd, abgemacht?“

„Abgemacht:“

Sie schüttelten sich die Hände.

Dienstag, 26. September 2006

Sekundäre Schöpfungen (1)

Wenn man keine Arbeit hat, dann macht man sich welche. Und ein unruhiger Geist wie meiner steht selten still - ein rollender Stein setzt schliesslich kein Moos an. (Weitere Klischees bitte entsprechend einfügen...)

Während des 1. NordlandThinges war ich nicht die ganze Zeit damit beschäftigt, die Freuden des Methrausches an die Uneingeweihten zu vermitteln oder über die Relevanz von Mammuts im 21. Jahrhundert zu philosophieren, sondern hatte zwischen den einzelnen Sturmböen und Regengüssen mehr als genug Gelegenheit, mich zu unterhalten und Menschen kenenzulernen. (Man trifft heutzutage ja nur noch selten welche...)

In einem Gespräch mit den Betreibern der Internet-Community My Lands hatte ich spontan zugesagt, zusammen mit einem Kollegen eine Literatur-Community zu organisieren. Ein bischen Unterhaltung... ein bisschen ernsthaftes... vielleicht ein paar Klassiker... achja, und natürlich ein Fortsetzungsroman, der eigens für die Seite geschrieben wird und von dem pro Monat ein Kapitel erscheinen soll. Sowas wollte ich schon lange mal wieder machen. Übermütig wie ich bin, fragte ich sogar noch nach, welches Genre man den bevorzugen würde.

"Tja", sagten die guten Leute, "Ich glaube, die Leute lesen am liebsten Krimis..."

Auftritt vor meinem Inneren Auge: Humphrey Bogart in "The Deep Sleep". Abschätzend mustert er mich und zündet sich herausfordernd langsam eine Zigarette an.

"Kein Ding", sage ich.

Im Sanctum :: Wild Weird Web

Internet ist toll. Man findet wirklich zu allem Informationen, vor allem zu Sachen, die man gar nicht gesucht hat. Ein Link zu viel, ein Buchstabendreher in der Suchmaschine, und schon steht man vor einer quietschebunten Website und bewundert 40jährigen letten, die sich in Lazytown-Kostümen gegenseitig mit Sahnetorten bewerfen.

Ein weiteres Beispiel für Schrödingers' Fetisch-Theorie: Die Quantenphysik sorgt dafür, dass jede Art von Fetisch, die man sich ausdenken kann, sofort in Realität umgesetzt wird.)

Eine kleine Sammlung aus THE SANCTUM:

Montag, 25. September 2006

Die Kröten tanzen! (3)

Der Ort: Die Wildnis nördlich der Großen Bunkerstädte
Die Zeit: Irgendwann im 3. Jahrtausend

Der süße, leicht faulige Geruch der großen Pilzbäume trieb in der nächtlichen Brise, schon lange bevor die Wipfel der nördlichen Pilzwälder unter dem Mond sichtbar waren.

„Es war keine Flucht, es war eine Reise“, sagte der Gefangene.

„Es war eine Flucht.“

„Vielleicht. Vielleicht wollte ich auch einfach nur fort. Allein sein, und auf meinem Pferd stundenlang über die leeren Ebenen reiten; unter dem Mond die riesigen Pilze sehen, die wie Krebsgeschwüre an den Bergen emporwuchern; allein sein, fern der Stadt mit ihren tausend Stimmen und dem Geruch feuchter Pflastersteine, weg von allem, weg von Gedanken und Erinnerungen und den Erinnerungen der Erinnerungen, weg von all den Zeichen, die ich an die Häuser entlang der alten Straße gemalt habe, fort von ihr und stattdessen allein mit dem Mond und dem toten Stein der Berge. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen.“

Peklyntok grunzte und nickte schwer. „Ja, das verstehe ich.“ Er musterte den Horizont. Ein befriedigter Ausdruck trat auf seine Züge, als er den ersten rosigen Schimmer bemerkte, der am östlichen Horizont das Violett der Nacht vertrieb. Es war auf jeden Fall besser, mit Tageslicht durch die Pilzwälder zu reisen.

„Wie hast Du damals über sie gedacht?“

„Oft.“

„Nein, wie.“

„Bevor ich mich mit ihr traf, freute ich mich darauf, ja, ich schwelgte so sehr in Erwartung und Vorfreude, daß die ersten Stunden bei ihr immer von einem rosigen Schleier getrübt waren - nein, das stimmt nicht einmal, vielleicht manchmal, aber meistens doch nicht. Ich war einfach gerne bei ihr, und ich hätte es gerne gehabt, daß da mehr wäre.“

„Aber da war nicht mehr?“

„Ich weiß nicht.“

„Du weißt nicht?“

„Ich weiß nicht.“

„Das ist verwunderlich.“

„Nicht verwunderlicher als alles andere, was uns beide umgab. Wenn wir in den Singenden Gärten spazierengingen, hatte ich das Gefühl, als ob sie sich wohl bei mir fühlte, und als ob uns etwas verbünde, aber wenn ich allein zurückkehrte, fühlte ich nichts.“

„Dann scheint mir das Dilemma tatsächlich auf einer persönlichen Fehlfunktion zu beruhen.“

„Bei mir nicht mehr als bei mir, glaube ich jedenfalls. Der Gott, der uns beide zusammenbrachte, muß ein grausamer Hund gewesen sein.“

„Weil es anders war?“

„Anders als was?“

„Anders als alles, was Du erwartest hast?“

„Vielleicht. Es macht mich nicht froh. Dumm, soetwas, zu sagen, oder? Aber ich kann nicht die ganze Zeit gescheit daherreden, wenn ich selber nicht genau weiß, was es eigentlich zu bereden gibt. Das einzige, was ich mit Bestimmtheit weiß, sind diese Momente der Enttäuschung. Manchmal möchte man einfach mit dem Kopf gegen die Wand schlagen, um die Grenzen des Schmerzes zu finden, aber dann ist es meistens schon zu spät. Ich weiß noch genau, was ich dachte, als ich mit ihr das erste Mal in den Singenden Gärten war. Zuerst haben wir uns nicht sehen wollen oder können. Immer hieß es, man könnte, oder man sollte, aber wir haben es immer verschoben - ich habe es verschoben, oder wer auch immer, aber an diesem Abend überlegte ich nicht lange, warf alles hin und folgte ihr. sie war verändert an diesem Abend, offen und irgendwie erwartungsvoll, genauso wie ich. Oder stimmt das nicht? Wahrscheinlich erwartete sie etwas ganz anderes als ich. Rätsel über Rätsel. Den ganzen Abend folgte ich ihr, ermutigte sie, hörte ihr zu, ich weiß genau, daß ich bestimmt nicht zu eifrig war oder aufdringlich, aber vielleicht war genau dies das Problem, vielleicht habe ich einfach den richtigen Zeitpunkt verpaßt.“

