Montag, 31. Oktober 2005

Geisterjäger :: German Splatter

Ein Auszug aus
WILLKOMMEN IN DER BLUTIGEN STADT

Roth lenkte den Wagen an den Strassenrand und wartete ab. Mitten auf der Straße kam der andere PKW zum Stehen. Ein konfus wirkender Mann stieg aus. (...)
Das Entsetzen hatte sich in sein Gesicht gefressen. „gehen Sie nicht in die Stadt... nicht... soviel Blut“, sagte der Mann. (...)
„Was sagen Sie?“, fragte Roth.
„Soviel Blut“, murmelte der Mann, während Roth in seine ausdruckslosen Augen schaute.
Der Lärm eines herannahenden LKWs drang an Roths Ohren.
In diesem Moment war es auch schon zu spät.
Der LKW bremste, doch schon erfasste sein Heck den Mann, der in seinem blinden Wahn auf die Strasse gerannt war. (...)
Man sollte annehmen, dass der Mann viele Meter weit geschleudert wurde. Doch das passierte nicht.
Der Mann zerplatzte wie ein Ballon, der mit roter Farbe gefüllt war.
(...)
Jörg Roth lehnte sich erschöpft gegen seinen Wagen. Er sah auf die Leiche, von der außer einer Art Haut und dem Blut eigentlich nicht mehr viel übriggeblieben war.


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Unveränderter Ausschnitt aus einem der Original-Abenteuer von Jörg Roth, GEISTERJÄGER (Januar 1984). Ausser natürlich die Absätze. Und die Rechtschreibung. Und dass ich alle Sätze rausgenommen habe, die a) grammatikalisch nicht stimmten b) keinen Sinn ergaben oder c) unnütz waren.

Sonntag, 30. Oktober 2005

Geisterjäger :: Eine Art Exorzismus



Manchmal steht man mitten und Leben dann wird einem klar, wieviele Dinge man begonnen aber nicht beendet hat. Vielleicht sollte man nicht versuchen, diesem natürlichen Gang der Entwicklung entgegenzuwirken. Manche Dinge sind besser unvollendet, und manche Dinge sollte man besser vergessen. Von den vielen Geschichten, die es zu erzählen gibt, haben manche nur für eine gewisse Zeit einen Reiz, bevor man zu fesselnderen Dingen übergeht. Die Geschichten verblassen, setzen Staub an, und einige Jahre später ist das Pergament, auf die sie hastig niedergekritzelt wurden, brüchig, und selbst eine fiebrige Imagination kann die Lücken nicht mehr schliessen, die sich aufgetan haben. Vielleicht aber waren diese Lücken auch immer da, und man hat es nur früher nie bemerkt. Alles zerfällt in Stücke, der Mittelpunkt kann es nicht mehr halten, und es herrscht nur noch ein blasses Gespenst von Nostalgie, hinter einer dünnen Papiermaske versteckt.

Von den vielen Geschichten, die im Staub der Krypten herumliegen, auf vergilbendem Papier und zerbröckelndem Papyrus, sollte vielleicht keine mehr und besser vergessen werden als die von Jörg Roth, GEISTERJÄGER. Und doch pocht sein Gespenst heftig an die Türen der Krypta, und seine murmelnde, wispernde Gespensterstimme dringt immer wieder aus der Tiefe hervor.

Jörg Roth, GEISTERJÄGER gehört zu den Kurzgeschichtenserien in Heftchenform, die ich und ein Freund, der mittlerweile unerkannt bleiben will, Anfang der 80er Jahre zu unserem gegenseitigen Vergnügen verfassten. In vielem von dem, was geschrieben wurde, kann man heute noch sehen, welche Ideen und welche Figuren uns zu dieser Zeit begeisterten. Was unsere Augen verschlangen, setzten wir relativ unverdaut aufs Papier. Irgendwann wurde man älter, und das Schreiben brach ab oder wurde ernsthaft. In der gleichen Zeit verbrannte auch mein Freund alle seine Kurzgeschichten und auch einiges von dem, woraus er als begeisterter Jugendlicher seine Ideen bezogen hatte. Manche Dinge haben nur für eine gewisse Zeit einen Reiz, bevor man zu fesselnderen Dingen übergeht. Fast das einzige, das diese brutale Emanzipation überlebt hat, sind die Geschichten, die er über Jörg Roth für unsere gemeinsame Serie geschrieben hat. Im Austausch für einige belastende Photographien, die ihn zusammen mit einem Mitglied von Guns’n’Roses, dreier Flaschen Jim Beam und einer grünlich schillernden Substanz zeigen, gelangten sie vor einiger Zeit in meinen Besitz.

Selbst meine fiebrige Imagination kann die Lücken nicht mehr schliessen, die sich aufgetan haben. Aber nach über einem Jahr Meditation und dem Skizzieren von Plots kann ich vermuten, warum Jörg Roth, GEISTERJÄGER unvollendet blieb und fast vergessen wurde.


Ein Überblick über die Geschichten: Die erste Geschichte „Wen der Schatten jagt“ ist leider verschollen. Sie ist sicherlich die Beste, da sie nur noch in der Erinnerung existiert und die Phantasie ein besserer Autor ist als derjenige, der die Geschichte zuerst zu Papier brachte. „Tor zur Hölle“ braucht zu viele Seiten, bis endlich das im Titel erwähnte Tor geschlossen wird, aus dem ohne ersichtlichen Grund Feuergeister entweichen. In „Die Vampirhöhle von Bhawanipatna“ wird erwähnt, dass Dämonen die ersten Herrscher der Erde gewesen sind, und einige Relikte hinterlassen haben. Die Hauptgegner der Serie, die Kinder von EREBUS, versuchen, Jörg Roth bei einem Indienbesuch auszuschalten, indem sie alle Untoten der Umgebung auf ihn hetzen. Immerhin eine interessante Umkehrung der gewöhnlichen Formel. Wäre Jörg Roth zuhause geblieben, hätten die Vampire weiter ihren Schlaf der Ewigkeiten schlummern können... „Wesen der Nacht“ ist eine passende Geschichte für die Halloween-Zeit. Mitten im schottischen Hochland kommen jedes Jahr zur „Schwarzen Geisternacht“ alle Geschöpfe der Nacht zusammen, um den Verlust ihrer ehemaligen Macht zu betrauern. In diesem Jahr überleben nur wenige der Bewohner des nahegelegenen Dorfes, vor allem weil Jörg Roth alle christlichen Embleme aus der Kirche entfernt, um daraus Waffen für sich herzustellen. „Der Totengräber von Liberty Forrest“ ist eine eher nichtssagende Geschichte über einen Serienmörder, der seine Opfer mit einem Spaten zerlegt. Nicht weiter verwunderlich, er ist wirklich ein ehemaliger Totengräber.
Höhepunkt der niedergeschriebenen Geschichten ist jedoch zweifellos „Willkommen in der blutigen Stadt“, in der eine gesamte Kleinstadt im Weserbergland Opfer fremdartiger Einflüsse wird. Unter dem Einfluss des Blutagenten der Kinder ERBUS’ verwandelt sich die gesamte Bevölkerung in einer rasanten Abfolge unschöner Szenen, die ans Bizarre grenzen, zu blutdurstigen Wahnsinnigen. Es gibt kein Entkommen, stattdessen ist dies nur der Anfang einer blutigen Spur, die Jörg Roth durch Raum und Zeit bis in das Schattenreich seiner grössten Feinde führen soll. (Die projizierten Nachfolgegeschichten wurden natürlich nie geschrieben...)

Freitag, 28. Oktober 2005

Eine andere Art von Zoo

Gregory Corso
A DIFFERENCE OF ZOOS

I went to the Hotel Broog;
and it was there I imagined myself singing Ave Maria
to a bunch of hoary ligneous Brownies.
I believe in gnomes, in midges;
I believe to convert the bogeyman,
take Medusa to Kenneth's;
beg Zeus Polyphemus a new eye;
and I thanked all the men who ever lived,
thanked life the world
for the chimera, the gargoyle,
the sphinx, the griffin,
Rumpelstiltskin --
I sang Ave Maria
for the Heap, for Groot,
for the mugwump, for Thoth,
the centaur, Pan;
I summoned them all to my room in the Broog,
the werewolf, the vampire, Frankenstein
every monster imaginable
and sang and sang Ave Maria --
The room got to be unbearable!
I went to the zoo
and oh thank God the simple elephant.


