Sonntag, 4. Juni 2006

Eine ziemlich lustlose Apokalypse

Trotz allem war der Schienenersatzverkehr, in dem wir gestern abend nach dem Kino sassen, dann doch noch das Schlimmste. Während es in dem Film, in dem wir gerade gesehen hatten, um Mutanten ging, die wenigstens chicke Uniformen und elegante Kräfte hatten, waren wir plötzlich gefangen in einem Wust von Mutanten mit schlechtsitzenden Kostümen (Schlagerfans) und der uneleganten Macht, einen vollbesetzten Bus mit Bierdünsten und fäkalem Gegröle zu füllen (Fussballfans). Alles in allem war die ziemlich lustlose Apokalypse, die man in X-Men III adaptiert hatte, dann doch der bessere Handel.

Lang erwartet, hätte ich im Nachhinein lieber noch länger auf den letzten Teil der Trilogie um Stan Lees und Jack Kirbys "Kinder des Atoms" gewartet. Es war klar, dass es auf den fast perfekten 2. Teil schwierig sein würde, einen angemessenen An- und Abschluss zu finden, vor allem, weil die Thematik jedem, der mit dem Mythos X-Men vertraut ist, schon seit den letzten Minuten des 2. Teils klar war.

Dennoch: dass die Phönix-Saga zu einem weiteren Meilenstein in der von den grossen Verlagen praktizierten Demontage des Heldentypus werden würde, hätte wohl keiner gedacht. Man muss kein Nostalgiker sein und abends die in Leder gebundenen Reprints aus den 60er Jahren streicheln, um zu begreifen, dass das extreme, um alle Nuancen beraubte Endspiel von Mutanten, die wie die Heiligen Tiere der Apokalypse röhren und sich gegenseitig zerfetzen, derweil eine dämonische Frau in Rot über ihnen schwebt, wenig mit dem von Charakterzeichnung vorangetriebenen Original zu tun hat. Eine ziemlich lustlose Apokalypse zudem, in der wie auf einer Strichliste alle Charaktere "abgearbeitet" werden.

Man kann die Mutanten der Marvel-Comics als Gleichnis sehen auf die Verfolgung Andersdenkender, oder als Homosexuelle oder ethnische Minderheit. Dies ist in den letzten 40 Jahren alles in den Mythos eingeflossen. Aber diese Freiheit der Interpretation wurde durch die holprige Logik des Drehbuches auf primitives Schwarz-Weiss reduziert. Keine Helden mehr, keine Schurken, nur noch zweifelhafte Action-Ethik.

Wie tief sind die Mächtigen gefallen!

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