Peklyntok lachte. Sein breites grausames Gesicht verzog sich voll fürchterlicher Fröhlichkeit. „Wie mir scheint ist Dein Problem eher eine Unfähigkeit, der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen. Was sind die Fakten, und wie hast Du sie Dir dargestellt? Es ist doch so, daß faktisch zwischen Dir und ihr nur eine recht gewöhnliche und platonische Freundschaft bestand, keine Leidenschaft, nicht einmal eine Liebelei. Ihr kanntet euch, und das war es. Du aber sahst darin bereits soetwas wie eine Verlobung, und Du konntest es weder Dir noch ihr verzeihen, daß diese Verlobung nie vollzogen wurde. Du hättest sie einfach fragen können.“

„Pure Wahrheit funktionierte nicht. Das hätte ich nie gewagt.“

„Nur wenige wagen 'pure Wahrheit'.“

„Ich bezweifle, daß sie soetwas direkt ins Auge gesehen hätte.“

„Die Möglichkeit besteht, wenn sich diese Wahrheit nicht als zu brutal herausstellt. Sie hätte sie bestimmt nicht erniedrigt.“

„Aber mich.“

„Eine Möglichkeit.“

„Ja, aber solche Möglichkeiten sind schrecklicher als Gewißheit. Gewißheit zwingt zum Handeln. Soetwas... lähmt. Ich habe immer an anderes gedacht, wenn ich mit ihr in den Singenden Gärten tanzte, zwischen all den Tänzern mit ihren verfilzten Haaren, berauscht von Soma. Die tanzten jeder für sich selbst, mancher schon tot im Kopf. Ich konnte darin nichts schönes sehen, nein, wie auch. Ich dachte an romantischere Dinge, wenn ich sie vor den Neonfackeln tanzen sah. Liebe, ja, oder Aufruhr, egal, was, wenn es nur stark war. Nicht die Gleichgültigkeit oder Farblosigkeit dieser Stadt.“

„Das ist eine Frage des Blickwinkels“, sagte Peklyntok und schaute sich um, „Ich war schon in vielen Bunkerstädten, und in jeder gab es etwas zu entdecken. Die Singenden Gärten sind nicht die uninteressantesten Sehenswürdigkeiten hier im Norden. Viele würden vieles geben, sie einmal ansehen zu dürfen, und Du hast sie jeden Abend haben können, ob nun allein oder mit ihr zusammen.“

„Was andere wünschen muß ja nicht unbedingt mir gefallen, oder? Mir haben diese Stunden, in denen ich allein in den Bergen war, tausendmal besser gewesen als all die Stunden in den Katakomben der Singenden Gärten, die Neonfackeln, die Tänzer und die Knochenmusik.“

„Als ich ein Kind war, bin ich aus eben diesen Bergen geflohen...“

„Wegen der Kröten und den Pilzwäldern...?“

„Wegen der Langeweile...“

„Ja, genau so fühle ich mich auch. Wenn ich allein bin, fühle ich mich viel wohler, auf den Bergwegen, mit dem Pferd, habe ich viel mehr Frieden gespürt als in der Stadt. Ich mußte einfach raus dort. etwas anderes sehen, egal was, etwas anderes, schrecklich oder schön, solange es nur die Erinnerungen in meinem Kopf zum Schweigen brachte.“

Peklyntok wischte sich mit dem Handschuh über den Mund. „Vielleicht erhören die Götter Deinen Stoßseufzer, mein Freund“, sagte er und lockerte den Knoten der Leine, mit der sein Gefangener an den Sattelknauf gebunden war.

„Was meinst Du?“

„Die Kröten tanzen, und es ist noch nicht Morgengrauen.“

Der Gefangene hob den Kopf und sah endlich auch, was sein Bewacher bemerkt hatte. Vor ihnen zwischen den blassen Pilzbäumen schlichen schattenhafte, bucklige Gestalten. Wieder erklang der schwirrende Gesang. War es ein Gesang? Oder nur ein Laut der Vorfreude, oder des Hasses, was vielleicht das selbe war?

Das Pferd schnaubte nervös. Der Gefangene sah zur Seite. Die Spitzen des Büffelgrases bewegten sich an einigen Stellen nicht mit dem Wind.

„Ich sehe sie auch“, sagte Peklyntok. „Große graue Burschen... sie umschleichen uns. Hier kommen wir nicht mehr weg, sie werden versuchen, uns noch vor Morgengrauen zur Strecke zu bringen. Die sind auf Blut aus.“

Der Gefangene schwieg. Er hatte bereits die Geschichten vom großen grauen Steinhaus der Kröten gehört, und was man dort mit Männern zu machen pflegte.

Peklyntok warf die gelöste Leine nach hinten. „Mach Dich los“, sagte er und zog ein Messer aus dem linken Stiefel, „ich muß an mich selbst denken.“ Er warf dem Gefangenen das Messer zu und griff in seine Satteltaschen. „Und falls wir hier herauskommen, werden wir beide noch einmal über diese Geschichte reden.“

„Versprochen“, sagte sein Gefangener und trennte die Fesseln auf. Vorsichtig massierte er sich die Handgelenke und sah mißtrauisch zur Seite. Peklyntok hatte inzwischen eine Armbrust aus seiner Satteltasche gezogen und sie vorsichtig gespannt. Das Pferd schnaubte erneut, lauter jetzt. Im Büffelgras raschelte es.

Der Gesang der Kröten erklang erneut. Ganz nah jetzt. Das harte Schlagen der Armbrustsehne ging in einem schrillen Schrei unter. Im gleichen Augenblick stolperte eine graue, bucklige Gestalt aus dem blauen Gras, knurrte und fiel dem Gefangenen vor die Füße. Er sah noch einen Augenblick große hervortretende gelbe Augen vor sich und einen Armbrustbolzen, der aus einem grotesk breiten Maul ragte, dann prallten graue, singende Körper gegen ihn und er ging zu Boden. Wieder knallte die Armbrust, dann verschwamm alles hinter singenden Froschmündern und kalten Händen mit Schwimmhäuten, die über sein Gesicht fuhren und versuchten, ihm den Mund zuzuhalten.

Er schlug um sich. Klamme Haut gab unter Metall nach, und er spürte die Umklammerung an einer Seite nachgeben. Plötzlich war er wieder auf den Beinen, halb kniend, und mit einem wütenden Schrei stieß er das Messer einer hochaufragenden grauen Gestalt mitten ins Herz. Im gleichen Moment versuchte ihn etwas von hinten am Hals zu packen, aber er duckte sich, trat um sich und hechtete sich nach vorne.