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Während ich nichts näheres über den Autor dieser Zeilen vorzuweisen habe, ausser dass er ein Beatnik gewesen sein soll, Teil der literarischen Generation, die in Europa nie viel bedeutung gefunden hat, gefällt doch die uneingeschränkte Umarmung jeder Art von mythischem Denken. Neben der klassischen Mythologie werden sogar mit The Heap und Groot zwei alte Comicmonster geehrt. Hurra!

Virtuelle Kürbislaterne!

Für all diejenigen, denen es zu mühsam oder eklig ist, sich durch halbverfaulte Kürbisinnereien zu wühlen oder sich beim Abtrennen der Schädeldecke einer Kürbislaterne (Jack O'Lantern für die Eingeweihten) in den Finger zu schneiden...

...HIER >>>> kann man das alles in einem einfachen, aber effektiven Flash-Spiel machen.

Happy Halloween, indeed.

Dienstag, 25. Oktober 2005

Die Religion des Werwolfes

In „777“, diesem grossen magischen Notizbuch, in dem alle Wunder und Phänomene des Übernatürlichen sauber und ordentlich in unzähligen Tabellen sortiert sind, werden Werwölfe (zusammen mit Phantomen) Linie 29 zugeordnet, d.h. dem Pfad des Buchstaben Qoph, dem als weltliches Äquivalent das Zeichen der Fische zuordnet wird. Das ist bereits auf den ersten Blick recht passend, wenn man sich daran erinnert dass der Ausdruck „Fische-Zeitalter“ eine esoterische Beschreibung des „Äons des Sterbenden Gottes“ ist – des christlichen Zeitalters. Das Zeichen der Fische steht für das Prinzip des Glaubens und das kirchliche Kontinuum in jedweder Ausprägung. Den Kult. Den Aberglauben. Den Widerglauben. Die Gegenkirche.
Der Werwolf ist, wie in den norddeutschen Legenden recht deutlich gemacht wird, ein Teil dieser Gegenkirche. Er hat seine Seele dem Bösen verschrieben, was eine Parallele zur christlichen Taufe sein mag. So wie der Christ durch die Taufe dem Schutz Jesu unterstellt wird, sozusagen neugeboren im Glauben, entsagt der Werwolf diesem Glauben. Er flieht vor der Nennung seines Taufnamens, d.h. seines christlichen Namens. Was für einer grausigen Bluttaufe mag er sich unterzogen haben, als sich im Widerglauben neugeboren hat? Hat er auf seine unsterbliche Seele gespien und sie Satan geopfert, wie man es im Mittelalter den Templern vorwarf?
Der dem Buchstaben Qoph entsprechende Trumpf des Tarot ist das Grosse Arkanum „Der Mond“. Doch es ist nicht der Mond als Heilsbringer, sondern ein dunkler Mond, der „Mond der Zauberei, Hexenkunst und abscheulichen Untaten“, wie der Meister Therion in seinem Buch Thoth schreibt. „Er ist die gifterfüllte Dunkelheit, die Voraussetzung zur Wiedergeburt des Lichtes.“
„Dieser Pfad wird durch das Tabu geschützt. Er ist Unreinheit und Zauberei. Auf den Hügeln befinden sich schwarze Türme des namenlosen Mysteriums, des Schreckens und der Furcht. Alle Vorurteile, aller Aberglaube, tote Tradition und angestammter Ekel, verbinden sich, um sein Angesicht vor den Augen der Menschen zu verdunkeln. (...)
Das hier mögliche Licht ist tödlicher als die Dunkelheit, und die Stille wird durch das Heulen wilder Bestien verwundet.“

Wie passend ist das als Bild des seelenlosen Widerglaubens, des Gegenlebens einer fruchtlosen Hexerei, die sich nur selbst weiter am Leben halten kann, indem sie unaussprechliche Akte des Kannibalismus begeht und sich wie ein Vampir am der Unschuld von Kindern nährt? Die Bestien, die man hier heulen hört, sind nicht nur Werwölfe, sondern all diejenigen, die ihre unsterbliche Seele einem Phantom geopfert haben und ihre eigene innere Verderbtheit zu verbergen suchen, indem sie sich in einen dunklen Mantel hüllen.
„Dies ist die Schwelle des Lebens und dies ist die Schwelle des Todes. Alles ist zweifelhaft, alles ist geheimnisvoll, alles ist Gift und Betörung. Nicht die wohltätige, sonnenhafte Berauschung des Dionysos, sondern der schreckliche Wahnsinn von schädlichen Drogen; dies ist die Trunkenheit der Sinne, nachdem der Geist durch das Gift dieses Mondes vernichtet worden ist. Dies entspricht dem, was über Abraham im Buch des Ursprungs geschrieben steht: ‚Der Schrecken großer Dunkelheit kam über ihn.’“

Der Werwolfsgürtel

Eine andere, jedoch den vorhergehenden durchaus verwandte Geschichte, erzählt man sich in Niedersachsen, in der Nähe von Celle...
WERWÖLFE IN DER HEIDE
„In Lachendorf hatte ein Bauer einen Knecht; der lag mit einem andern Knecht auf der Wiese hinterm Busch, und sie hielten Mittagsruhe. Da schlief der zweite Knecht beinahe ein, aber er blinzelte doch mit den Augen und sah, wie der andre Knecht einen ledernen Gürtel umtat und sich in einen Werwolf verwandelte, darauf fortlief, ein junges Füllen, das unten auf der Wiese graste, anfiel und fraß mit Haut und Haar. Wie er nun zurückkam, legte er sich neben den andern Knecht, der noch tat, als wenn er schliefe. Wie die Zeit um war, standen sie beide auf und mähten bis es Abend war. Darauf gingen sie zusammen nach Lachendorf, und unterwegs sagte der eine Knecht zum Werwolf: ich möchte mich doch nicht an lebendigem Pferde satt fressen. - Das hättest du draußen nicht sagen sollen, es wäre dir übel ergangen, sagte der Werwolfsknecht. Ein andermal stand der Knecht wieder von der Mittagsruhe auf, tat seinen Gürtel um und lief davon, aber da verfolgten ihn die Knechte, hetzten die Hunde auf ihn und schlugen ihn tot, weil er ein Werwolf war.
Die Menschen verwandeln sich in Werwölfe, indem sie einen Gürtel umlegen, und dann stehlen sie den Leuten allerlei. Den Knechten, die Korn auf dem Rücken tragen, nehmen sie das Korn ab. Ruft man einen Werwolf bei seinem menschlichen Namen, wenn man ihn nämlich weiß, so muß er so lange laufen, bis er umkommt.“

Montag, 24. Oktober 2005

Der Werwolfsriemen

In der Sage vom Werwolf von Ottensen wird der Riemen erwähnt, den der Hexer immer bei sich trug und durch dessen Anlegen er sich in den Wolfsmenschen verwandelte. Dass ein solcher „Werwolfsriemen“ ein starkes Amulett war, in dem mächtige Kräfte eingeschlossen waren, überliefert eine Sage aus dem Hessischen:
„Bei einem Mann in Ehlen (Habichtswald), der im Verdacht stand, daß er ein Werwolf sei, fand man nach langem vergeblichen Suchen im Keller ein tiefes Loch, darein war ein Faß gesteckt und das Ganze mit einer Steinplatte belegt, so daß es schwer zu entdecken war. Das Faß war ganz voll Fleisch, das der Werwolf gesammelt hatte. Den Werwolf selbst fanden sie nicht. Wie sie nun bei der Familie danach fragten, sagte das jüngste Kind: „Wo mein Vater ist, das weiß ich nicht. Wenn er aber den Riemen umtut, der da an der Wand hängt, dann kann er über die Haustür springen“ (d.h. über die Untertüre, die Türen waren geteilt). Einer von den Leuten, die das hörten, bekam Lust nach dem Riemen und schnallte ihn sich um den Leib. Kaum war das geschehen, so flog er hinaus. Er sprang nicht etwa über die Gärten und Hecken, wie es wohl Menschen können, sondern war auf einmal weg, und soviel sie auch suchten, er war nirgends zu finden. Nach vier Wochen fanden sie ihn tot im Walde. Das war die Strafe für seinen Vorwitz. Er verstand die Sache nicht.“

Heisst das vielleicht, dass er die Magie, die in dem verhexten Riemen eingeschlossen war, nicht verstand?
Oder war die gefährlichen Sprüche vielleicht in einer Sprache geschrieben, die er nicht kannte?

