Freitag, 30. Juni 2006

Generation Google :: The Clone Wars

Sie kennen ja sicher die Geschichte, dass wenn man einen Haufen Affen für eine unendliche Zeit willkürlich lang auf unendlich viele Schreibmaschinen tippen lässt, sie irgendwann Shakespeares Gesammelte Werke zustande kriegen müssten. Eine etwas unfaire Geschichte, die perfekte Bestrafung für einen Unsterblichen, all die Manuskriptbögen durchsehen zu müssen, unfair aber vor allem auch gegenüber den Affen. Warum müssen die immer noch auf Schreibmaschinen rumhämmern? Es gibt doch inzwischen Computer. Und man braucht auch nicht mehr unendlich viele Autoren, bloss um einen kompletten Text zusammen zu kriegen.

Nur eine sehr grosse Zahl, sagen wir mal… ein Googol.

Ein Googol ist eine 1, der hundert Nullen folgen, also ein bisschen mehr als eine Million Milliarden Billion Billiarden etc. Auf jeden Fall ziemlich viel. Ungefähr so viele Informationen wird es inzwischen im Internet geben, oder mehr, oder weniger.

Auf jeden Fall können wir hoffen, dass unter all diesen Nullen vielleicht doch eine sinnvolle Information verborgen liegt, die entstanden ist, als einer der Affen einen guten Tag an seiner Tastatur hatte.

Ob wir sie finden, ist natürlich eine andere Sache. Suchmaschinen, allen voran die bekannteste, die sich inzwischen sogar in den Sprachgebrauch und die Seelen der Menschen geschlichen hat, finden nicht alles. Es gibt das Deep Web, die Gesamtheit aller Seiten, die nicht indexiert und verlinkt wurden, und gerade hier – genau wie in der Tiefsee – liegen die wirklich interessanten Dinge verborgen: augenlose Monster, bioluminiszierende Anglerfische, die Ruinen untergegangener Kulturen und der große Krake, der eines Tages erwachen wird und unaufhaltsam der Oberfläche zustreben wird, um nichts ahnende Schiffe in den Untergang zu ziehen.

Dass all diese Dinge unsichtbar im Hintergrund ihre Bahnen ziehen, derweil die Suchmaschinen nach hochkomplexen Parametern Seiten indexieren und bewerten, hat seine Vor- und Nachteile. Jede Art von Parameter erzeugt Hierarchien, egal, wonach sie gehen, Hierarchien, die von den meist unschuldigen Wanderern im Web als Qualitätswertung wahrgenommen werden. Das sogenannte „Page-Ranking“ sagt aber eigentlich nur eines aus: Wie gut ein bestimmter Informationskomplex mit den Parametern harmoniert, nach denen der Parameterbestimmende arbeitet, z.B. die Analyse von Wertigkeit nach Backlinks, dem archetypischen BackRub. All das an der Oberfläche, nicht in der Tiefe: ein zweidimensionales Flat Web, dessen Bewohner wie die Wesen des mythischen Flatland nichts höher dimensioniertes wahrnehmen können.

Besser noch, da die Hierarchie die Nutzung der Informationskomplexe steuert, werden bestimmte Informationskomplexe stärker genutzt als andere, was eine jeweilige Bestärkung und Bekräftigung des Hierarchiestatus zur Folge hat.

Eine grossartige Sache. Auf diese Weise sorgen wir für eine nahezu komplette Loslösung der Informationsfülle von der Informationsqualität sorgen. Sofort bietet sich ein grenzenloses Betätigungsfeld für eine semiotische Guerilla an, schon greifen ontologische Terroristen nach den Keyboards.

Durch copy-paste-Magick entstehen selbstreferentierende Netzwerke aus Wahnsinn, die treue Roboter bis in die höchsten Höhen der Aufmerksamkeit tragen. Google-Bomben gehen hoch und verzerren Informationsbahnen zu eigentümlichen Sigillen. „failure“ ist ein Shortcut zum Weissen Haus, „Kohlkopf“ zur EgoSite der Bundeskanzlerin des Wiedervereinigten Deutschland.

Und all dies ist noch nicht einmal der Anfang.