Er war schon auf den Beinen, bevor sie bei ihm waren. Es waren nur grob menschenähnliche Gestalten, ihre Augen mit winzigen schlitzförmigen Pupillen, aber unter ihrer warzigen grauen Haut bewegten sich kräftige Muskeln. Sie waren sicher keine wirkliche Kröten, aber das lange Leben unter den Pilzen mit all ihren Giften und Düften hatte sie so völlig entfremdet, daß sie den Unterschied kaum noch kennen würden.

Der Gefangene wich einer grotesken Hand aus und stach in den drahtigen Arm. Hinter ihm ging soeben das Pferd mit einem schrillen Wiehern zu Boden, und eine graue, schnatternde Horde schwärmte über Peklyntok, der sich verzweifelt im Knien mit seinem Messer zur Wehr setzte. Der Gefangene schlug die Faust der ihm nächst stehenden Kröte die Faust zwischen die Augen, daß die Knochen darunter nachgaben und stieß sie beiseite. Hastig bückte er sich nach der herrenlos am Boden liegenden Armbrust und erschoß eine Kröte, die Peklyntok würgte, von hinten durch den Kopf.

„Das Pferd!“, rief Peklyntok, aber der Gefangene hatte schon in die Zügel gefaßt und das panisch mit den Augen rollende Pferd hochgerissen. Mit einem Fluch zerschmetterte er die Armbrust auf dem Schädel einer Kröte und sprang in den Sattel. Die Kröten stimmten erneut ihren Gesang an und griffen nach ihm, aber er ließ das Pferd auf die Hinterläufe steigen und drängte es direkt in die singende Menge. Das Geräusch knirschender Knochen unterbrach den Gesang, als die metallbeschlagenen Hufe herabsausten. Noch bevor die Kröten sich wieder besinnen konnten, hatte der Gefangene sich weit aus dem Sattel gebeugt, Peklyntok am ausgestreckten Arm ergriffen und zerrte ihn zu sich empor. Mit einem Schrei gab er dem Pferd die Sporen, und das Tier brach durch die Reihen der Kröten und hetzte durch das blaue Gras der Morgendämmerung entgegen.

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Der "verschollene" Kirby

"Even ancients pondered problem that still plagues man today"
Vor einiger Zeit kündigte der Marvel Redakteur Tom Brevoort an, eine „verschollene“ Geschichte aus der unübertroffen Lee/Kirby-Reihe der „Fantastic Four“ wiederherzustellen. Eine verschollene Geschichte? Ein kurzer Blick versetzte mich schmerzfrei in meine Kindertage zurück, denn tatsächlich konnte ich mich an die Geschichte gut erinnern, als es in der Williams-Ausgabe der Fantastischen Vier veröffentlicht wurde.

Ein Teil des Heftes war von Kirby gezeichnet, obwohl John Buscema ihn schon längst als regulären Zeichner ersetzt hatte, und die Geschichte wirkte in sich rätselhaft abgeschnitten und zusammengestoppelt. Wie man heute weiss, sollte die Geschichte ursprünglich wahrscheinlich in FF No. 102 erscheinen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beziehungen zwischen Lee und Kirby an einem Tiefpunkt angekommen. Anscheinend gingen die Visionen des Texters und des Zeichners bei dieser Geschichte in diametralen Richtungen auseinander, weswegen Lee, der ja auch Herausgeber der ganzen Marvel-Linie war, die gesamte Geschichte archivierte und in einer späteren Ausgabe (No. 108) grössere Teile davon als ausgedehnte Rückblende benutzte, um wenigstens noch etwas aus dem Material zu machen.

Mir scheint, dass der Titel in den Bleistiftzeichnungen (soweit man es erkennen kann) von Kirby „The Menace of the Mega-Men“ zu sein scheint. Alliterativ und beunruhigend, sicher – ich erinnere mich aber daran, dass der Name des Gegners in dem veröffentlichten Heft der „Nega-Man“ war, was ihn irgendwie mit der surrealen Paralleldimension der „Negativzone“ verband, die die FF schon früh in ihrer Laufbahn entdeckten, eine Art Antimaterieuniversum, das Kirby gute gelengehit bot, einige seiner surrealen Hintergrundcollagen zu fertigen.

In der 9. Ausgabe des Jack Kirby Collector war bereits auf diese „verschollenen“ (oder unterdrückten?) Seiten hingeweisen worden. Eine neue und respektvollere Umsetzung der Bleistiftzeichnungen – die Wiederherstellung des verschollenen Kapitels aus einer der längsten von einem unveränderten Team geschaffenen Comicreihe – soll im Laufe der nächsten Zeit umgesetzt werden. Hierbei wird Jack Kirby (im Gegensatz zu früher) die regulären Tantiemen für seine Arbeit gezahlt, als ob er noch am Leben wäre (d.h. seinen Erben.) Eine sicherlich begrüssenswerte, aber dennoch von einem faden Beigeschmack belastete Geste des sog. „Hauses der Ideen“.

Es ist schon fast tragisch, aber dies ist wahrscheinlich das meiste Geld, das Kirby jemals für die Bleistiftzeichnungen für ein Marvel-Heft verdient hat.

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Mir ist bewusst, dass diese Nachricht nicht mehr die neueste ist, aber ich hatte den Text während meiner letzten Kreativpause geschrieben und dann in einem Ordner abgeheftet, in den ich erst heute wieder reingeschaut habe. Verklagt mich doch.

Sonntag, 24. September 2006

Die Kröten tanzen! (2)

Der Ort: Die Wildnis nördlich der Großen Bunkerstädte
Die Zeit: Irgendwann im 3. Jahrtausend

Der Mond hing bleich und aufgequollen wie schwerelos in einem blaßvioletten Himmel. Hüfthohes, türkisblaues Büffelgras schwang sacht im Mondlicht. Die stapfenden Hufe des Pferdes und die stolpernden Stiefel des Gefangenen machten kaum Geräusche, der feuchte, dunkle Boden dämpfte jeden Laut, den die Hufe machten.

Peklyntok fühlte sich nur leicht abgelenkt von dem Gerede seines Gefangenen. Tatsächlich genoß er seine leise Stimme; ihr stetiges auf und Ab half ihm, sich auf die Eintönigkeit der Landschaft zu konzentrieren.