Der Werwolf in Ottensen

Ottensen ist, genauso wie Altona, bereits seit langem ein Stadtteil von Hamburg. Gemeinhin sagt man ja den Norddeutschen nach, dass sie nicht nur steif, sondern auch auf eine kühle, protestantische Weise Rationalisten sind, ohne Hang zur Mystik oder dem Metaphysischen. Wie erstaunlich also, wieviele Geister- und Hexensagen es aus dem norddeutschen Raum gibt. Und selbst die von einem Werwolf in Ottensen...
„In Ottensen bei Altona war ein Bauer, der mit dem Bösen einen Kontrakt machte.1 Von nun an lebte er in Saus und Braus, und das Geld fehlte ihm nicht, obwohl er vorher so arm gewesen war, wie nur einer. Dafür aber mußte er an dem letzten Tage jedes Monats sich in einen Werwolf verwandeln und jedesmal einen Menschen umbringen. Lange gelang es ihm auch. Aber als er einmal eine alte Frau, die hinter der Tür stand, anfallen wollte, schlug diese schnell den obern Teil zu und klemmte so lange seinen Kopf dazwischen, bis er sich rächt mehr rührte. Da ließ sie los und er fiel zurück, war aber noch nicht tot, sondern hatte sich nur so gestellt und lief voll Angst fort Als er aber in der folgenden Nacht im Bette lag, kam der Teufel, um ihn zu holen, weil er seinen Kontrakt nicht gehalten habe. Doch kam der Bauer diesmal noch frei; denn er versprach seine eigne kleine Tochter aufzufressen.
Ungefähr ein Jahr darauf war der Bauer mit seiner Magd allein auf dem Feld beim Heu, als es Mittag schlug und er sich erinnerte, daß es der letzte des Monats sei. Sogleich spannte er seinen Riemen um, den er immer bei sich trug2 und stürzte sich plötzlich als Wolf auf die arme Magd. Glücklicherweise erinnerte die sich gleich seines Taufnamens, 3 und als sie ihn dreimal dabei gerufen hatte, stand er wieder verwandelt vor ihr, denn das allein kann helfen. Da lief die Magd eilig nach dem Dorfe, holte ihre Sachen und ging, ohne einem Menschen etwas zu sagen, nach Hamburg. Denn sie wollte vor Furcht nicht länger in seinem Hause bleiben, das er sich prächtig am Graswege erbaut hatte. In der Nacht kam der Böse wieder zu ihm und nur durch den Tod seines zweiten, einzig noch übrigen Kindes konnte er sich retten. Da erkannte seine fromme Frau, daß ihr Mann ein Werwolf sei, und ging von ihm in ein Kloster (Pflegehaus) und alle Leute verließen ihn und niemand wollte mehr in seinem Hause bleiben. So mußte auch er es zuletzt verkaufen und ging nach Hamburg, wo er in einem Wirtshaus sich einmietete und seine Schandtaten ungestört und unerkannt zu vollbringen dachte. Aber seine frühere Magd diente zu seinem Unglück jetzt in dem Hause und sie hatte ihn gleich erkannt. Als daher der letzte Tag des Monats kam und der Bauer sich eben auf seinem Zimmer eingeschlossen und verwandelt hatte, holte sie die Wache, nannte dreimal seinen Namen, und da er nun sogleich wieder zu einem Menschen wurde, ergriff man ihn und führte ihn ins Gefängnis.“


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1 d.h. der klassische Teufelspakt – materielle Güter gegen die ewige Seele. In der mittelalterlichen Sage verlieh diese unappetitliche Variante der Selbstverdammnis auch immer übernatürliche Kräfte. Der Werwolf als Träger eines Krankheitsbildes, der seinen Fluch infektiös weitergeben kann, ist eine Erfindung des Hollywoodkinos. Wie auch die meisten anderen uns beim ersten Nachdenken einfallenden Bilder und Themen.
2 Die Gestalt des Werwolfes wird durch das Anlegen eines bestimmten Kleidungsstückes angenommen – meist ein Gürtel, oder wie hier, ein Riemen. Bei den alten Germanen u.a. gab es Bruderschaften, die sich nach Totemtieren benannten und ihre Felle vor der Schlacht anlegten. Ein Berserker ist z.B. ein „Bärenhäuter“ (von serk – Gewand).
3 In dieser Geschichte wird der böse Zauber gebrochen, weil der Taufname dreimal genannt wird. Durch die Taufe wird der Mensch von der Erbsünde reingewaschen, und er entsagt den Werken Satans. Es verwundert nicht, dass der Werwolf hier zurückschreckt – wird er doch daran erinnert, dass er diesen Bund durch seinen Teufelspakt erneut gebrochen hat und unrettbar für die Hölle bestimmt ist.

Ich und Dracula

...mal was Autobiografisches...

Das Unheimliche und ich stehen auf gutem Fuß. Anders kann ich es nicht sagen. Eine Gänsehaut bekomme ich nur dann, wenn es wirklich kalt ist, das Unheimliche selbst lässt mich eher kalt. Ich betrachte es interessiert, wie einen alten Freund... einen sehr alten Freund. Das habe ich wahrscheinlich schon mit der Muttermilch eingesogen. Das Lieblingsbuch meiner Mutter jedenfalls, war und wird immer bleiben Bram Stokers „Dracula“. Ich glaube nicht, dass ich es schon vor der ersten Klasse gelesen habe, aber das meiste war mir wohl durchaus bekannt. In meinem Elternhaus ging man immer sehr tolerant mit alten Kulturen, Geheimnissen und auch dem Phantastischen um. Auf eine nüchterne Art, die wohl ausdrücken sollte, dass das Vergessene und Unwirkliche ein interessanter, aber nicht wirklich bewegender Teil der Wirklichkeit war...

Bücher über die Menschheitsgeschichte, das Alte Ägypten lagen also dementsprechend, zusammen mit der traditionellen Gesamtausgabe von Karl May jederzeit bei uns im Wohnzimmer aus. Wahrscheinlich habe ich mit diesen Büchern auch das Lesen gelernt, jedenfalls schmökerte ich jederzeit in ihnen herum, wenn ich nichts anderes mehr zu lesen hatte. Die „Sittengeschichte des Alten Orients“ hatte ich jedenfalls schon mehrere Male durchgelesen, bevor der erste Aufklärungsunterricht während des 2. Schuljahres mir eröffnete, worum es eigentlich ging. Zu dieser Zeit hatte ich auch nicht den Riesenhaufen Comics, mit dem ich mich zu entspannen pflege, und ich hatte auch noch nicht angefangen Perry Rhodan oder etwas ähnliches zu lesen. Comics – ausser dem sehr geschätzten und verehrten – Asterix waren Mangelware. Micky Maus-Hefte und später die Lustigen Taschenbücher gab es, sicher, aber wer nimmt die schon ernst?

1974 wohnten wir noch in Francop, einem kleinen Dörfchen in Sichtweite des Elbdeiches. Meine Eltern hatten ihr Haus im Wald noch nicht erbaut, und das hiess, dass ich nach der Schule von meinem Grossvater betreut wurde, der in relativer Nähe der Schule wohnte. Mein Grossvater Pius („der Fromme“) war zugleich der älteste und beindruckenste Mensch, den ich bis dahin kennen gelernt hatte. Auf jeden Fall hatte ich mit ihm meine ersten Billardpartien gespielt. Im Gegensatz zu allen seinen männlichen nachkommen hatte er auch noch mit 90 vollständiges Haar, schneeweiß und buschig, und die durchdringensten Augen, die ich je gesehen habe – Türkisblau, eine Farbe, die ich auch nie wieder gesehen habe. Vielleicht ein wenig unheimlich, mein Grossvater, auf jeden Fall aber sehr intensiv.

