Dienstag, 25. Oktober 2005

Die Religion des Werwolfes

In „777“, diesem grossen magischen Notizbuch, in dem alle Wunder und Phänomene des Übernatürlichen sauber und ordentlich in unzähligen Tabellen sortiert sind, werden Werwölfe (zusammen mit Phantomen) Linie 29 zugeordnet, d.h. dem Pfad des Buchstaben Qoph, dem als weltliches Äquivalent das Zeichen der Fische zuordnet wird. Das ist bereits auf den ersten Blick recht passend, wenn man sich daran erinnert dass der Ausdruck „Fische-Zeitalter“ eine esoterische Beschreibung des „Äons des Sterbenden Gottes“ ist – des christlichen Zeitalters. Das Zeichen der Fische steht für das Prinzip des Glaubens und das kirchliche Kontinuum in jedweder Ausprägung. Den Kult. Den Aberglauben. Den Widerglauben. Die Gegenkirche.
Der Werwolf ist, wie in den norddeutschen Legenden recht deutlich gemacht wird, ein Teil dieser Gegenkirche. Er hat seine Seele dem Bösen verschrieben, was eine Parallele zur christlichen Taufe sein mag. So wie der Christ durch die Taufe dem Schutz Jesu unterstellt wird, sozusagen neugeboren im Glauben, entsagt der Werwolf diesem Glauben. Er flieht vor der Nennung seines Taufnamens, d.h. seines christlichen Namens. Was für einer grausigen Bluttaufe mag er sich unterzogen haben, als sich im Widerglauben neugeboren hat? Hat er auf seine unsterbliche Seele gespien und sie Satan geopfert, wie man es im Mittelalter den Templern vorwarf?
Der dem Buchstaben Qoph entsprechende Trumpf des Tarot ist das Grosse Arkanum „Der Mond“. Doch es ist nicht der Mond als Heilsbringer, sondern ein dunkler Mond, der „Mond der Zauberei, Hexenkunst und abscheulichen Untaten“, wie der Meister Therion in seinem Buch Thoth schreibt. „Er ist die gifterfüllte Dunkelheit, die Voraussetzung zur Wiedergeburt des Lichtes.“
„Dieser Pfad wird durch das Tabu geschützt. Er ist Unreinheit und Zauberei. Auf den Hügeln befinden sich schwarze Türme des namenlosen Mysteriums, des Schreckens und der Furcht. Alle Vorurteile, aller Aberglaube, tote Tradition und angestammter Ekel, verbinden sich, um sein Angesicht vor den Augen der Menschen zu verdunkeln. (...)
Das hier mögliche Licht ist tödlicher als die Dunkelheit, und die Stille wird durch das Heulen wilder Bestien verwundet.“

Wie passend ist das als Bild des seelenlosen Widerglaubens, des Gegenlebens einer fruchtlosen Hexerei, die sich nur selbst weiter am Leben halten kann, indem sie unaussprechliche Akte des Kannibalismus begeht und sich wie ein Vampir am der Unschuld von Kindern nährt? Die Bestien, die man hier heulen hört, sind nicht nur Werwölfe, sondern all diejenigen, die ihre unsterbliche Seele einem Phantom geopfert haben und ihre eigene innere Verderbtheit zu verbergen suchen, indem sie sich in einen dunklen Mantel hüllen.
„Dies ist die Schwelle des Lebens und dies ist die Schwelle des Todes. Alles ist zweifelhaft, alles ist geheimnisvoll, alles ist Gift und Betörung. Nicht die wohltätige, sonnenhafte Berauschung des Dionysos, sondern der schreckliche Wahnsinn von schädlichen Drogen; dies ist die Trunkenheit der Sinne, nachdem der Geist durch das Gift dieses Mondes vernichtet worden ist. Dies entspricht dem, was über Abraham im Buch des Ursprungs geschrieben steht: ‚Der Schrecken großer Dunkelheit kam über ihn.’“

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