Und wieder erklingt das ferne Stakkato einer Million Schreibmaschinentasten…

Montag, 26. Juni 2006

Generation Google

Der Hypertransfer hat es möglich gemacht…

Von einem nicht Ort zum anderen im Bruchteil einer Sekunde… Was früher wie ScienceFiction klang, ist heute das Paralleluniversum, in dem die meisten Menschen mehr oder weniger ständig abhängen… Ziemlich egal, dass die „Orte“, die wir besuchen, rein virtuell sind, d.h. nicht existent. Immerhin heisst ja auch Utopia „kein Ort“…

Und wie bei jeder Utopie fangen die Moralisten und Nörgler irgendwann an zu quengeln. Ein neues Unwort macht die Runde. So sexy und glatt wie Quasimodos Buckel. Ein Unwort, passend für den Un-Ort.

Google, googeln, Generation Google…

“Text googeln, ausschneiden, einfügen, ausdrucken - das Internet habe Ideenklau zu einfach gemacht“, klagt Sally Brown, Professorin der Metropolitan University Leeds. Viele Studenten glaubten, dass Abschreiben völlig in Ordnung sei, und redeten sich heraus: Ein bisschen Inspiration - was ist schon dabei? Etwa nach dem Motto: "Wenn die Professoren so dumm sind, uns drei Hausarbeiten zum selben Abgabedatum aufzugeben, was können sie dann erwarten?" Oder auch: "Ich hätte es selbst nicht besser sagen können."

Natürlich nicht. Wie hätte ich diese weisen Worte sammeln können, wenn nicht durch googeln, ausschneiden, einfügen, ausdrucken. Wenn ich allerdings darauf angewiesen wäre, solche Ideen zu klauen, könnte ich mich auch gleich Klosterstern auf die Gleise stellen und wetten, ob die S-Bahn heute endlich einmal rechtzeitig fährt.

Google, google, erklingt es, ein wenig wie die Geräusch, die ein Truthahn macht, derweil man ihn um den Hackblock jagt. Irgendwann ist er so schnell geworden, dass er anfängt, den Jäger zu jagen.

Das Grundkonzept des Internets ist das Hyper-Text-Transfer-Protokoll, die wechselseitige Vernetzung von Informationen. Wissenschaftler haben es erdacht, damit sie nicht jeden Tag zur Post rennen mussten, um die Forschungsergebnisse von Kollegen zu erhalten. Nice and smooth. Das Internet als Datensammlung. Ein grosses, verdammt unübersichtliches Meta-Lexikon. Das einzige Problem, das man haben sollte, ist zu unterscheiden, ob die Informationen, in die man Einsicht nimmt, von einem Wissenschaftler verfasst wurden oder von einem akneschrundigen Fanboy, der anstelle wie andere gemeingefährliche Irre in ihren Fäkalien, in legasthenischem Wortbrei wühlt.

Google, google…

Ich weiss nicht, ob Sally Brown, Professorin der Metropolitan University Leeds (s.o.) die Erklärung des Internet als Meta-Lexikon akzeptieren würde. Abschreiben ersetzt natürlich keine eigene geistige Leistung. Zu meiner Zeit gab’s so was noch nicht, aber andererseits hat man einem Autoren auch keinen Strick daraus gedreht, wenn er in ein Lexikon oder Vergleichbares geschaut hat. Von irgendwoher muss es ja kommen, wenn man nicht voraussetzt, vollkommene Texte könnten auch ohne Grundlagen oder Hintergrundwissen entstehen. Nunja, sicherlich… vollkommen ist ein relativ relativer Begriff. Auch der legasthenische Wortbrei eines akneschrundigen Fanboys kann perfekt sein in einer eigentümlichen Mischung aus Faszination und Ekel. Aber will man das wirklich sehen?

Google, googeln, Generation Google. Die Mimetische Revolution… Nummer Neun, Nummer Neun…

Ich hätte es selbst nicht besser sagen können.