Eines Tages stand ich mit ihm an der Hand vor einem kleinen Kiosk irgendwo in der Nachbarschaft. Er wollte mir etwas zu lesen kaufen, damit ich mir die Zeit zwischen Mittagessen und Billardspielen vertreiben konnte. Für ihn bedeutete das wahrscheinlich das neue Micky Maus-Heft. Gegen Fix und Foxi hatte ich mich immer schon gewehrt. Aber ich beachtete ihn nicht.
Meine Augen hatten sich an einem Bild festgesogen, das sich unauslöschlich in mein Unterbewusstsein eingebrannt hat. DRACULA lebt! Da stand er, in seinem Abendcape – vielleicht nicht der Dracula, den ich aus dem sehr bewunderten s/w-Film mit Bela Lugosi kannte, aber er musste es sein – es stand ja darüber. DRACULA! Und er präsentierte mit zynischem Amüsement seinen Feinden seine neuesten Diener... eine Armee hypnotisierter mordlüsterner... KINDER!

Ein elektrischer Shock hätte mich nicht mehr treffen können... es gab Comics über Dracula? Keine lustigen Tierchen oder putzige Gallier, sondern Vampire? Ich habe diesen Moment und dieses Bild nie vergessen, die triumphierende Visage des Herren der Untoten, die schockierten Gesichter der Vampirjäger, die leeren Augen der Jugendlichen, von denen jeder ein profanes Mordinstrument hält...
Ich weiß nicht mehr, wie es geschehen ist, oder welch satanischer Impuls meinen Grossvater, diesen frommen, strengen alten Mann gepackt hat, aber aus welchem Grund auch immer, ich schaffte es, dass er mir dieses Heft kaufte. Natürlich, Kinder, die Erwachsene umbringen sind harter Stoff, deswegen verbarg ich das Exemplar sorgsam vor meinen Eltern. Das war unser beider Geheimnis, meines und das meines Grossvaters... und Draculas.

Es war zugleich auch das erste Mal, dass ich ein Marvelcomic kaufte.


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Ich konnte leider kein Exemplar dieses Heftes auftreiben, aber es war die deutsche Ausgabe von Tomb of Dracula, No. 7, Marvel 1972, von dessen Titelbild ich das für mich unvergessliche Bild der Kinderarmee Draculas („Slayer of Man“) entführt habe.

Sonntag, 23. Oktober 2005

Schattenwelt



Anfang der 80er schrieb ich noch fleissig mit der Hand auf kleine Zettel eine Art präpubertärer Groschenhefte. Epsioden endloser Geschichten, die ich unverschämt als Serien bezeichnete, eine tumbe Mischung aus Homage und Plagiat, in der ich teilweise ohne es zu merken sämtliche Bilder und Ideen kopierte, die mir beim Lesen vor Augen kamen. Neben meiner eigenen Serie ZSA entwickelte ich mit einem Freund zusammen auch zwei andere Horror-Serien... GEISTERJÄGER, die Abenteuer des Jörg Roth, und SCHATTENWELT.
Dies muß das einzige Erzeugnis meiner erhitzten Phantasie sein, das ich selbst zensiert habe, denn es findet sich keine einzige Zeile mehr davon, und mein Freund behauptet, nie selbst ein Wort geschrieben zu haben. Kein Logo, keine Exposés, keine Idee mehr, was geschehen ist außer der Erinnerung an das selbst entworfene Titelbild der ersten Geschichte, den Nebel, die Schatten der knorrigen Bäume und die zottige graue Gestalt mit den leuchtend roten Augen...

Es ist ein wenig unheimlich... was mag ich wohl geschrieben haben, das so schlimm war, dass ich es sofort wieder vernichten musste?
SCHATTENWELT war ungewöhnlich, da das Böse hier in der Gestalt des Helden auftrat.
Es war die Autobiografie eines Werwolfes...
Man muß vielleicht selber einer sein, um so etwas schätzen zu können...

Sonntag, 16. Oktober 2005

Die Mumie im Bild

















Titelbilder in Reihenfolge:

Monsters on the Prowl No. 12, Marvel, August 1971 (Reprint von Journey Into Mystery No. 61)
Supernatural Thrillers No. 5, Marvel, August 1973
Supernatural Thrillers No. 7, Marvel, Juni 1974,
Supernatural Thrillers No. 15, Marvel, Oktober 1975
Eerie No. 53, Warren, Januar 1974
Anne Rice's The Mummy, or Ramses the Damned No. 3, Millennium Publications, Februar 1991
Catwoman Annual No. 4, DC, 1997

Dienstag, 11. Oktober 2005

Der Zombie im Bild















Titelbilder in Reihenfolge:

City of the Living Dead, Avon, 1952
Dead of Night No.1, Marvel, 1974?
Tales of the Zombie No.3, Marvel, Januar 1974
Tales of the Zombie Annual No.1, Marvel, 1975
The Avengers No.152, Marvel, Oktober 1976
ZombieWorld: Winter’s Dregs No.3, Dark Horse, Juli 1998

Splatter 101 :: Set und Setting

Merken diese armen Seelen denn nicht, dass sie sich in einem Film befinden?
Der Textcursor auf dem Bildschirm, wo das Drehbuch entsteht, ist wie die Klinge, die sie hetzt.
Können sie denn nicht aus diesem Albtraum erwachen!?

Wir wollen diesen armen Seelen keine falschen Hoffnungen machen. Natürlich gibt es kein Erwachen. Das Drehbuch folgt festen Regeln. Es gibt keine Ausnahmen. Diese Puppen existieren nur zu unserem Vergnügen, und unser Vergnügen ist es, sie möglichst spektakulär geopfert zu sehen auf dem Medienaltar.
Schau wie sie tanzen auf der Bühne unseres eigenen düsteren Puppentheaters!
Sie lachen, sie weinen, sie atmen, sie sterben, Insekten in einem Alptraum, aus dem es keinen Ausweg geben kann, bis die Leinwand sich wieder erhellt.
Der Zuschauer aber wird durch die Magie des Drehbuchautoren zum Halbgott. Unsichtbar schwebt er über dem Geschehen, sicher, der einzige zu sein, von dem er weiß, diese Nacht überleben zu können.

* * *


Es ist darauf hingewiesen worden, dass Splatter nichts anderes ist als die Fortsetzung des blutigen Grand Guignol-Theaters des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich steht es in einer langen ruhmreichen Reihe mit allerlei schrecklichen Spektakeln, bei denen die Zuschauer ihre eigenen Getränke und Popcorn mitbringen konnten, angefangen von öffentlichen Hinrichtungen bis zu den Spielen der Kreisliga.
Wie haben wir gelacht, wenn sie am Galgen mit des Henkers Tochter tanzten! Wie sie strampelten! Welch lustige Gesichter sie machten! Und tief in uns waren wir erleichtert, dass wir es nicht waren, die man in die Höhe gezogen hat, oder?
Heute haben wir das gleiche Vergnügen, aber sicherer und sauberer. Wir müssen nicht mehr fürchten, dass uns das Blut der Hingerichteten ins Auge spritzt – es wird die Leinwand nie verlassen. Und der widerwärtigste Geruch, der der Hinrichtung folgt, ist bestenfalls der des haarigen Typen neben uns, der in seinem Popcorn wühlt und langsam das Fett von seinem zuckrigen Daumen lutscht.
Dies ist ein anderer Aspekt des „Standard Horror Plot Grab Bag“. Das Drehbuch ist das Gesetz, und das Gesetz hat sein Urteil gefällt. Begnadigung gibt es nur für die, die sich die Sympathien des Autoren und des Zuschauers mühsam erworben haben.

