Dienstag, 26. Dezember 2006

Meine Freunde, die Friesen

Es ist eine schöne Tradition, zu den Feiertagen Freunde und Verwandte zu besuchen und bei ihnen, anstelle zuhause, die zwei Zentner Papier und Verpackungsmüll zu hinterlassen, die sich unweigerlich anhäufen, wenn man Kinder hat, die von allen Beteiligten (und Unbeteiligten) reich beschenkt werden. (Für Eltern ist die Bescherung vor allem dies, eine schöne, und ziemlich mau.)

Dieses Jahr weilte ich also vor und zu den Feiertagen im traulichen Wilhelmshaven. Eine interessante Parallelwelt, die ein sanftes Echo der Jahrhundertwende hervorrief. An jeder Straßenecke wurde man an die Kaiserzeit und ihre Epigonen erinnert, schöne und weniger schöne Backsteinbauten, die anscheinend im 2. Weltkrieg nur ungenügend zerbombt wurden. Die Strassen größtenteils leer, und das völlige Fehlen von Kindern verlieh der Fußgängerzone eine eigenartige Dynamik.

Auf jeden Fall musste ich feststellen, dass die militärische Vergangenheit von Wilhelmshaven vor allem noch in den Hirnen der Autofahrer weiterleben muss, wie ein reptilischer Atavismus irgendwo hinten in der Epiphyse.

Ich habe wohl noch nie so rücksichtslose Verkehrsteilnehmer gesehen, wie zu der Zeit, als ich live miterleben musste, wie eine Passantin, die an einer grünen Ampel die Straße überqueren wollte, nicht nur fast überfahren wurde, sondern auch noch aggressiv angehupt. Die nachfolgenden Automobile ließen es sich nicht nehmen, sich dem Verhalten anzuschließen, und schossen an uns vorbei, und an dem fassungslosen Gesicht der Passantin, die mit ansehen musste, wie ihre Grünphase erlosch.

Sie hatte wohl begriffen, dass man ihr nicht nur die Vorfahrt genommen hatte.

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