Mittwoch, 28. September 2005

Mediaporn :: Deutscher Sex

„Wissen Sie, es gibt nichts auf der Welt, wo man sich einsamer fühlt als auf einer Sex-Orgie. Diese Orgien — ich spürte da immer so eine Verzweiflung dahinter — diese Schwänze, die da rein und raus rutschen — oh, ich bitte um Entschuldigung...“
Charles Bukowski
Auf einer kalifornischen Ranch herrscht die Sünde!
Eine sexy Raumschiff-Crew hat nur eines im Sinn...

Sex ist im Himmel ein Witz. Auf Erden scheinen nur die Gag-Autoren veröffentlicht zu werden, deren Begabung nicht für eine ehrliche Arbeit wie Klingeltonkomponist oder Cracknutte reichte. Während das japanische Paarungs- und Entladungsverhalten (meistens ins Gesicht oder auf gebrauchte Unterwäsche, am besten aber gar nicht) reichhaltig dokumentiert ist und stets griffbereit in der untersten Schublade eines jeden Schreibtisches schlummert, entzieht sich der deutsche Sex jeder Deutung. Gibt es einen deutschen Sex? Sex unter Deutschen? Deutsche unter Sex? Was ist die spezielle Qualität, die das gesamtdeutsche Paarungs- und Entladungsverhalten kennzeichnet? Wie kann man es zusammenfassen? Wie hört er sich an?

Wie schmeckt er? Wie riecht er? (Laaaaaaaaaaaaaaaangweilig.)

Tun wir das, was wir immer tun. Schauen wir auf den Bildschirm. Per Definition sind TV und IT die Bildungsträger dieses Jahrhunderts. Sie werden uns auch jetzt die Antwort geben. Wichsbücher sind eh out. Ist auch zu schwierig, mit nur einer verfügbaren Hand gleichzeitig umblättern zu müssen und an der Zeile entlang zu fahren, die man gerade mühsam zusammenbuchstabiert. „Feel- Fell- Fell-ah-ti-... joh...“ Wie definiert sich der deutsche Sex? Eine erste Antwort finden wir bei dem, was auch ansonsten die deutsche Lebensqualität so vortrefflich definiert. Nehmen wir mal die Deutsche Telekom.

Was ist schwerfälliger und langsamer, aber gründlicher, also deutscher als die Deutsche Telekom. Hier muss es doch vor sexuellen Bezügen nur so wimmeln. Das mächtige pinke „T“, das vom Himmel herabbaumelt. Vielleicht findet ja sogar ein Heterosexueller hier etwas.
Das ist jedenfalls der Eindruck, den man bekommen muß, wenn man erwartungsfroh die „Erotic Lounge“ von T-Online.de betritt und erst mal eine halbe Stunde darauf wartet, dass einem ein Begrüßungscocktail serviert wird. Hier gibt es also den harten Stoff, der nachts das deutsche Liebesleben anheizt oder ersetzt. Es gibt sogar eine Countdownuhr bis zum Zeitpunkt, ab dem der Soft- oder Hardcorefilm bereitsteht. Wow. Ist schon traurig, wenn man warten muss, bis man sich einen runterholen kann, aber vielleicht ist das ja typisch deutsch? (Grölen, allgemeines Schenkelklopfen.)

Allein, es fehlt der Bezug. Wo sind die typisch deutschen Themen? Wo sind die wichsenden Walküren? Wo sind die blonden Lesben in SS-Uniformen? Der Cockring der Nibelungen? Die Wiedervereinigung? Geile Spiele im Kanzleramt?

Stattdessen Mainstream mit Silikon, Butox und typisch kalifornischer Ganzkörperrasur für beide Geschlechter. Nur die Titelaufdrücke unterscheiden sich:
„Sexpedition ins Glück“
„Wet Dancing“
„Heiße Beute im Wüstensand“
„Liftboy zum Glück“
„TNT: Therapie nach Tantra“
„Bordello Blues“ (Ja, der Blues, Mann! Wer kennt nicht das Gefühl, das sich einstellt, wenn einem nach 36 Stunden Dauerbenutzung aller verfügbaren Körperöffnungen von einem 2 Meter großen Rausschmeißer namens „Hacke“ die Rechnung präsentiert wird.)