Demnächst: Generation Google II: The Clone Wars

Donnerstag, 22. Juni 2006

Robert E Howard :: In Memoriam 2006

„Das hier kann nicht alles sein", grübelte er. „Es muß auch etwas anderes geben - aber was ist anders? Das Licht! Ich erinnere mich an Licht, doch ich kann mich nicht entsinnen, was Licht ist. Ganz gewiß kenne ich eine Welt, die anders ist als diese."
Weit entfernt hob sich plötzlich ein schwacher grauer Schimmer ab. Er hastete darauf zu. Der Schimmer wuchs, bis es dem Mann schien, als schreite er einen langen, sich stetig erweiternden Gang entlang. Dann stand er mit einem Mal im blassen Sternenlicht und spürte den kalten Wind in seinem Gesicht.
„Das ist Licht", murmelte er. „Aber auch das ist noch nicht alles."
(Robert E. Howard, "Nur einen Gongschlag lang")
Am 11. Juni 2006 war der 70. Todestag von Robert E. Howard, ein Datum, das noch dadurch hervorgehoben wird, dass 2006 auch Howards hundertstes Lebensjahr gewesen wäre, hätte er sich nicht im Jahre 1936 selbst das Leben genommen. Howard war eine widersprüchliche und letztendlich tragische Gestalt - ein Texaner, der sich für einen Kelten hielt, sowohl tatsächlich als auch metaphysisch, was sich immer wieder in dem düsteren und schicksalsschweren Untertönen seiner Lyrik und seiner Geschichten niederschlug. Geboren wurde er am 22. Januar 1906 in Peaster, Texas, die meiste Zeit seines Lebens jedoch verbrachte er in Cross Plains, Texas.

Cross Plains, im Südosten von Callahan County, Texas, befindet sich nahe den so genannten Caddo Peaks (so benannt nach dem Stamm der Caddo-Indianer) an den Ufern des Turkey Creek. Die geschätzte Einwohnerzahl beträgt 1.063. Die Landschaft ist eher ruhig und ein wenig öde, weder die blaue See noch die triefenden Dschungel gibt es hier, von denen Howard so gerne schrieb. Betrachtet man die träge dunkle Landschaft, so scheint es, dass Howards Imaginationskraft noch grösser war, als sie zudem schon erscheint, wenn man bedenkt, wie wenig Inspiration ihm zur Verfügung stand.

Und was ich mich immer gefragt habe, was das „Kreuz“ in Cross Plains zu bedeuten hat – ein schemenhaftes Bild einer von Kreuzen übersäten Ebene mitten im Wilden Westen taucht hier auf – kann auf der eher provinziellen Webseite des Städtchens auch nachgelesen werden: es handelt sich um einen Ort, an dem sich Kutschen- und Militärrouten überschnitten („kreuzten“). Erst 1878 wurde eine Poststation gewährt. In dem restaurierten Haus der Howard-Familie befindet sich inzwischen das Robert E. Howard Museum.

Bei den am 8-10. Juni 2006 veranstalteten "Robert E. Howard Days" zum Gedenken an den grössten (und wohl einzigen bekannten) Sohn der Kleinstadt, waren als Ehrengäste Glenn Lord, Howards Literaturagent und Verwalter des Nachlasses, und Roy Thomas geladen, der für Marvel die ersten Adaptionen von Conan (und anderen Howard-Helden) verfasste und damit sorgte, dass das literarische Werk des letzten Kelten nicht in Vergessenheit geriet. [Roy Thomas ist ausserdem auch als Kapazität für Golden Age-Superhelden und als Autor zahlreicher unvergessener Stories für Marvel und DC bekannt.]

Dienstag, 20. Juni 2006

Verlorene Mädchen

Nach 16 Jahren wird endlich Alan Moores und Melinda Gebbies magnum opus "Lost Girls" in einer vollständigen Ausgabe veröffentlicht. Im Schuber. Umgeben mit Ziegenhaut. Auf jeden Fall kann man davon nicht schwanger werden.
Wer ausser Alan Moore, der schon die gesamte viktorianische Abenteuerliteratur dekadent und pervertiert hat erscheinen lassen (eine realistische Einschätzung!) hätte sich die Zeit und Mühe gemacht, über die erotischen und pornokratischen Abenteuer von ALICE, DOROTHY und WENDY zu meditieren, die sie erlebt hatten, derweil sie in den phantastischen Welten des WUNDERLANDS, OZ oder des NIMMERLANDS gefangengehalten wurden?
Natürlich.... tief im Keller habe ich auch noch ein Manuskript mit dem bescheidenen Titel "PIPI LANGSTRAPS".