Gilt es nur noch den Henker zu wählen, der das Urteil ausführt.
Wie im Mittelalter durch eine Kaputze, ist auch der Splatter Henker durch eine Maske oder Deformation ausgezeichnet, die ihn als Mitglied einer der folgenden Kategorien ausweist: Psychopathen, Monster, Mutanten, Ausserirdische, Geister, Werwölfe, Vampire, Mumien, Zombies und/oder inzüchtige zurückgebliebene Hinterwäldler. Kombinationen mehrerer dieser Möglichkeiten eröffnen zusätzliche Möglichkeiten und lassen die standardisierte Splatter Formel frisch und unverbraucht erscheinen.
Warum nicht einmal statt eines weißgesichtigen Psychopathen die untoten Mumien einer ganzen Dynastie inzüchtiger zurückgebliebene Hinterwäldler auftreten lassen? Vielleicht des Guten ein wenig zuviel, aber sicherlich werden diese interessantere Monologe improvisieren können, als die hirntoten Exkremente eines immer wiederkehrenden High School Deppen. „Die Toten sind hungrig, Professor, immer hungrig...“

Tatsächlich müssen wir uns bei der Konstruktion dieser Gestalt – des Täters für seine bereitstehenden Opfer – ein wenig mehr Mühe geben, um ihm Charakter und eine gewisse Art Charme zu verleihen. Der Henker ist nicht Teil der Handlung – er ist die Handlung. (Und manchmal isst er sie auch... hahaha.)
Sicherlich hat er seine Vorlieben, die ihn dem zuschauer ans Herz wachsen lassen. Gerade gewöhnliche Gegenstände können recht originell eingesetzt werden, um die Liste der Opfer nach und nach abzuhaken. Hier sollte die Phantasie auch uninteressante Möglichkeiten ins Mythische überhöhen. Eine zusätzliche Zahnreihe kann hier schon überzeugen, oder Klauen, an die noch zusätzliche Klingen geschweisst wurden.
Und selbst wenn es nur ein gewöhnliches Messer ist, ist es sicherlich ein besonders großes. Und sicherlich ist es auch kein gewöhnlicher Stich oder Schnitt, der diese Fragen abschließt, sondern eine originelle Komposition aus verschiedenen Verletzungen und Verstümmelungen. Enthauptungen eignen sich hierbei immer gut ab abschließendes Argument und sorgen unter den bis jetzt Überlebenden für regen Gesprächsstoff. Natürlich kann man auch den kompletten Körper entsprechend vorbereitet auf der Bühne aufgespießt zurücklassen, am besten dort, wo man ihn nur nach einem entsprechenden Shockmoment entdeckt und das Werk würdigen kann.
Wie gesagt, dies ist eine einfache Formel für so eine Geschichte. Jeder kann sich seinen Film selbst ausdenken, wann immer ihm danach ist. Ein reines intellektuelles Spiel, eine unschuldige Entladung des Schuldgefühles, am Leben zu sein. Da muß man sich nichts bei denken, wann immer er das Verlangen spürt... das Küchenmesser!
Matt im Licht des zunehmenden Mondes.

Wie man sieht, ist es recht einfach, ein ausreichendes Personal für Splatter zu versammeln. Mischen wir also die Karteikarten, schauen wir in die Innereien, und schicken wir unsere kleinen Puppen hinein in ihre Welt, aus der es kein Entkommen gibt.
Wie sie strampeln! Welch lustige Gesichter sie machen! Und tief in uns sind wir erleichtert, dass wir es nicht waren, die man in die Höhe gezogen hat, oder?
Das Spiel beginnt. Es wird eine dunkle und stürmische Nacht sein.
Vielleicht scheint der Mond und wird den See oder den Wald erhellen, an dem sich eine der vielen Jagdszenen abspielen wird. Das sind gute Bilder, und hier wird rein visuell erzählt. Im Mondlicht soll Blut fast schwarz aussehen...
Vielleicht werden unsere Püppchen sich in ein Haus retten können oder sich sogar in einem versammeln, in der irrigen Meinung, dort sicher zu sein. Aber sie irren, sie kennen das Drehbuch nicht, sonst wüssten sie, dass der Strom in dem Moment ausgehen wird, und alle Leitungen tot sein werden, in dem der Henker das Haus betreten hat.
Sie können rennen, aber sich nicht verstecken.
Es wird auch mindestens eine Szene geben, in der sich alle erschrecken werden, auch der Zuschauer, wo aber absolut nichts Schlimmes geschehen ist.
Eine Katze springt aus einem Schrank, etwas fällt runter, jemand kommt überraschend zur Tür herein.
Täuscht euch nicht. In dem Moment, wo ihr erleichtert aufatmet, steht der Henker bereits hinter euch.
Matt im Licht des zunehmenden Mondes.

Sonntag, 9. Oktober 2005

Splatter 101 :: Formel und Figur

Man hat mich darauf hingewiesen, daß es vielleicht nicht die beste Idee ist, einen kompletten Teenie Splatter über ein Blog zu veröffentlichen. Die Vorstellung, daß jemand in regelmäßigen Abständen hier vorbeischaut, um zu sehen, ob ein neues Kapitel online ist, erscheint mir nun auch grotesk. Wo bleibt da der Funfaktor? Ausserdem kann man den Blog nicht abschliessen – wissen SIE, was ihre Kinder gerade lesen? Also keine Geschichten von abgerissenen Gliedern und baumelnden Eingeweiden, abgesehen davon – wer liest sowas schon, wenn es sowieso viel leichter im TV zu finden ist – oder draussen vor der Tür...
Konstruieren wir uns gemeinsam eine Formel für so eine Geschichte, dann kann sich jeder seinen Film selbst ausdenken, zu Hause... wann immer ihm danach ist... wann immer er das Verlangen spürt... und die Stimme des Blogs verstummt ist... niemand mehr Dir sagt, was der Sinn des Lebens ist... und das Küchenmesser matt im Licht des zunehmenden Mondes schimmert... und...

Ähhh... Wo waren wir gerade?
Achja, Wissenschaft.

Zum Plotten benutze ich neben orangenen Karteikarten und den Innereien eines schwarzen Hahnes etwas, das sich der „Standard Horror Plot Grab Bag“ nennt. Ich habe ihn irgendwo in einer Hintergasse des Internet blutend am Boden liegen gefunden... seitdem klopft er von Innen gegen die Kofferraumtür... wollen wir ihn mal rauslassen...
Mischen wir die Karteikarten, schauen wir in die Innereien – ein anderes System der Divination als „Chaosfaktor“ tut es übrigens auch – und brauen wir uns was zusammen.

Was brauchen wir denn?

Der „Standard Horror Plot Grab Bag“ nennt 14 Punkte, die jedoch nicht alle in der gleichen Kategorie angesiedelt sind, aber was soll’s. Wir reden hier ja nicht von Kunst, sondern von Standard Splatter, flott heruntergedreht, wann immer man das Verlangen spürt, und das Küchenmesser matt im Licht des zunehmenden Mondes...
Wie auch immer...
Wir wollen uns nicht täuschen, Splatter ist wie Porno, und dient nur einem: der Entladung eines primitiven Reptilieninstinktes... Es geht um Furcht, es geht ums Sterben... es geht um Verschwörung und Mord...

* * *


Als erstes brauchen wir Opfer... am besten die standardmässigen notgeilen Teens oder Twens... niemand kreischt so schön wie High School Tucken...
Und nicht nur einer, sondern eine kleine Gruppe. Man soll nicht geizen, interessant wird es erst ab einer Gruppe von fünfen...

Und damit wir wenigstens die rudimentären Überreste von etwas wie Handlung haben, brauchen wir auch einen oder zwei Heldengestalten, am besten ein Männlein und ein Weiblein, die vielleicht sogar das Ende unseres Filmes erleben werden.
Die anderen drei von den mindestens fünf potentiellen Opfern (seien wir ehrlich, bei diesen drei kann man sich das ‚potentiell’ auch sparen) bekommen ebenfalls ehrenvolle Aufgaben. Sie bringen die Handlung vielleicht sogar noch mehr voran als die Helden. Vor allem indem sie möglichst melodramatisch und blutreich sterben.