„Sie hat mir nicht viel bedeutet, als ich sie das erste Mal sah. Ich dachte damals an andere, ich gebe es zu, und das muß ja auch nicht schlimm sein. Ich habe gerne zugesehen, wie die anderen tanzten, und wahrscheinlich hat sie mir dabei zugesehen, wie ich tanzte. Ich mochte sie, das ist wahr, aber etwas für sie empfunden habe ich erst viel später. ich weiß nicht, vielleicht hat sie auch eher etwas für mich empfunden, und ich habe mich davon anstecken lasen, ja, Liebe ist vielleicht so etwas wie eine Grippe, eine leichte Krankheit, ein Fiebern, das schlimmer wird oder nach drei Tagen verschwunden ist.“

„Dafür würden viele etwas geben“, sagte Peklyntok nachdenklich, so als ob er sich an etwas erinnern würde. Sein Gefangener fluchte. „Wunderbar“, höhnte er, „Wundfieber und Tollwut! Das ist es! Was bist Du nur für ein Mann, daß Du entsprungene Liebhaber einfängst wie davongelaufene Fohlen!“

„Sie hat sich damals wirklich um Dich bemüht. Sie hat überall nach Dir gesucht. Hat Dir das nicht gefallen?“

„Was bedeutet soetwas schon? Woher soll ich wissen, ob es Leidenschaft war oder Langeweile, was uns verband?“ Der Gefangene zog an seinen Fesseln, aber es war eine eher schwache Geste.

„Weißt Du das wirklich nicht?“

„Ich bin mißtrauisch geworden in den letzten Jahren. Vielleicht ist es wirklich so etwas wie Angst, aber ich konnte es mir nicht erlauben, schon wieder in ein offenes Messer zu rennen. Ich habe nicht darauf geachtet. Vielleicht hatte ich damals auch nur Augen für andere.“

„Man kann leicht etwas verpassen, wenn man nur auf das Offensichtliche achtet.“

„Offensichtlich? Es war nie offensichtlich.“

„Dir gefällt das Wort nicht?“

„Mir gefällt gar nichts an allem. Als ich mir dann endlich erlaubte, interessiert zu sein - verdammt, als ich anfing, sie mit anderen Augen zu sehen, und Tag für Tag mehr in ihr entdeckte, so wie man in einem Gemälde mehr sieht, je länger man es betrachtet, desto mehr vergaß ich meine Vorsicht. Was ist das?“

Ein helles, schwirrendes Geräusch lag in der Luft, schwoll noch einen Moment lang an und war dann verstummt. Peklyntok hob die gepanzerte Faust und deutete zum Mond hoch. „Die Kröten singen bei Vollmond. Heute nacht kannst Du sie tanzen sehen, wenn Du Pech hast.“

Sein Gefangener schüttelte den Kopf.

„In dieser gottverlassenen Gegend will ich bestimmt nicht bleiben.“ Er lief weiter hinter dem Pferd her.

„Das war also die Zeit, als Du begannst, Dich mit ihr zu treffen...“, nahm Peklyntok den Gesprächsfaden wieder auf.

„Treffen? Ja, vielleicht. Und doch nicht so, wie man es erwartet hätte. Ich weiß, daß viele andere schneller vorgingen, glatter, aber bei mir und ihr schien es etwas ganz anderes zu sein, wie ein Maskenball, bei dem alle hinter ihren Dominos grinsend ohne Geschwindigkeit und ohne Schwere über das Parkett schweben. So umschwebten wir uns auch. Je mehr ich gab, je mehr ich Vorsicht und Zweifel vergaß, desto mehr schien sie mir zu antworten, aber wenn ich wieder allein war, war ich wirklich allein. Nichts blieb.“

„Es scheint, als ob Du ein Dilemma zwischen Deiner Erwartung und der Erfüllung hättest.“

„Das scheint so“, sagte der Gefangene. „Aber ist das nicht normal?“

„Es gibt nichts Normales in solchen Fällen“, sagte Peklyntok, „Ich habe Männer weinen sehen aus Liebe und lachen sehen aus Unglück. Glück ist ein höchst subjektiver Zustand.“

„Ich habe noch keinen gekannt, der 'Glück' definieren konnte.“

„Ja, das meine ich. Genau wie Liebe...“

Der Gefangene wischte sich mit den gebundenen Händen über seine schweißfeuchte Stirn. Ihm war deutlich anzusehen, wie unangenehm ihm die ganze Unterhaltung langsam geworden war. „Das ist auch nur so ein Wort“, sagte er schließlich, „Ich meine, woher soll man wissen, ob man überhaupt mit Liebe zu tun hat? Wer kann das definieren? Wieviel Verliebtheit sind gleich einer Liebe? Kann man soetwas wiegen, teilen, weitergeben?“

„Wenn man darüber nachdenkt... nachdenken muß... nein.“

„Ich meine, wenn ich mit ihr unterwegs war - in den Singenden Gärten oder sonstwo - dann gingen wir sehr nahe beieinander, fast so, als ob wir zusammen gehören würden, aber das war vielleicht nur für jemand Außenstehenden so -was weiß ich, was sie dabei gedacht oder gespürt hat? Und alle unsere Unterhaltungen, was haben die wirklich bedeutet - hinter den Worten und Gesten? Was denken Menschen wirklich?“

„Menschen denken nicht. Sie reagieren.“

„Ich denke schon. Manchmal, wenn...“

„Das ist kein Denken. Das ist nur eine Art inneres Reden mit sich selbst. Ein Monolog. Und weil der Mensch die Sprache erfunden hat, glaubt er, seine Rede hat eine Form außerhalb seiner selbst. Alles ganz natürliche Reaktionen.“

„Ich glaube nicht, daß ich es mit Gefühlen zu tun habe.“

„Ist es denn ein philosophisches Dilemma?“

„Es ist eine Krankheit.“

„Die Dunkelheit der Seele?“

„Ich will keine Floskeln. Ich will nur raus hier.“

„Ich verstehe!“, rief Peklyntok, „Du hast es nach all dieser Zeit immer noch nicht geschafft, bei ihr zu landen, und Du weißt auch nicht, ob es Dir jemals gelingen wird, und deshalb willst Du weg!“

Der Gefangene fluchte.

Zu Kapitel 3 >>

Samstag, 23. September 2006

Heil Eris!

Wie bereits die Allwissende Müllhalde gemeldet hat, gibt es seit einiger Zeit wiederum einen schon längst fälligen Paradigmenstreit in der astronomischen Nomenklatur. Dies ist vor allem auch eine Folge der Entdeckung immer neuer planetenartiger Körper innerhalb der transsaturnischen Sphäre des Sonnensystemes (Quoar, Sedna etc.)

Was ist ein Planet, ist die Grundfrage, und aus der ebenfalls mehr als überfälligen Erkenntnis, dass "Pluto" wenig Übereinstimmungen mit der klassischen Vorstellung, was ein Planet ist, aufweist, kristallisiert sich nunmehr ein Konzept von "Kleinplaneten" oder sogenannten "Plutonen" heraus. Welch ein Hin und Her! Welch eine Zwietracht! Wie naheliegend also, der griechischen Göttin der Zwiertracht zu huldigen!

Am 13. September 2006 wurde dem Kleinplaneten Nr. 136199 (entdeckt als UB313, umgangssprachlich bislang "Xena" genannt - ja, tatsächlich nach der lesbischen Kriegerprinzessin aus der gleichnamigen Fernsehserie) der Name ERIS verliehen.

Heil Eris! Ewig Heil Diskordia!