Ein umfangreiches Interview mit Alan Moore und seinen Coautoren erschien in Newsarama:
Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4

Ein neueres und sehr kondensiertes Interview
Hier

Freitag, 16. Juni 2006

Clark Ashton Smiths Poseidonis-Zyklus

"Uralte Folianten, in Schlangenleder gebunden, das Wissen von Atlantis, die Pentagramme, die Macht verliehen über die Dämonen der Erde und des Mondes, vergessene Runen aus Hyperborea, tödlicher als Gift..."

Nach der theosophischen Geschichtslehre ging Atlantis nicht auf einmal unter. Der Theosoph W. Scott-Elliot erweiterte dies in "The Story of Atlantis and the Lost Lemuria" (1896) zu einer definitiven Version der Geschichte: So zog sich der Untergang über eine halbe Million Jahre hin, während dessen der Kontinent in eine Reihe von Inseln zerbrach, deren letzte Poseidonis genannt wurde. Der Name "Poseidonis" taucht in antiken Quellen nicht auf, inspirierte Clark Ashton Smith zu einer Reihe von Kurzgeschichten:

Die hervorstechendste Person in dem kurzen Zyklus von Geschichten ist der Meisterhexer Malygris, der selbst nach seinem Tode noch unheimliche Gewalt über die Menschen Poseidonis' auszuüben vermag:

".... ein Thron aus dem Elfenbein des urzeitlichen Mastodons, verziert mit Runen, die Armlehnen wie Basilisken geschnitzt, um deren Häupter sich seine knochigen Hände krallten. Ein einziges rautenförmiges Fenster aus rotgoldenem Glas spendete Licht. Kalte frostiggrüne Augen in einem Gesicht wie Pergament, der Bart halb weiß, halb von bläulich schimmerndem Schwarz, wallte bis fast zu den Knien herab, violettes Gewand, über das Schlangenbuchstaben aus Silber krochen. Der Mosaikboden war teilweise bedeckt von den Häuten schwarzsilberner Menschenaffen, über dem Portal hing ein Einhornhaupt, in dem der Familiaris des Malygris hauste, in Form einer Korallenviper mit hellgrünem Bauch und grauen Tupfen."
(The Last Incantation, dt. Übersetzung)

Er taucht in zwei Geschichten auf, in einer weiteren einer seiner Schüler. Die Macht, die die letzten Magier auf dieser untergehenden Welt haben, ist vielleicht ein ironischer Verweis auf die theosophische Legende, dass Atlantis (Poseidonis) wegen der Ausübung Schwarzer Magie zerstört wurde. Allein, die Geotektonik kennt keine Moralischen Geschichten, der Untergang der letzten atlantidischen Inseln hatte natürlich ganz andere Gründe, die wahrscheinlich mit dem Zweiten Kataklysmus zu Anfang des Hyborischen Zeitalters zusammenhingen:

"Allerdings traf durch jene Ironie, welche alle Triumphe und Errungenschaften des Menschen begleitet, der Fortschritt dieser Beherrschung des Naturgesetzes zusammen mit den tiefgreifenden geologischen Veränderungen und Umwälzungen, welche das all­mähliche Absinken von Atlantis verursachten. Zeitalter um Zeit­alter, Äon um Äon war dieses Geschehen vorangeschritten: zyklo­pische Halbinseln, ganze Meeresküsten, hohe Gebirgsketten, Ebenen mit Städten sowie Hochebenen, allesamt tauchten sie nacheinander in den sintflutartigen Wogen unter. Dank des Fort­schritts der Wissenschaft waren der Zeitpunkt und die Lage künfti­ger Katastrophen genauer vorhersagbar, jedoch konnte man nichts tun, sie abzuwenden.
In den Tagen des Hotar und Evidon war alles, was übriggeblie­ben vom früheren Kontinent, eine große Insel namens Poseidonis. Weithin war bekannt, daß diese Insel mit ihren reichen Häfen, den jahrhundertealten Monumenten der Kunst und Architektur, den fruchtbaren Tälern im Binnenland und Bergen, welche ihre Schneetürme über subtropische Dschungel erhoben, dazu ver­dammt war unterzugehen, noch bevor die Söhne und Töchter der heutigen Generation zur Reife herangewachsen waren."
(A Voyage to Sfanomoe, dt. Übersetzung)