Wir brauchen mindestens ein dummes, zickiges oder nervendes Mädchen, das bereits recht früh zum Opfer fällt... am besten mit deutlichen körperlichen Vorzügen, und erst am Ende einer nervenzerreissenden Hetzjagd erlegt, bei der sie mindestens einmal stürzt. Sollte ihre Bekleidung dabei zerreissen, unterstreicht dies natürlich auch die ethische Grundaussage dieser Figur, dass manche Leute einfach zu blöd für diese Welt sind. Und niemand mag Hollywood-Bimbos.
Neben der Zicke fällt als nächstes derjenige zum Opfer, den wir den Nörgler nennen wollen... Sie wissen schon, der klugscheisserische Dummschwätzer, der an allem etwas auszusetzen hat, der immer nach einer ‚rationalen’ Erklärung sucht und tatsächlich glaubt, dass er ungeschoren aus der ganzen Sache herauskommt. Hahaha! Nicht in diesem Film, Du Narr! Stirb! Stirb! Küchenmesser matt im Licht...
Eine angemessene Variante dieses Klingenfutters ist der hilflose Warner, der vielleicht sogar mehr weiss, als die anderen, dem aber natürlich erst dann geglaubt wird, wenn die Körper beginnen, ihm vor die Füsse zu rollen. Und auch dass ist nicht Garant dafür, dass er es überleben wird. Nicht nur Bimbos und Klugscheisser müssen sterben, sondern auch die, die es eigentlich hätten besser wissen müssen...

Merken diese armen Seelen denn nicht, dass sie sich in einem Film befinden?
Der Textcursor auf dem Bildschirm, wo das Drehbuch entsteht, ist wie die Klinge, die sie hetzt.
Können sie denn nicht aus diesem Albtraum erwachen!?


Im Zweiten Teil: Set und Setting.

Freitag, 7. Oktober 2005

Der Werwolf im Bild (2)


Zweite Folge :: Die Konsolidierung des Werwolf-Mythos als in ausgewählten Comicheften. "Schoßhund oder Superschurke?"...












Titelbilder in Reihenfolge:

Marvel Team-Up No. 12, August 1973
Dr. Strange, Sorceror Supreme No. 26, Marvel, Februar 1991
Werewolf at Night No. 2, Marvel, März 1991
Werewolf: The Apocalypse “Children of Gaia” Moonstone, Juli 2002
Werewolf: The Apocalypse “Black Furies” Moonstone, Februar 2002

Donnerstag, 6. Oktober 2005

Der Werwolf im Bild (1)


Erste Folge :: Die Wiederkehr des Werwolf-Mythos in ausgewählten Comicheften der 70er Jahre. "Vollmondnacht, Nacht der Furcht"...






Titelbilder in Reihenfolge:

World's Finest No. 214, DC, Oktober/November 1972
House of Mystery No. 231, DC, Mai 1975
Eerie No. 48, Warren, Juni 1973
Marvel Spotlight No. 2, Februar 1972
Creatures on the Loose No. 31, Marvel, September 1974

Dienstag, 4. Oktober 2005

Dunkel, mein Liebling...

Ich hatte es ja schon angekündigt, habe aber für den Tag der Einheit eine Ausnahme gemacht, weswegen wir erst heute anfangen wollen...
Zum Abschluss des ersten halben Jahres NEMEDHOUSE BLOG stehen alle Veröffentlichungen unter dem Motto HALLOWEEN SPECIAL.

Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung ist Halloween nämlich nicht nur eine einzige Nacht, sondern eigentlich eine ganze Jahreszeit. Nun, so genau wollen wir es nicht nehmen, aber ich denke, jeder der an einem frühen düsteren Morgen aus dem Fenster schaut und sieht, wie die Frühnebel sich zögernd aus dem vergilbten Laub verkrümmter Äste lösen, wird erahnen, dass irgendetwas vor sich geht. Der Herbst hat begonnen, unaufhaltsam verringert sich das Licht. Die dunkle Jahreszeit hat begonnen, die Hexenkönigin regiert...

In einer der ersten Ausgaben von SCHWERT+STAB habe ich etwas gefunden, was recht gut dazu passt:
"Samhain (ausgespr. so’ahn) ist das wichtigste der vier großen keltischen Jahresfeste. Es wird 40 Nächte (die traditionelle Periode des Wachsens, Werdens und der Prüfung in der keltischen Vorstellungswelt) nach den Herbstäquinoktien, annäherungsweise in der Nacht zum 1. November begangen. (1) In der Vorstellungswelt der Kelten war dies die Nacht der Nächte. Die Nacht, in der der 12monatige Zyklus der Gestirne vollendet wurde, und die Welt, und die Zeit selbst, ein Ende fand. In der nebligen Finsternis dieser Nacht vermischten sich Vergangenheit und Zukunft, und die magischen Hügel, die Sidhe, öffneten sich. Türen ins Jenseits und in die Andere Welt taten sich auf, und die Wilde Magie, die Magie der Kräfte vor der Schöpfung der Welt, regierte wieder das Land.
Die Wilde Jagd war unterwegs, und maskierte junge Männer zogen umher, lärmten, um die Geister zu vertreiben und sahen da bei selbst wie Geister aus. In dieser Nacht endete die alte Welt, und eine neue wartete darauf, geboren zu werden. In dieser Nacht erloschen alle Herdfeuer in Irland und wurden erst im Verlaufe der Nacht wieder an den Freudenfeuern neuentzündet, die die Druiden unter feierlichen Gebeten an die Kräfte, die die Welt formten, errichtet hatten.
Samhain war auch eine Nacht, in der man das begangene Jahr mit seinen Erfolgen und Mißerfolgen wild und ekstatisch feierte, eine Nacht, in der die Stände beieinander saßen und unter der Aufsicht der Druiden in einer archaischen Art von Thing über Pläne entschied, die man im kommenden Jahr durchführen wollte. Samhain war die Nacht, in der das Alte starb und das Junge geboren ward: Eine Nacht, in der die Zeit selbst jede Bedeutung verloren hatte."


Das ist auch ungefähr die Idee hinter dem HALLOWEEN SPECIAL. Kein Kiddiekram, und ganz sicher keine Kürbisse, weder Rezepte für Kürbissuppe noch drollige Grafiken von Kürbislaternen, es sei denn, ich finde eine von einem, der zubeißt. Ja, es soll hier mal ein bisschen unheimlicher zugehen. Immerhin endet die Zeit, und die Tore der Unterwelt schwingen weit auf...

Verwandeln wir den Oktober in vier Wochen Magie und Schrecken. Keine bunten Bilder mehr, sondern stattdessen alles, was in der dunklen Jahreszeit zuhause sein könnte. Ich habe noch keine Endauswahl getroffen. Vielleicht versuche ich auch innerhalb dieser vier Wochen einen archetypischen Teenie-Splatter-Roman zu schreiben... ansonsten machen wir uns gefasst auf Gespenster, Hexen, schwarze Magie, Wiedergänger, Zombies und Vampire... Dinge die mitten in der Nacht herumpoltern... und die eisige Hand des Grauens.

Ich lass also mal alle anderen genretypischen Bezüge und beschränke mich mal auf Horror und Mystery. Sie müssen keine Angst haben, dass meine Hand plötzlich aus ihrem Bildschirm herausgreift und ihnen die Kehle zuschnürt.

Ist alles nur Spaß!

Obwohl, manchmal...
hehehehehehe...

Montag, 3. Oktober 2005

Einheitlich bucklig

...zum Tag der Deutschen Einheit 2005

Ich bin Deutschland.

Das ist so.

Das ist das, was mir die Stimmen jeden Abend erzählen, die aus dem Weißen Rauschen meines Fernsehers hervorklingen. Ich bin Deutschland.

Und außerdem ein Schmetterling und ein Chor. Die Details sind ein wenig unklar.

Ich bin Deutschland. Das heißt dann wohl, dass mein Auge in Norddeutschland liegt, und ungefähr im Saarland meine Rosette. Wacht auf, Bayern, ihr seid das symbolische Äquivalent meiner Käsefüsse! Achja, und ich bin bucklig. Der ganze Osten liegt mir schwer auf den Schultern.