Nach verschiedenen Quellen soll der Name die Kontroverse widerspiegeln, die nach seiner Entdeckung schließlich zur Neudefinition des Begriffs "Planet" und der Aberkennung des Planetenstatus von Pluto führte. Er wird wohl kaum einem goldenen Apfel ähneln, sondern ist eine Mischung aus 70% Gestein und 30% Eis, schön methanhaltig, so dass die transyuggothischen Monstren sich dort heimisch fühlen werden. Er hat sogar einen Mond, Dysnomia, (eine Tochter der Eris und Dämon der Gesetzlosigkeit). Glücklicherweise hat man ihn vom ursprünglichen "Gabrielle" umgetauft.

ursprünglicher Post im Sanctum

Freitag, 22. September 2006

Die Kröten tanzen! (1)

Der Ort: Die Wildnis nördlich der Großen Bunkerstädte
Die Zeit: Irgendwann im 3. Jahrtausend

Die Beute hatte schon seit einiger Zeit zu kreischen aufgehört und war in ein dumpfes Brüten verfallen. Stumm stolperte sie hinter dem Pferd hinterher, an dessen Sattelknauf sie festgebunden war. Im Westen, schwach gegen den farblosen Horizont sichtbar, brannte immer noch die dahingeduckte Ruine des alten Schlosses.

„Ich werde sie nicht wiedersehen.“

„Wie Du meinst.“

Der Reiter schwieg, und so schwieg auch seine Beute, mit einem hochmütigen, aber verächtlichen Ausdruck auf den bleichen Zügen. Sie stolperte, fiel auf ein Knie und wurde durch ein feuchtes Dickicht dichter Farne mitgezogen, dann kam sie wieder auf die Beine.

„Es ist mein Ernst“, sagte sie und wischte sich mit den gefesselten Händen über die helle Stirn, auf der nun eine Erdspur klebte. „Dieser Abschnitt meines Lebens muß endlich vorbei sein. Ich kann nicht ewig warten!“

„Ich bin mir nicht sicher, daß ich Dich verstehe“, sagte der Reiter, „aber ich bin mir ziemlich sicher, daß es mich auch nicht kümmert.“ Er zuckte mit den Achseln und betrachtete grübelnd die mannshohen Pilzbäume mit ihren buckligen Kappen. An ihrem bleichen Fleisch klebte blaß das Abendrot.

„Du tust nur Deine Pflicht, nicht wahr?“, höhnte die Beute.

Der Reiter drehte den Kopf, musterte den Dahinstolpernden und nickte. „Genau.“

„Mehr erwartet man ja auch nicht von Dir.“

Der Reiter schob die Unterlippe vor, kaute auf ihr und nickte erneut. „Genau.“

„Vielleicht sollte ich nicht wirklich wütend sein“, sagte der Gefangene nach einiger Zeit, mehr zu sich selbst als zu dem Reiter, „vielleicht sollte ich einfach denken, daß ich einen längeren Ausflug gemacht habe, der nun seinem Ende entgegen geht und die Einsichten und Eindrücke, die ich während dieses Ausfluges gewonnen habe, nutzen, um mein weiteres Leben zu bereichern und aus ihnen für den Alltag zu lernen.“

Der Reiter hatte ihm interessiert zugehört. „Ja, das klingt gut.“

Ein rauher Fluch antwortete ihm. „Nein, das klingt blöd! Mach mich schon los, Du gottverdammter Affe!“

Der Reiter stieß ein tiefes Knurren aus und fletschte die Zähne. „Halt Dich zurück, Mann. Persönliche Beleidigungen werden Dich auch nicht freimachen. Du kannst nicht Dein ganzes Leben lang davonlaufen. Außerdem hast Du es lang genug ausgehalten, oder?“

„Ich werde sie nicht wiedersehen.“

„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Dich das erste Mal gesehen habe, alter Freund. In dieser Zeit warst Du ziemlich oft in ihrer Nähe, ja, man konnte ziemlich sicher sein, daß Du mit ihr oder bei ihr warst. Du saßt in einem Stuhl, blättertest in einem Buch und versuchtest, so hinreißend wie möglich auszusehen, damit niemand merkte, wie ängstlich Du in Wirklichkeit warst. Entweder hast Du Dich auf dieses Buch konzentriert, oder Du hast ihr hinterhergesehen.“

„Ängstlich? Ich?“

Der Reiter lachte rauh. „Angst! Mehr als nur ein schönes Gesicht, eh?“

„Ich kann Dir nicht folgen.“

„Bist Du deswegen fortgegangen - fortgerannt, um genau zu sein? Weil Du Dich endlich freimachen wolltest?“

„Das Leben mit ihr langweilte mich.“

„Es hat lange gedauert, bis es Dich langweilte.“

„Manche Dinge brauchen ihre Zeit.“

„Seltsamerweise scheint sie anders darüber zu denken...“

„Das ist vorbei. Für mich ist es vorbei.“

„Und ich sage Dir, es war Angst.“

Der Gefangene knurrte und zerrte plötzlich an seinen Fesseln. „Dann steig doch ab! Du kannst gerne ausprobieren, wieviel Angst ich wirklich habe!“

Der Reiter drehte sich im Sattel herum und musterte ihn prüfend. „Nein, ich denke nicht, sagte er nach einiger Zeit. Was würde das beweisen? Ich habe Dich lange genug in den Farnwäldern gesucht, in Gegenden, wo selbst ich mich unbehaglich fühlte. Du hast keine Angst gehabt vor den wilden Hunden oder vor mir, oder irgendeinem anderen Schläger, die Angst, die hast Du vor Dir selbst.“

„Vor mir?“

„Einem Teil von Dir, jedenfalls.“

Der Gefangene lachte. „Mit dieser Angst werden wir alle geboren.“

„Scheiße!“ Der Reiter drehte sich um und spuckte ins Gras. Er wischte sich mit dem Handschuh über das struppige Kinn. Er war ein großer Mann; ein langer schwarzer Mantel umschloß seine massige Gestalt. „Die bauen wir uns selbst.“ Er starrte zu den Sternen empor. Sein Name war Peklyntok.