Dienstag, 13. Juni 2006

Das Ergebnis eines Jahrhunderts und einer Woche

Jetzt ist's wohl raus. Das Brettspiel, das ich mit soviel Akribie aus den Zeichnungen von Audrey Beardsley konstruiert habe, findet nicht den Geschmack der Geschäftsleitung. Stattdessen sitze ich wiederum hier und beschneide schon wieder die gleichen Presse- und Stellfotos wie immer und versuche daraus was Anständiges zu machen.
(Eine einsame Träne glitzert im Auge meines Kollegen, als er dies liest...)
Vergeblich also auch die stilistischen Anleihen an den Jugendstil, das Art Deco, der Versuch, das Ätherische und Verderbte des Viktorianischen Zeitalters mit dem Ätherischen und Verderbten in Mozarts Musik zu kombinieren.
Vergeblich also auch mein Versuch, den Kulturbetrieb zu unterwandern, in dem ich Material aus Crowleys Zeit und kulturellem Umfeld einschmuggele.
Dammit.
Dabei hatte ich nicht einmal die pornografischen Bilder von Beardsley benutzt.
(Nicht dass die anderen Bilder nicht genauso schlimm sind.)

Sonntag, 11. Juni 2006

Ein Hauch von Sommer

Es ist heiss und trocken geworden in der Stadt am grossen grauen Fluss. In helle Farben gekleidet, die staubigen Strassen herab. Auf dem Marktplatz der grosse Flohmarkt, den die Sozis schon seit Jahrzehnten ausrichten. Hier legt der Mittelstand und die Leute aus den Waldsiedlungen alles auf die Gabentische, was sonst in ihren Speichern verstauben würden. Ein schöner Zeitpunkt für Nostalgie, ein wenig ist's wie früher, als es auf Flohmärkten noch wirklich alte und nützliche Sachen gab und keinen Hongkong-Trash und Handyhülsen aus Usbekistan.

Ich flaniere, ich stöbere, ich schwitze. In der einen Kiste finde ich amerikanische Taschenbücher aus den 60ern, daneben die roten Originalausgaben von Edgar Wallace, die meine Mutter sammelt und mit denen ich manche Sommernachmittage auf irgendeinem baum zugebracht habe. Ich schlendere mit einem Bradbury-Taschenbcuh davon, die Kinder spielen, stöbern, quengeln. Mein Sohn staubt ganze Autokolonnen ab. Trotz allem habe ich einen Anfall nostalgischer Verjüngung. ein wenig ist's wie damals.

Und plötzlich werde ich angesprochen, als ich begehrlich in einem Karton mit Comics wühle. der Verkäufer ist der Bakannte eines Bekannten eines Bekannten, und er hat mich trotz einiger Jahrzehnte, Kilos und Barthaare mehr sofort erkannt.

Zuhause greife ich irgendwann nach dem Rasierapparat und schere mich, bis ich wieder 15 Jahre jünger aussehe.

Ich muss meine Tarnung noch verfeinern....

Der grossmächtige Merkurius

„So erzählt eine Generation der andern merkwürdige Träume, dabei nehmen diese Träume schärfer umrissenen Gestalten an, und es verliert sich unmerkbar die Erinnerung an ihre Herkunft, man vergisst, dass es eigentlich Träume sind, die man sich erzählt, dadurch werden die berichteten Begebenheiten nur noch seltsamer, bis sich endlich die Schöpfung vollendet, die wir Märchen nennen.“

Friedrich von der Leyen, "Traum und Märchen" (1901) in: Märchenforschung und Tiefenpsychologie, hg. v. Wilhelm Laiblin, 5. Aufl., Darmstadt 1995


DER GEIST IM GLAS
ein Märchen der Gebrüder Grimm

Der Sohn aber ging in den Wald, aß sein Brot, war ganz fröhlich und sah in die grünen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So ging er hin und her, bis er endlich zu einer großen, gefährlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre alt war und die keine fünf Menschen umspannt hätten. Er blieb stehen und sah sie an und dachte: Es muß doch mancher Vogel sein Nest hineingebaut haben. Da deuchte ihn auf einmal, als hörte er eine Stimme. Er horchte und vernahm, wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief: »Laß mich heraus, laß mich heraus.« Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, doch es war ihm, als ob die Stimme unten aus der Erde hervorkäme. Da rief er: »Wo bist du?«