Ich bin Deutschland, und ein Schmetterling und ein Chor, der Bucklige von Europa. Mein Name ist Deutschalnd, denn wir sind viele.

Aber ich bin ein Happening-Land. Vorsprung durch Technik: Vergesst das alte Deutschland, jetzt bin ich es. Und als wichtiger Bestandteil des nordatlantischen Paktes und der westlichen Hemisphäre tue ich wasauchimmerzumteufel ich will.

Ich erkläre hiermit den schwarz-rot-gold karierten Kilt zur Nationalkleidung, außerdem haben im Sommer alle Frauen nicht nur bauchfrei, sondern auch busenfrei herumzulaufen. Die neue Nationalspeise ist einmal die 82 und einmal die 129, gebackene Wantans extra. Das Sauerkraut schicke ich zurück in den Elsass, sollen sie meine französischen Nachbarn damit strangulieren.
Ich bin Deutschland, und ich find meinen Namen Scheiße. Kurz vor meiner Geschlechtsumwandlung werde ich mich umtaufen lassen. Ich habe auch schon einen elegant klingenden Künstlernamen gefunden. Glückwunsch. Ihr seid jetzt alle Bürger des schönen Staates Hebephrenie.

Wer mir dumm kommt, dem tret ich in die Eier und kipp ihm den Butterberg vor die Tür. Die hebephrenen Bauern sollen mir huldigen und auf jedem Dorfplatz Statuen aus getrockneten Kuhfladen errichten, die pünktlich zu Ostern in Brand gesetzt werden, während sich die parfümgeschwängerte Luft mit Sonetten füllt, und barbusige Jungfrauen bei meinem Anblick reihenweise umklappen. Ich bin zwischen Rhein und Oder, ich bin der Tod eines Meisters, mein Huf tritt auf das Herz dieses Kontinentes; zweimal bin ich schon gekommen, meine kleinen Droogs da draußen, ihr schlottert doch schon lange davor, dass ich noch ein drittes Mal auf Welttournee gehe.

Entspannt euch. Natürlich bin ich nicht so blöd, Euch an die Wäsche zu gehen, oder gar unserem Onkel Sam ans Bein zu pissen. Auf so eine Idee würde nur ein kleiner pubertierender Zehenlutscher kommen. Scheiss auf heroischen Geist, hier geht’s darum, wer den längsten hat. Ich bin alt und haarig und wenn ich einen ablasse, verdunkelt sich die Sonne. Ich nehme mir die kleinen Schwuchteln vor. Als erstes sind Andorra und San Marino dran, diese Ziegenficker. Liechtenstein? Luxembourg? Vergesst es, Jungs, wenn ihr in der Oberliga spielen wollt, dann müsst ihr schon mal ein wenig Gas geben. Ihr seid nur Pickel auf der Landkarte, ein wenig entzündet, aber leicht auszudrücken.

Ich steh schon vor euren Sozialbauten. Brauchst Dich nicht zu verstecken, ich hab’ Deine dumme Visage hinter der Gardine gesehen. Also komm runter, Monaco, damit ich Dir ordentlich in die Eier treten kann.

Denn ich bin Deutschland.

Ein Schmetterling und ein Chor.

Der Bucklige von Europa, alt und haarig.

Sonst noch Fragen?

Unmögliche Helden :: Uebermensch ueber Alles

Helden, die mehr als nur ein Stirnrunzeln hervorrufen. Kein Traum! Keine Täuschung! Erfindungslust, die Amok läuft. / Eine lose Serie von Kurzartikeln. Teil 2, zum Tag der Deutschen Einheit 2005

Spätestens mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den weiten Weltkrieg 1942 trat innerhalb der in hellen Grundfarben gekleideten Superheldenfiguren der Untertypus des „Patriotischen Helden“ hervor, eine Gestalt, die sich weniger durch außergewöhnliche Fähigkeiten oder Charakterzüge hervortat, sondern durch sein auf der nationalen Ikonographie basierendes Design. Während die Kernessenz dieses Typus, auch durch das von Jack Kirby kongenial entworfene Kostüme, durch die Figur des Captain America verkörpert wird, der auch heute noch im Einsatz ist, gab es zur Zeit des Weltkrieges eine erstaunliche Anzahl ähnlicher oder verwandter Gestalten, in denen sich ein proaktiver bzw. aggressiver Patriotismus manifestierte.

Die amerikanische Fahne (Stars’n’Stripes) erwachte in einer Legion von blau-weiß-roten Heroen zum Leben: The Starspangled Kid & Stripesy! The Patriot! The Shield! Captain America! Miss America! Americommando! Red, White and Blue! Spirit of 76! Selbst Wonder Woman hat patriotische Hotpants!

Aber auch andere nationale Ikonen konnten als Rohmaterial für patriotische Designs genutzt werden. Die Freiheitsglocke von Philadelphia gab Liberty Belle den Namen, und selbst das bekannte Plakat der U.S.Army erwachte als Uncle Sam zum Leben!

Dies mag dem distinguierten Mitteleuropäer reichlich platt und vulgär erscheinen, der sich am Odem seiner jahrtausendealten Historie erfreut, in Amerika jedoch, das sich vielmehr als andere Staaten durch seine vergleichsweise junge Geschichte Identität verleiht und diese auch feiert, ist dies nur ein Ausdruck „gesunden Patriotismus“ auf Seiten der Autoren. Man darf auch nicht vergessen, dass die „One Nation under God“ nicht äquivalent mit einer Ethnie ist, seinem Nationalismus also auch die völkische oder rassistische Qualität fehlen dassmuss, die sich beim Auftreten nationaler Begeisterung in anderen Ländern immer gerne einschleicht. Es bleibt hier selbstverständlich unausgesprochen verstanden, daß dies in der Verfassung der U.S.A. verankerte Prinzip in Teilen der Südstaaten und anderen unterentwickelten Landstrichen immer wieder gerne nur auf einen Teilabschnitt der Bevölkerung angewandt wird.

Hier spielt sich die völkische Entrüstung und der Rassenkampf dann statt auf fernen Schlachtfeldern in den brennenden Ghettos ab, und statt Eroberung- herrscht der Bürgerkrieg. Es ist vielleicht kein Wunder, dass neben der perfiden Rothaut vor allem der ‚Gangster’ der Hauptantagonist innerhalb der amerikanischen Genreliteratur ist – jener Teil der Bevölkerung, der sich dem organisierenden Prinzip der Verfassung in die Halbwelt des organisierten Verbrechens entzogen hat, der kein Bürger mehr ist, sondern Teil dessen, was man in den 30ern den ‚Mob’ nannte.

Das Konzept des kostümierten Patrioten ist ein typisch amerikanisches, das heißt ein falsches, löst man es aus seinem kulturellen Kontext. Seine Übertragung auf andere Nationen ist eine Injektion ‚artfremder’ Ideen, und kann bestenfalls eine Art kognitiver Dissonanz erzeugen. Natürlich, jede Nation könnte einen unabhängigen Wächter der Freiheit und Verteidiger des nationalen Ideals gebrauchen, unabhängig von Staat und Armee, einen heiligen Golem, der die Armen und Unterdrückten vor Übergriffen schützt. Aber ist dies außerhalb der amerikanischen Konzeption von Nation auch nur im Ansatz realisierbar?

In einem bekannten Cartoon stellt Walter Moers, der Erfinder von Kapitän Blaubär, dem normalgroßen Captain Amerika einen daumenhohen Captain Liechtenstein zur Seite. Natürlich. Wenn das eine, warum nicht das andere? Der Autor dieser Zeilen hat als Fünfjähriger auch ganze Hefte mit Variationen von nationalen Captains vollgemalt, genug für einen ganzen Internationalen Kongress der Superhelden. Warum nicht ein Captain dass? Hier würden sich durchaus eine Anzahl von interessanten Möglichkeiten ergeben, dies Konzept weiter auszureizen. Doch wo beginnen, wo aufhören? Was ist ein Staat, was eine Nation? Zählen auch Stadtstaaten? Kann dies amerikanische Modell des Patriotismus übertragen zu werden, ohne daß die gerade in der Genreliteratur so beliebten rassischen und nationalen Klischees mitexportiert werden? Wären die Franzosen über einen von amerikanischen Autoren erfundenen Nationalhelden namens „Tricolore Man“ glücklich? Die Iren über jemanden namens „Shamrock“? Die ‚Araber’ über jemanden namens „Arabian Knight“ (komplett mit fliegendem Teppich)? Marvel Comics hat bereits eine Parallelbildung zu ihrem seit 50 Jahren unverwüstlichen amerikanischen Captain in „Captain Britain“ erschaffen. „Great Britain“ ist aber auch das “United Kingdom”, es besteht eigentlich aus mehreren Nationen. Warum also nicht Captain Scotland und Captain Wales? Oder Captain Nordirland?