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Donnerstag, 21. September 2006

Was der Leser sucht



Aus den Suchanfragen der letzten Zeit, die zu diesen Seiten führten:
  • Andre Norton Hexenwelt
  • Androiden Wicca
  • Arullu
  • Bal-Sagoth Übersetzungen
  • bildliche Plagiate
  • Conrad Veidt der Mann der lachte
  • Der Clown
  • Die geile Generation
  • Entstehung eines Blitzes
  • Godzilla lebt
  • Immunreaktion Märchen
  • Luftkissenfahrzeug Aale
  • Lustiger Hai
  • Mächtige Children of Gaia
  • Mediaporn
  • Nordlandfahrer
  • Pilzwälder Hamburg
  • Religion der Vorzeit
  • Sack des Reichtums
  • Therapie nach Tantra
  • Werwolf
  • Werwolf-Mythos
  • Wissen um die Entstehung der Welt zu Zeiten der Gebrüder Grimm
Eine deutliche Verbesserung zu früheren Zeiten, als der Leser nur nach "Lazytown" und Sexkostümen aus Lazytown suchte. >>Leser und Gelesenes>> Das lässt hoffen. Dennoch noch zu viele Nachfragen nach den Titeln mittelmässiger Softpornos. Mit allen anderen Dingen kann ich leben. Es gibt natürlich keine Pilzwälder in Hamburg, höchstens in den Geschichten von Clark Ashton Smith und allen Stories, in denen ich ihn imitiert habe. Achja, und auf Planet X. Ich liefere es gerne nach - wo soviel Liebe herrscht, kann man sogar die Google-Suchwörter als Inspiration stehlen.

Und demnächst an diesem Ort: Androiden Wicca

(Ganz ehrlich, wer wäre schon von alleine auf so eine brilliante Idee gekommen?)

Mittwoch, 20. September 2006

Wild Weird Web 06.09.02

Virtuelle Lesezeichen der letzten Woche. Eine Lektion, dass man nicht allen Links folgen sollte, oder dass man bei seinen Googlesuchen ein noch sorgfältiger vorgehen sollte. (Alles löschen!, ruft die Redaktion aus dem Hinterzimmer.) Auf andere Weise betrachtet, finden sich hier die Stilblüten des Informationszeitalters, und ein Kratzen an den Mauern des Deep Web. Für Qualität und Richtigkeit der zusammengestellten Daten wird nicht garantiert.

Heute: Das Weisse Album



Paperback Writer. Gibt es Kunst? Gibt es Stil? Wieviele Bäume mussten sterben, damit Sie das hier lesen konnten? Und: wer stoppt endlich Leute, die ohne vorgehende Reflektion sich an den tasten ihres Keyboards vergreifen. Ist dies der Tod der Grammatik? Haben wir überhaupt noch Zeit für Satzstellung und Kommasetzung? Ist Legasthenie die Volkskrankheit des 21. Jahrhunderts? Warum ist es chic, Buchstabendreher als Symptome eines neuen Jugendvokabulars zu erklären? Teh pain! All diese Fragen werden sicherlich nicht hier beantwortet werden, aber ein Hinweis sollte genügen, dass prätentiöser Wortmüll wie dieser nur eines der fünf Zeichen sind, dass irgendetwas mit diesem Blogeintrag im Argen liegt. Leet. I <3>>

Why Don't We Do It On the Road? Nach klassischem dafürhalten wird das Leben des Menschen und vor allem sein seelisches Empfinden von zwei einander widerstrebenden Trieben geleitet: Dem Eros- und dem Thanatos-Trieb. Während Eros den Genuss und das Verlangen nach Liebe und Leben steuert, oder die leidenschaftliche Vereinigung mit einem anderen lebenden, atmenden Wesen, steht Thanatos für kalte Kippen, Russisch Roulette oder die leidenschaftliche Vereinigung mit Gegenständen. Oder Schlimmeres. Spätestens hier sind wir an dem Punkt angelangt, wo man sich fragen muss, wie wir den dritten wichtigen Trieb nennen müssen,d er den homo sapiens (?) zu steuern scheint: Nämlich denjenigen Trieb, der Menschen dazubringt, jeden Scheiss zu machen, der ihnen gerade einfällt. <>

Run For Your Life. Was ist niederer als das niederste Tier? Die Amöbe! Und dennoch hat auch die Amöbe Fähigkeiten, die sie sympathisch machen. Ein mutiger kleiner Bursche, diese Amöbe - selbstsicher, selbstgenügsam und dennoch mit einer Art protochemischen Familiensinn. Und natürlich, ohne die Amöbe würden wir alle nicht existieren. All das kann man über andere Lebensformen nicht sagen. Sie torkeln stattdessen vollkommen ohne Existenzberechtigung durch den Kosmos und versuchen, im Dasein zu dilettieren - oder Platten zu besingen. Glücklicherweise nichts, was man nicht mit Phantasie oder einer Kettensäge wieder hinkriegen könnte (Man nennt es Evolution, meine Lieben, also Respekt vor unserer Cousine, der mächtigen Amöbe.) <>

Montag, 11. September 2006

Richtig schön evil…

Ich mag Montage. Ein neuer Anfang, jedenfalls für die kommende Woche, das macht einen doch immer ein wenig optimistisch. Wird ja auch Zeit.

Ausserdem, wer mag Montage nicht? Nur fettsüchtige Katzen und kleine Mädchen, die keinen besseren Grund finden können, um ein Massaker anzurichten. Da haben wir doch viel mehr Phantasie, oder?

Die letzte Augustwoche war ich damit beschäftigt, meine damalige Tätigkeit einigermassen elegant abzuwickeln. Wie gut mir dies gelungen ist, sieht man daran, dass an dem Mittwoch, als ich meine Amtsgänge machte und alles für den Nordlandthing zusammenpackte, meine Telefonleitung fast unter den panischen Anrufen meiner Ex-Kollegen zusammenbrach.

„Ich find die Datei nicht…“ „Geht das überhaupt…“ „Was haben die sich eigentlich dabei gedacht…“ und „Bitte, bitte nimm mich mit, ich dreh’ hier durch.“

Aber ich bin grausam.

Also bin ich allein in den Norden gefahren.

Heh.

***

Für die erste Septemberwoche hatte ich ganz professionell einen Arbeitsplan ausgeheckt. Immerhin, am Sonntagnachmittag war ich aus den Weiten der friesischen Steppe zurück. Pünktlich zum Montagmorgen hatte ich eine minderwertige Mittelohrentzündung, die ich nur durch rhythmisches Trommelfelllüften in den Griff bekam und eine Zecke an der Wade. Natürlich hatte ich während des Nordlandthinges keinerlei Probleme mit sowas. Wo kam also die Zecke her? Wahrscheinlich aus den Hamburger S-Bahnen.( Sicherlich eine neue Form des Terrorismus.) Meine arme Frau musste also an mir rumzwackeln, kurz bevor sie zur Arbeit musste, morgens um 6 Uhr, und den perfiden Parasiten entfernen. Abends hatte sich der Biss dann entzündet, und sie musste eine halbe Stunde in meinem Bein herumstochern, um den Restteil der Zecke zu finden. Unerquicklich. Irgendwann bin ich der Sache dann mit der Schere meines Schweizer Minioffiziermessers auf den Grund gegangen. Einmal rein, und gut war’s.

Meine arme Frau war danach etwas grünlich im Gesicht.

Aber ich bin böse. Ich hab nur gegrinst.

Heh.

Dafür lag ich den ganzen Dienstag mit Bauchschmerzen auf der Seite.

Und am Mittwoch haben die tolldreisten Techniker der Telekom uns ohne Vorankündigung den Internetzugang gekappt. Da hab’ ich mich gefreut.

Heh.

***

Inzwischen hat uns unser neuer Provider freigeschaltet, wir haben also wieder einen ganz neuen ganz tollen ganz schnellen Internetzugang. Super, was? Abgesehen davon, dass die mitgelieferte Software so vertrauenserweckend war, dass mein grosser Computer sich gleich komplett geweigert hat, da mitzumachen.

Selbst die Profis verstehen nicht, wie sowas passieren kann. Ich bin mir ganz sicher: Entweder ist mein Rechner doch homosexuell, oder er hat sich bei Alice eine Geschlechtskrankheit geholt.

Beim Laptop haben wir die Software gar nicht erst probiert, sondern einen Direktzugang eingerichtet. da geht’s jetzt. Natürlich blöd, wenn man zu zweit ist und die Daten des einen auf einem anderen Rechner liegen.

Also werde ich auch mit diesem Text den langen, mühevollen Weg gehen…

Den Mp3-Player an den Rechner koppeln, die Datei rüberziehen und dann warten, bis ich den Mp3-Player mit dem Laptop verkuppeln kann.

Hoffentlich lade ich die richtige Datei hoch…

Und nicht die Musik, die wir gerade hören…

So richtig schön evil…

Heh.

Mensch, was bin ich böse.

Sonntag, 10. September 2006

Nordland Thing (2): Sumbal

Am Freitag, den 01.09..2006 hatte ich die Ehre, an einem steinzeitlichen Monument in der Nähe des Nordland Things eine altgermanische Zeremonie zu veranstalten – oder jedenfalls das, was man aus den bestehenden Quellen und etwas Inspiration rekonstruieren kann. Folgendes Handout hatte ich zur Information für alle Interessenten an dieser Art experimenteller Ärchäologie bereitgestellt:

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Der Bunsoher Schalenstein wird seit 15 Jahren für magische Zeremonien genutzt und ist mit einer gewaltigen Ladung versehen. Wir weisen darauf hin, daß die Teilnahme an Ritualen an diesem Platz für sensitive Menschen u.U. mit extremen psychosomatischen Effekten einhergehen kann. Die Teilnahme erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr hin.

Der Schalenstein, der über einen von Buchen und Eichen überwachsenen Weg zu erreichen ist, strahlt seine Kraft in einem weiten Umkreis aus. Er verbirgt sich in dem geöffneten Grabhügel, und erst im letzten Moment vor dem Erreichen des Steins offenbart er sich in seiner ganzen Pracht. Dieser magische Ort hat über die Jahrtausende nichts von seinem zauberhaften Flair verloren, und er ist ein Quell unendlicher irdener Kraft.

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1874 wurde dieser vorgeschichtliche Grabhügel ausgegraben. Dabei wurde ein vollständig erhaltenes Großsteingrab der Jungsteinzeit (ca. 3.500 v.Chr.) freigelegt. Drei riesige Decksteine liegen auf acht Trägersteinen, die Zwischenräume waren mit Steinplatten, sogenannten Zwickel, abgedichtet, der Boden der Kammer mit knopfgroßen Steinen gepflastert und durch neun senkrecht in den Boden gestellte Steinplatten in vier Bereiche unterteilt. Keramik und Flintgeräte wurden als Grabbeigaben gefunden. Der westliche Deckstein ist der interessanteste Schalenstein in Schleswig-Holstein und gilt als größter Kultstein Europas. Auf ihm sind über zweihundert von Menschenhand geschaffene Motive und Vertiefungen zu entdecken, wie ein vierspeichiges Rad (frühe Form der Swastika), flache Rillen, paarweise angebrachte Handbilder, die Darstellung eines Fußes und viele Schälchen.

(von der offiziellen Webseite des Nordlandthing 2006)

Das am Bunsoher Schalenstein veranstaltete Ritual basiert zu weiten Teilen auf einem alten nordeuropäischen Brauch, den man Sumbel nennt. Für diese Form eines auch für Gruppen geeigneten Rituales haben wir uns entschieden, um dem Ort und seiner langen Geschichte, aber auch dem gesamten norddeutschen Raum mit seinen heutzutage fast vergessenen Traditionen Respekt zu erweisen. Das Sumbel (altnordisch sumbl; altenglisch symbel, altsächsisch sumbal) ist vereinfacht gesprochen ein ritueller Umtrunk bzw. ein rituelles Trinkgelage einer Gemeinschaft. Natürlich werden wir am Schalenstein uns weder hinlegen („Gelage“) noch bis zur Besinnungslosigkeit vollaufen lassen. Das Sumbel ist ein ritueller Umtrunk, vor allem eine symbolische Handlung – er ist ein „Toast“ auf die übernatürliche Welt, Götter, Ahnen und Zwischenwesen. Die Wortwurzel, aus denen das Wort Sumbel entstanden ist, verweisen ebenfalls auf das griechische Symposium, bei denen Philosophen wie Plato ihre philosophischen und metaphysischen Ideen im Dialog entwickelt haben.

Grob umrissen läuft ein Sumbel wie folgt ab: Es wird im allgemeinem von einem Sumbelgeber (altsächsich symbelgifa) eröffnet, geleitet und beendet die Zeremonie. Für die Teilnehmer bereitgestellt befindet sich ein Kessel, welcher mit Met oder Äl gefüllt ist, den traditionellen Getränken Nordeuropas, also Honigbier/wein und Starkbier. Für das Ritual am Schalenstein wird ein äquivalenter Trank von den Veranstaltern bereitgestellt.

Nach der Weihe des Kessels wird ein Trinkhorn mit dem Trank aus diesem Kessel gefüllt. Anschließend kreist dieses Trinkhorn unter den Teilnehmern des Sumbels wobei es vom sogenannten ealubor (Äl-Träger) weitergereicht und bei Bedarf aufgefüllt wird. Der Äl-Träger darf nicht mit einem Schankknecht verwechselt werden. Er ist dem Symbelgifa an Würden gleichgestellt und hat eine vielleicht noch wichtigere Aufgabe. Während der Symbelgifa nur die äußere Form des Rituals bewacht und ordnet, sorgt der Ealubor für die innere Form und lenkt, sorgt und pflegt den heiligen Frieden und die Ruhe, in der das Sumbel zelebriert wird. (Also auch hier keine Gelegenheit für Orgien im niederen Sinne.)