Die Stimme antwortete: »Ich stecke da unten bei den Eichwurzeln. Laß mich heraus, laß mich heraus.« Der Schüler fing an unter dem Baum aufzuräumen und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. »Laß mich heraus, laß mich heraus«, rief's von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus und fing an zu wachsen und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. »Weißt du«, rief er mit einer fürchterlichen Stimme, »was dein Lohn dafür ist, daß du mich herausgelassen hast?«

»Nein«, antwortete der Schüler ohne Furcht, »wie soll ich das wissen?«

»So will ich dir's sagen«, rief der Geist, »den Hals muß ich dir dafür brechen.«

»Das hättest du mir früher sagen sollen«, antwortete der Schüler, »so hätte ich dich steckenlassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.«

»Mehr Leute hin, mehr Leute her«, rief der Geist, »deinen verdienten Lohn, den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein, es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.«

»Sachte«, antwortete der Schüler, »so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen, daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast und daß du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ich's glauben, und dann magst du mit mir anfangen, was du willst.« Der Geist sprach voll Hochmut: »Das ist eine geringe Kunst«, zog sich zusammen und machte sich so dünn und klein, wie er anfangs gewesen war, also daß er durch dieselbe Öffnung und durch den Hals der Flasche wieder hineinkroch. Kaum aber war er darin, so drückte der Schüler den abgezogenen Pfropfen wieder auf und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz, und der Geist war betrogen.

* * *

MERCURIUS: Eines der drei Grundprinzipien (Elemente) der westlichen Alchemie, auch als Quecksilber, Adler der Weisen oder metallischer Luzifer bekannt. Es entspricht dem Geistigen, Ewigen in der Natur und im Menschen. In der Symbolik des Verbrennungsprozesses entspricht Quecksilber dem Rauch. Es wird auch mit dem "Astrallicht", dem Denkprinzip und der geistigen Quintessenz (d.h. der fünften Essenz = dem fünften Element) alles Bestehenden identifiziert.

Sonntag, 4. Juni 2006

Eine ziemlich lustlose Apokalypse

Trotz allem war der Schienenersatzverkehr, in dem wir gestern abend nach dem Kino sassen, dann doch noch das Schlimmste. Während es in dem Film, in dem wir gerade gesehen hatten, um Mutanten ging, die wenigstens chicke Uniformen und elegante Kräfte hatten, waren wir plötzlich gefangen in einem Wust von Mutanten mit schlechtsitzenden Kostümen (Schlagerfans) und der uneleganten Macht, einen vollbesetzten Bus mit Bierdünsten und fäkalem Gegröle zu füllen (Fussballfans). Alles in allem war die ziemlich lustlose Apokalypse, die man in X-Men III adaptiert hatte, dann doch der bessere Handel.

Lang erwartet, hätte ich im Nachhinein lieber noch länger auf den letzten Teil der Trilogie um Stan Lees und Jack Kirbys "Kinder des Atoms" gewartet. Es war klar, dass es auf den fast perfekten 2. Teil schwierig sein würde, einen angemessenen An- und Abschluss zu finden, vor allem, weil die Thematik jedem, der mit dem Mythos X-Men vertraut ist, schon seit den letzten Minuten des 2. Teils klar war.

Dennoch: dass die Phönix-Saga zu einem weiteren Meilenstein in der von den grossen Verlagen praktizierten Demontage des Heldentypus werden würde, hätte wohl keiner gedacht. Man muss kein Nostalgiker sein und abends die in Leder gebundenen Reprints aus den 60er Jahren streicheln, um zu begreifen, dass das extreme, um alle Nuancen beraubte Endspiel von Mutanten, die wie die Heiligen Tiere der Apokalypse röhren und sich gegenseitig zerfetzen, derweil eine dämonische Frau in Rot über ihnen schwebt, wenig mit dem von Charakterzeichnung vorangetriebenen Original zu tun hat. Eine ziemlich lustlose Apokalypse zudem, in der wie auf einer Strichliste alle Charaktere "abgearbeitet" werden.

Man kann die Mutanten der Marvel-Comics als Gleichnis sehen auf die Verfolgung Andersdenkender, oder als Homosexuelle oder ethnische Minderheit. Dies ist in den letzten 40 Jahren alles in den Mythos eingeflossen. Aber diese Freiheit der Interpretation wurde durch die holprige Logik des Drehbuches auf primitives Schwarz-Weiss reduziert. Keine Helden mehr, keine Schurken, nur noch zweifelhafte Action-Ethik.