Gnädigerweise hat man bisher darauf verzichtet, auch nur einen Aspekt der politischen oder ideologischen Problematiken internationalen Nationalismus zu thematisieren – das Bild des Helden, ob patriotisch oder nicht, verträgt sich nicht gut mit Realpolitik. Der „patriotische Held“ bewegt sich nicht in einer authentischen Landkarte internationaler Beziehungen, sondern in der teils naiven, teils grotesken Traumlandschaft, als die Welt von der teils naiven, teils grotesken Imagination von Comic Book-Autoren wahrgenommen wird.

“Hauptmann Deutschland” erschien das erste Mal, noch ohne Namen und in Verkleidung, in CAPTAIN AMERICA Vol. I, No. 387 (Juli 1991), wo er die Organisation des seit den 40er Jahren agierenden Super-Nazis Red Skull („Der Rote Schädel“) infiltriert hatte – der ideologischen Nemesis von Captain America. Im folgenden Heft gelang es ihm, den Red Skull gefangen zu nehmen, und in No. 389 erschien er zum ersten Mal in Uniform, die recht uninspiriert das Grunddesign der von Captain America kopierte, mit der Ausnahme, daß das Schwarz-Rot-Gold der bundesdeutschen Flagge ein weitaus uninteressanteres Design ergab als das Blau-Weiß-Rot mit Sternen und Streifen der amerikanischen.

Allein hier schon wird deutlich, daß es sich bei diesem Charakter weniger um eine Neuschöpfung als eine Parallelbildung handelt; ein Captain America für Deutschland. Dass diese Grundidee auf mehr als einem Beine hinkt, sollte für jeden klar ersichtlich sein.

Allein, die Idee eines deutschen Helden in einem amerikanischen Magazin mag ja keine schlechte sein, beweist sie doch wenigstens einen gewissen Grad der Offenheit gegenüber dem einstweiligen Verbündeten. (Sein Erfinder, der verstorbene doch unvergessene Mark Gruenwald soll auf der Frankfurter Buchmesse einmal geäußert haben, daß er den Hauptmann aus „Freude über die Wiedervereinigung“ erfunden habe.) Und daß der ehrenwerte Hauptmann bei seinen ersten Auftritten doch recht kompetent daherkommt und die Züge des Red Skull voraussieht, ihn in fallen laufen lässt und im Grunde etwas schafft, was seinem Hauptfeind nie gelungen ist, mag vielleicht darauf hindeuten, daß es sich bei dem projektierten deutschen Nationalhelden um einen fähigeren Charakter handelt, als es sein doch recht generisches Design vermuten lässt.

Bis zu diesem Punkt mag dies richtig sein, und man hätte vielleicht mit dieser Gestalt durchaus etwas machen können, wenn man ihn in die Hände eines autochthonen Autorenteams übergeben hätte – oder zumindest in die Hände von Autoren, die ein wenig besser mit den deutschen Gegebenheiten vertraut waren als der gewiss wohlmeinende Mr. Gruenwald, der aus der typisch amerikanischen Unkenntnis internationaler Gepflogenheiten heraus die Figur leider unrettbar in den Keller fuhr.

„Hauptmann Deutschland“, so erfahren wir, ist nur einer aus einem Team deutscher Superhelden, die den eher unwahrscheinlichen Namen „Schutzheiliggruppe“ führt. Die anderen Mitglieder dieser „Group of protecting saints“ nennen sich „Zeitgeist“ (Time Spirit) und „Blitzkrieger“ (Lightning Warrior).


Bereits hier treten dem deutschsprachigen Leser die Tränen in die Augen, er schließt sie erschüttert, wenn er erfährt, daß die gelungene Festnahme des Red Skull und all seiner Hauptschergen nur deswegen erfolgte, weil man ihn nach einem flotten (Schein-)Prozess auf dem schnellsten Wege hinrichten will, um „die Sünden der Vergangenheit des Vereinten Deutschlands zu exorzieren“ (siehe Bild.)

Ab hier hat das Konzept jegliche Glaubwürdigkeit verloren und bricht auch schnell in sich zusammen, da es dem Skull relativ einfach gelingt zu fliehen und die Deutschen dastehen lässt wie recht naive oder dümmliche Volltrottel. (Ein Captain America-Doppelgänger taucht auf und nimmt ihn sagen wir mal in Schutzhaft, ohne daß auch nur ein Finger gerührt wird, ihn zu hindern bzw. Nach Formalitäten zu fragen. Seufz.)

Konnte eine so eklatante Parallelbildung wie Hauptmann Deutschland überhaupt erfolgreicher sein als sein Vorbild, Captain America? Es hätte sicherlich einen schweren Bruch der Kontinuität und auch der genretypischen Regeln bedeutet, hätte er im Alleingang das erreicht, was C.A. in 50 Jahren nicht geschafft hat.

Es hätte allerdings auch die Bewältigung eines genretypischen Stereotyps bedeutet, nämlich der Gleichung Deutscher = Nazi. Dass dies nicht gelang, unterstreicht gleichzeitig auch das Unvermögen, einem Angehörigen einer anderen (fremden) Nationalität nicht nur Kompetenz, sondern sogar Überlegenheit zuzuschreiben. Thematisch passt dies z.b. recht gut zu dem fast zeitgleich von DC lancierten Titel JUSTICE LEAGUE EUROPE, dessen Team in Paris ansässig war, und dem zumindest am Anfang kein einziger Europäer angehörte.

Der erste nationale Held des demokratischen Deutschland als Parallelbildung und bestenfalls blasse Kopie eines anderen Wächters der Freiheit hat nicht einmal eine eigenständige Geschichte, er ist eine Nebenfigur neben Captain America, dessen Kontinuität die seine aufgesogen hat, wie um zu unterstreichen, wer hier auf Erden unter den demokratischen Kräften die Oberhoheit hat. Ein „Hauptmann“ der deutschen Armee ist nun mal weniger als ein „Captain“. Als solches kann man diese Figur sogar als einen metatextuellen Kommentar auf das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu allen anderen Staaten, vor allem aber zu seinen Verbündeten, ansehen.

Eine solche Deutung, und auch die Unstimmigkeiten der Namensgebung, wurden auch dem Autoren von Hauptmann Deutschland vorgetragen, und er ließ ihn ein zweites Mal, in einer korrigierten Form innerhalb der Captain America-Serie auftreten (CAPTAIN AMERICA No.442, August 1995). Man gab ihm sogar einen anderen Namen, damit er sich etwas von seiner Gussform abheben konnte. Wahrscheinlich nahm man sich ein deutsches Wörterbuch und suchte nach einem Wort für „guardian“ oder „sentinel“. Da „Wächter“ jedoch komisch aussieht – diese lästigen deutschen Ümlaute – nahm man die andere Alternative.

Man nannte ihn Vormund“.

Seitdem ist er nie wieder gesehen worden.

Samstag, 1. Oktober 2005

Willkommen im Unheimlichen Oktober...

Bevor der Monat mit all dem beginnt, was ich mir vorgenommen habe, um dieses Land erschaudern zu lassen, eine Nachricht, die uns alle für einen Moment innehalten lassen sollte...

Nach Meinung einiger wohlinformierter Mitmenschen könnte das Folgende eine angemessene Darstellung von GOTT sein:. Das Fliegende Spaghettimonster!


Schatten des Cthulhu!
Ich habe es immer gewusst!!!