Ich bin die Schlange, die Wissen & Entzücken und strahlende Pracht schenkt und die Herzen der Menschen mit Trunkenheit schürt. (Al II:21)

In der ersten Runde des Trunkes erfolgt durch das Äußern von Trinksprüchen ein Minnetrinken auf die Götter. Dies ist gleichermaßen ein Zeichen des Respekts, aber auch ein spielerisch-leichtes Wieder-Ein-Finden in eine gedachte mythologische und kosmische Ordnung. Hier wird im Sumbel der Raum erschaffen. In der zweiten Runde gedenkt man den Ahnen, den verstorbenen Vorfahren und Angehörigen, aber auch Freunden und anderen Persönlichkeiten, die als Prüfer, Helfer und Vorbilder am Leben der Teilnehmer Anteil hatten und haben. Hier wird im Sumbel die Zeit erschaffen.

Während der dritten und den folgenden Runden werden von den Teilnehmern Eide geschworen, Gelübde abgelegt und Lieder oder Gedichte zum Besten gegeben. Dies sollte man jedoch nicht mit betrunkenem Prahlen verwechseln. Eide sind bindend, Gelübde zwingend. Im Sumbel wird der Geschichte und dem Schicksal gedacht, damit kommendes Geschick ebenfalls ruhmreich und erinnerungswert ausfällt. Der Legende nach ist die Entdeckung Amerikas durch einen Wikinger auch als Folge eines Sumbel-Gelübdes erfolgt. Man könnte auch sagen, dass an diesem Punkte die Teilnehmer jeder für sich die durch die ersten beiden Runden erschaffenen mythischen Raum und Zeit in Besitz nehmen und mit ihren eigenen schöpferischen Impulsen erfüllen können.

Der Sumbeltrunk wird durch eine alte Binderune „aufgeladen“ oder seiner Bestimmung geweiht. es handelt sich hierbei um eine Verbindung des Runenwortes ALU, das auf der einen Seite eine Verwandtschaft mit dem Wort Äl aufweist (also dem Trunk selbst), aber auch als Zauberwort verstanden werden kann, das das Einströmen eines geistigen Elementes in das materielle Getränk symbolisiert. Der leichte Rausch, der sich während des Sumbels einstellen könnte, sollte also weniger eine tatsächliche Trunkenheit darstellen als vielmehr eine Art „Trunkenheit des innersten Sinnes“.

In diesem Sinne mag das Sumbel trotz seines Alters auch uns heute dienen, Gemeinschaft herzustellen und zu feiern, und aus dem Innersten schöpfend inspiriert zu werden – und selbst zu inspirieren.

(Axel M. Gruner für den Nordlandthing 2006)

Nordland Thing (1): In der Steinzeit

Abendliches Gespräch am Lagerfeuer, irgendwann im 21. jahrhundert:

"Weisst Du, was ich denke?"

"Nö."

"Ich denke, die Welt wäre schöner, wenn es noch Mammuts gäbe."

"Wieso das denn?"

"Na, die waren schon ziemlich cool."

"Ja, aber cool reicht nicht."

"Nee, aber ich glaube, die Menschen wären einfach viel entspannter und würden sich nicht so an ihren Besitz klammern, wenn es noch Mammuts gäbe."

"Watt?"

"Naja, was für ein Sinn würde es machen, alles zu verplanen und zu verbauen, wenn man wüsste, dass irgendwann eine Herde Mammuts kommt und sowieso wieder alles plattmacht?"

"Ah - Ganesha, der Brecher der Widerstände, was?"

"Genauuuu..."

Dienstag, 5. September 2006

Wild Weird Web 06.09.01

Virtuelle Lesezeichen der letzten Woche. Eine Lektion, dass man nicht allen Links folgen sollte, oder dass man bei seinen Googlesuchen ein noch sorgfältiger vorgehen sollte. (Alles löschen!, ruft die Redaktion aus dem Hinterzimmer.) Auf andere Weise betrachtet, finden sich hier die Stilblüten des Informationszeitalters. Für Qualität und Richtigkeit der zusammengestellten Daten wird nicht garantiert.

Crying In The Discotheque



White Punks on Dope. Das Wunder der Geburt, anschaulich dargestellt durch die plastischen Künste eines revolutionären Künstlers… am Beispiel einer revolutionären Künstlerin. Bevor man diese Worte glauben mag, schliessen sich schon die optischen Nerven. Immerhin, wer sich vorstellen mag, sich das abgehalfterte Teenie-Idol Britney Spears in Vollbronze auf einem Bärenfell kniend beim Herauspressen ihres Erstgeborenen in den Vorgarten zu stellen, hat hier schon einmal einen heissen Tip für die Weihnachtswunschliste. Aber können wir das toppen? Wird Frau Spears bei ihrer zweiten Geburt noch abgehalfterter den Mount Rushmore kreissen? <>

Fear Factory. Die Angst des Tormannes vor dem Elfmeter kann kaum größer sein als die Angst des Bloggers vor dem, was esoterische Kreise „Schreibblockade“ nennen. Was schreiben? Was sagen? Am besten einmal im Netz herumwandern, um Ideen zu borgen. das macht vielleicht nicht weise oder glücklich, schafft aber die Illusion von Inhalt. Aber muss man jetzt nicht Angst haben, erwischt zu werden? Egal. Schlimmstenfalls füllen wir ein paar Zeilen mit selbstreflektivem Wortmüll und würzen es mit einem Link, um wenigstens unsere schlimmsten Ängste ruhig zu stellen. Solange wir schreiben, müssen wir wenigstens nicht befürchten, beim Rennen um einen Tisch auszurutschen und von Wölfen gerissen zu werden. Oder Schlimmeres. <>

Like A Virgin. Wie schön, daß es in zerrütteten Zeiten wie diesen noch Eltern geht, die sich um das Wohlergehen ihrer Kinder Sorgen machen. Väter, die im Namen Gottes als „Hohepriester ihres Heimes“ ihre Töchter wie Prinzessinnen behandeln und niemand anderen an sie heranlassen. Beim Tanzen. Beim nochmaligen Lesen dieses Satzes schleicht sich jedoch ein gewisses Unbehagen herein. Waren Highschool-Bälle nicht eigentlich für die ersten Erfahrungen mit Alkohol, Drogen und Defloration gedacht? Übelkeit stellt sich ein. Hat Gott das wirklich gewollt? <>

Freitag, 1. September 2006

September 2006: Pilzwälder und Androiden Wicca



Nach einer längeren Tätigkeit im unbezahlten freischaffenden Teil des Arbeitsmarktes, die mich zuletzt (mit allen anderen Verpflichtungen) sogar dazu brachte, meinen Schreiber eine Zeit lang beiseite zu legen, dauert es eine Weile, bis ich wieder eine gewisse Routine und Effizienz im Schreiben bekomme. NEMEDHOUSE BLOG kommt langsam aus einer Phase der Lethargie heraus, andere Projekte stellen sich vor. Und irgendwo verborgen, eine Meme, die sich in meinem Kopf festsetzt.

Und bald auch in Deinem.