Donnerstag, 15. September 2005

Fanboy :: Frederick Wertham, R.I.P. (Rest in Pieces)

Im Jahre 1954 veröffentlichte Dr. Frederick Wertham als Höhepunkt einer langjährigen Kontroverse sein legendäres und berüchtigtes Buch "Seduction of the Innocent" (Verführung der Unschuldigen), über den schädlichen Einfluss von Comics auf die amerikanische Jugend. Schmutz und Schund! Wer Comics liest, wird drogensüchtig, gewalttätig oder schwul! So könnte man die Erkenntnisse des ehrenwerten Doktors komprimieren. (In wieweit seine Vorstellungen ein Körnchen Wahrheit in sich tragen, bleibt weiterhin umstritten. Aber bevor Dr. W darauf hinwies, dass Batman und Robins Verhältnis der Traum eines jeden Homosexuellen wäre, hatte sich darüber nie jemand Gedanken gemacht. Seitdem ist der Äther beschmutzt, die Idee lässt sich nicht löschen. Wer hat jetzt die Unschuldigen verführt?)
Wie man sich vorstellen kann, nahm die Öffentlichkeit diese Äußerungen eines angesehenen Psychiaters nicht unbedingt wohlwollend auf. Scheiterhaufen wurden zusammengetragen, zum Glück ausschließlich nur aus Comicheften, aber ein Grund, warum selbst erbärmliche Hefte aus dieser Zeit heutzutage astronomische Summen kosten. Ja, die 50er Jahre waren zu beiden Seiten des Atlantiks nicht unbedingt für ihre tolerante und entspannte Grundhaltung bekannt.

Der Hauptleidtragende dieser "Hexenjagd" war der Verleger William 'Bill' Gaines, der mit seinem Verlag EC originelle Titel vorgelegt hatte, die auch heute noch zu den Klassikern des Genres gehören: Tales from the Crypt, Vault of Horror, Two-Fisted Tales etc. Die meisten der deutschsprachigen Leser werden sie vielleicht aus den gelungenen Verfilmungen als "Geschichten aus der Gruft" kennen. Nachdrucke dieser Titel erscheinen auch heute noch. Klassiker halt.

Als sich die großen Comicverlage zusammensetzten, um ihre Version einer freiwilligen Selbstkontrolle zu inszenieren - den Comics Code - scheuten sie sich nicht, bloß unappetitliche oder bedenkliche grafische und thematische Inhalte zu verbieten, sondern sie legten auch schriftlich fest, dass kein Heft erscheinen dürfe, der Worte wie "Terror" oder "Horror" im Titel führte. Eine klar kalkulierte Unverschämtheit, um dass Titel vom Markt zu drängen.

Die Folge war, daß Gaines alle Titel vom Markt nehmen musste. Ein Neuanfang unter der Prämisse des Codes ("New Direction") dassmisslang, so daß sich Gaines gezwungen sah, sich auf seinen letzten verbleibenden Titel zu beschränken, ein Magazin, das als solches nicht unbedingt dem Code unterlag... MAD.

Werthams Hexenjagd und auch der Comics Code gehören nicht unbedingt zu den erklärten Lieblingen kreativer Geister. Wir können uns also die hämische Freude vorstellen, die Jon Bogdanove empfunden haben wird, als er seine kleine Hommage an Gaines in den ersten Seiten eines ansonsten handlungsarmen Heftes aus den 80ern versteckte. (Tusche: Al Milgrom) Ein Friedhofswärter, der Gaines wie aus dem Gesicht geschnitten scheint, wandert über den düsteren Grund, an einem bezeichnenden Grabstein vorbei.



Quelle: X-Terminators #1 (Marvel, ) Bitte beachten Sie die Lektüre des Friedhofswärters, und sein Alfred E. Neumann-T-Shirt. Heh.

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