Freitag, 30. Juni 2006

Generation Google :: The Clone Wars

Sie kennen ja sicher die Geschichte, dass wenn man einen Haufen Affen für eine unendliche Zeit willkürlich lang auf unendlich viele Schreibmaschinen tippen lässt, sie irgendwann Shakespeares Gesammelte Werke zustande kriegen müssten. Eine etwas unfaire Geschichte, die perfekte Bestrafung für einen Unsterblichen, all die Manuskriptbögen durchsehen zu müssen, unfair aber vor allem auch gegenüber den Affen. Warum müssen die immer noch auf Schreibmaschinen rumhämmern? Es gibt doch inzwischen Computer. Und man braucht auch nicht mehr unendlich viele Autoren, bloss um einen kompletten Text zusammen zu kriegen.

Nur eine sehr grosse Zahl, sagen wir mal… ein Googol.

Ein Googol ist eine 1, der hundert Nullen folgen, also ein bisschen mehr als eine Million Milliarden Billion Billiarden etc. Auf jeden Fall ziemlich viel. Ungefähr so viele Informationen wird es inzwischen im Internet geben, oder mehr, oder weniger.

Auf jeden Fall können wir hoffen, dass unter all diesen Nullen vielleicht doch eine sinnvolle Information verborgen liegt, die entstanden ist, als einer der Affen einen guten Tag an seiner Tastatur hatte.

Ob wir sie finden, ist natürlich eine andere Sache. Suchmaschinen, allen voran die bekannteste, die sich inzwischen sogar in den Sprachgebrauch und die Seelen der Menschen geschlichen hat, finden nicht alles. Es gibt das Deep Web, die Gesamtheit aller Seiten, die nicht indexiert und verlinkt wurden, und gerade hier – genau wie in der Tiefsee – liegen die wirklich interessanten Dinge verborgen: augenlose Monster, bioluminiszierende Anglerfische, die Ruinen untergegangener Kulturen und der große Krake, der eines Tages erwachen wird und unaufhaltsam der Oberfläche zustreben wird, um nichts ahnende Schiffe in den Untergang zu ziehen.

Dass all diese Dinge unsichtbar im Hintergrund ihre Bahnen ziehen, derweil die Suchmaschinen nach hochkomplexen Parametern Seiten indexieren und bewerten, hat seine Vor- und Nachteile. Jede Art von Parameter erzeugt Hierarchien, egal, wonach sie gehen, Hierarchien, die von den meist unschuldigen Wanderern im Web als Qualitätswertung wahrgenommen werden. Das sogenannte „Page-Ranking“ sagt aber eigentlich nur eines aus: Wie gut ein bestimmter Informationskomplex mit den Parametern harmoniert, nach denen der Parameterbestimmende arbeitet, z.B. die Analyse von Wertigkeit nach Backlinks, dem archetypischen BackRub. All das an der Oberfläche, nicht in der Tiefe: ein zweidimensionales Flat Web, dessen Bewohner wie die Wesen des mythischen Flatland nichts höher dimensioniertes wahrnehmen können.

Besser noch, da die Hierarchie die Nutzung der Informationskomplexe steuert, werden bestimmte Informationskomplexe stärker genutzt als andere, was eine jeweilige Bestärkung und Bekräftigung des Hierarchiestatus zur Folge hat.

Eine grossartige Sache. Auf diese Weise sorgen wir für eine nahezu komplette Loslösung der Informationsfülle von der Informationsqualität sorgen. Sofort bietet sich ein grenzenloses Betätigungsfeld für eine semiotische Guerilla an, schon greifen ontologische Terroristen nach den Keyboards.

Durch copy-paste-Magick entstehen selbstreferentierende Netzwerke aus Wahnsinn, die treue Roboter bis in die höchsten Höhen der Aufmerksamkeit tragen. Google-Bomben gehen hoch und verzerren Informationsbahnen zu eigentümlichen Sigillen. „failure“ ist ein Shortcut zum Weissen Haus, „Kohlkopf“ zur EgoSite der Bundeskanzlerin des Wiedervereinigten Deutschland.

Und all dies ist noch nicht einmal der Anfang.

Und wieder erklingt das ferne Stakkato einer Million Schreibmaschinentasten…

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