Wie tief sind die Mächtigen gefallen!

Pulpkoan [4]


"Verlange nicht zu leichtfertig nach Erkenntnis /
Förderlich ist es, seine Opfer sorgsam zu wählen."


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Abgewandelter Coverscan (All-Detective Magazine). Wie der aufmerksame Leser bemerken wird, hat dieser Pulpkoan die Nummer 4, obwohl bereits Nr. 5 und 6 erschienen waren. Soweit ich es rekonstruieren kann, muss das ursprüngliche Posting einem der datenumzüge zum Opfer gefallen sein. (ironisch, nicht.) Ich erlaube mir, ihn im Zuge der Renovierung zum 1jährigen Jubiläum von NEMED HOUSE neuerlich zu veröffentlichen.

Samstag, 3. Juni 2006

Auf dem Schreibtisch

Faktoid

  • Der letzte Teil der Artikelserie über König Kull von Atlantis: Die Religion von Atlantis (Teil 1 und 2 finden sich hier) Der reine Fantasycharakter des behandelten Stoffes hat sich inzwischen durch erstaunliche Parallelen zur Theorosphie et al zu interessantem Umfang aufge... äh... bläht.

Esoterisch

  • "Rites for the Masses" aka "Uncommon Book of Prayer": Eine Sammlung von Kurzanrufungen für jeden Zweck, in Korrespondenz mit der Londinium-Kategorisierung spiritueller Phänomene, basierend auf der Liturgie der Gnostischen Messe von Mstr. Therion.
  • "Ritus des Sumbels", nach umfangreicher Recherche, vor allem im merceischen und sächsischen Neuheidentum sollte eine für die Loge und das Allgemeine Ritual geeignete Version bald fertig sein.

Pulp
  • "Der Vierte Kreis": Drehbuch für ein Hörspiel aus dem 19. Jahrhundert. Materialsammlung umschliesst inzwischen Johai-fenster, Denatsate und natürlich das Wold Newton Universum.
  • "Gold der Niksa": Eine geschichte des Götter-Essers, in der Cargo-Kulte und der Atlantis-Mythos behandelt werden. Materialsammlung umschliesst vor allem Clark Ashton Smith' Poseidonis-Zyklus.

Songbook :: Diggin' in the Dirt

Diggin’ in the dirt
Try to find some gold
in the mud of your soul

Forget about sin
Don’t let past things
drag you down (darlin’)

Diggin’ in the dirt
You dig all your life
but never touch the ground

Body of a Beast
But in my heart a star
shines on forever

Chorus:
Diggin’ in the dirt, all I gotta say:
Wasn’t man made from clay?

Diggin’ in the dirt
The deeper you dig
the harder it gets

Kick in the head
If life’s a mess
changin’ it is the best (baby)

Diggin’ in the dirt
Shovel on hard
Down in your pit

Never give up!
If your spade breaks
Use your nails (and shine on!)
Chorus

Donnerstag, 1. Juni 2006

Nemed House Online : The Sanctum

Mit dem heutigen Tag habe ich noch ein weiteres Blog eingerichtet. Noch mehr Möglichkeiten für mich, meine gedanklichen Verwirrungen publik zu machen. Noch mehr Möglichkeiten für den getreuen leser, sich verwirren zu lassen. In THE SANCTUM wird es noch fragmentarischer zugehen - neben Notizen aus dem Arbeitsverlauf auch mal Fundstücke der Wochen, oder Rezensionen. Vielleicht auch bloss Materialien, die ich anderweitig verwerten werde. Ein Heidenspass. Keine Gnade :-)

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UPDATE: Der Betreiber der Seiten, unter denen THE SANCTUM abgelegt war, hat mittlerweise beschlossen, nach heroischem Kampf gegen die Lustlosigkeit und den Niedergang der Internetcommunities, die Seiten zum Jahresende 2009 aus dem Netz zu nehmen. Alle mehr oder weniger interessanten Einträge in THE SANCTUM wurden deswegen schnell noch einmal herüberkopiert. Danke noch einmal den treuen Lesern, und natürlich dem Cheffe, der so lange Jahre das Auf und Ab der Commuinity er- und getragen hat. Viel Glück bei den Nachfolgeprojekten!!!