Und wie wäre es mit soetwas:
„Reiterin aus Leidenschaft“
„Drei Frauen kommen selten allein“
Hahaha. Allgemeines Schenkelklopfen. Jeder Schimpanse mit nur mittelmäßiger Phantasie wird hier sofort ein halbes Dutzend Titel an die Wände seines Käfigs schmieren können, die ebenso frivol-debil doppeldeutig sind:
„Die Glasbläserin“
„Ja, bin ich schon drin?“ Ein Alternder Sportler und das Sex-Netz.
„Fat von Schleck: ‚Leck mich!’“ Die dickste Frau der Welt wird ‚gewaschen’...

Man vermisst die klare Programmatik, die in Titeln wie „Hände hoch und Hosen runter“ zum Ausdruck kommt. „Zeugen mit Lust“ würde ein angemessener Titel für ein Lehrvideo sein, mit dessen Hilfe man den aussterbenden Deutschen rückzuzüchten versucht. Der Teaser jedoch enttäuscht: „Eine Kronzeugin erlebt heiße, gefährliche Sex-Abenteuer...“ Aha, also „Zeugen“ als Substantiv, nicht Verb. Verdammichte Grammadig. Auch ein Titel wie „Sex Trek - Die geile Generation“ ist weder originell noch lustig, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ausgelutscht. Um einen authentischen Klingonenporno wird es sich wohl kaum handeln. Langweilige Horizontalakrobatik wird nicht besser, wenn man sie durch Bezüge auf ebenso langweilige Bildschirmakrobatik aufmotzt. Warum nicht Bezüge aus Film und Literatur? „Frühstück auf Tiffany“ oder „Goethes Faust“ klängen da doch durchaus vielversprechender. Aber Pornographie ist auch keine Kunstform. Sie macht nicht satt, und sie hinterlässt auch keinen bleibenden Spuren, die man nicht mit einem guten Waschmittel wegbekommt.

Wen kümmert „Die Kunst des Pinselns“, „Samantha und der Zauberstab“ oder „Der magische Stift des Marquis“? „Ein Dichter verzaubert mit seinen Schriften die Frauen...“ Natürlich. Hoffen wir, daß er genug Tinte in seinem magischen Stift hat. (Ungewollt stellt sich hier ein phantastisches Bild ein: Was, wenn es wirklich Tinte in seinem magischen Stift wäre? Verschmierten Körperteilen, an denen es königsblau herabrinnt. Der Montblanc-Cumshot!)

„Worte wirken Wunder“
„Ein frustrierter Autor sucht Inspiration im Sex...“ Dies scheint eine Milieustudie zu sein, vielleicht sogar sozialkritisch. Welcher frustrierte Autor sucht NICHT nach Inspiration im Sex? Welcher Autor kann überhaupt eine Zeile schreiben, ohne sich dabei oral bedienen zu lassen? Welche andere Methode soll es denn außer Sex geben, Inspiration zu erlangen, abgesehen vielleicht von Ritualmord und Mottenkugelnschnupfen?

Gibt es einen deutschen Sex? Sex unter Deutschen? Deutsche unter Sex? Was ist die spezielle Qualität, die das gesamtdeutsche Paarungs- und Entladungsverhalten kennzeichnet? Wie kann man es zusammenfassen? Wie hört er sich an? Wie schmeckt er? Wie riecht er?

Ich spürte da immer so eine Verzweiflung dahinter.

Diese Schwänze, die da verzweifelt nach einer „geilen“ Idee suchen...

Oh, ich bitte um Entschuldigung...

Zappen wir weiter zum nächsten Kanal...

Keine Kommentare: