Montag, 1. Oktober 2018

3rd Mind :: Textstücke des Goldenen Zeitalters

Die Stimme aus der Vergangenheit: Jeder Buchstabe ist heilig; macht keinen Unterschied zwischen dem einen und einem anderen. Komm und siehe!

Wenn man die dicken Comicmagazine des „Goldenen Zeitalters“ durchblättert, kommt man irgendwann zu der Seite, die für ein Textstück serviert war, eine Kurzgeschichte, 1.000 Wörter lang, die wahrscheinlich im Stil genauso schnell, roh und unreflektiert ist, wie die Comic Features davor und danach. Keine große Literatur, auch keine kleine – wahrscheinlich das, was in der Rangordnung der Fiktioneere auf dem untersten Platz landen würde.

Ja, es gab auch Autoren, die noch weniger angesehen wurden als die Pulp- und Comic-Schreiber. Diese Textstücke waren während der 1930er und 40er Jahre üblich, die als "Goldenes Zeitalter der Comics" bekannt waren. Zu dieser Zeit verlangte der United States Postal Service von Comic-Heften, mindestens zwei Seiten Text zu haben, um als Zeitschrift zu gelten und sich für die günstigeren Zeitschriften-Portotarife zu qualifizieren. Das Schreiben der Textstücke muss den Machern der Comics als lästige Aufgabe erschienen sein, wenn sie erschienen, dann meistens unter einem Hausnamen, oder man wälzte die lästige Aufgabe an jemanden wie den lokalen Laufburschen ab.

Tatsächlich, Stan Lees erste Arbeit in Comics, noch bevor Marvel Comics „Marvel Comics“ hieß, und noch bevor Stan Lee „Stan Lee“ war, war so ein Textstück in Captain America Comics. Wie alt war er damals? Man mag es nicht glauben, aber damals war er der junge Laufbursche, der den alten Profis wie Jack Kirby auf die Nerven ging.

Mit nur zwei Seiten war ein Autor auf etwa 1.000 Wörter beschränkt, in denen er seine Geschichte gestalten konnten – oder wenigstens irgendeine Geschichte. Es ist deswegen kein Wunder, dass diese 1.000 Wörter größtenteils klingen, als ob ein 14-Jähriger sie geschrieben hätte. Und Geschichten von 14-Jährigen sind meistens nicht sehr gut, auch wenn sie vielleicht eine eigene Energie haben, die ungefilterte Phantasie des geborenen Eskapisten ohne moralische oder stylistische Hemmungen. Das war vielleicht auch gut so, denn die Leser haben die Textstücke wahrscheinlich sowieso nicht gelesen. Sowohl Kinder als auch Erwachsene kauften Comics für die Comics, für Prosa-Fiktion gab es die dicken Pulpmagazine, meistens von den gleichen Verlagen. Von den Textstücken wurde nur erwartet, dass sie existierten, damit die Postbeamten zufrieden waren.

Irgendwie traurig, irgendwie einsam – all diese armen Menschen produzierten Ideen, von denen sie genau wussten, dass sie noch weniger galten als der schlechteste Strip oder die schlechteste Serie des Magazins, in dem sie veröffentlichten. Gesehen, nicht gelesen, sofort vergessen. Selbst in den historischen Reprintsammlungen sind sie meist nicht enthalten. Nicht einmal das Urheberrecht schützt sie noch* – diese vergessenen Helden, die niederste Form der niedersten Unterhaltung.


* Im Zuge der nächsten Wochen veröffentlicht THE SANCTUM jeden Montag ein Textstück aus dem Goldenen Zeitalter um den Weltraumhelden "Dexter Ames" aus PLANET COMICS. Bislang konnten 5 Textstücke gefunden werden, die Veröffentlichung erfolgt in englischsprachigen Original, eine deutsche Übersetzung liegt vor.

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