Donnerstag, 6. September 2007

A ist nicht A

(eine nicht-objektivistische Stellungnahme)

Als ich mich vor einigen Tagen auf den hochgeschätzten Kirchenvater Augustinus eingeschossen habe, hätte ich nicht gedacht, noch mehr Worte über diese ungesunde Person verlieren zu müssen. Dennoch – in einer mir unlängst zugegangenen Zuschrift erbost sich ein regelmäßiger Leser über ein von mir widergegebenes Zitat:

„Wer schreibt denn so einen Scheiß: Augustinus hat Crowley vorweggenommen? Das hat ja Heiner-Geißler-Qualität. Der alte Herz-Jesu-Marxist hat ja mal gesagt, die Grünen hätten Auschwitz erst möglich gemacht. O.k., das triffst nicht ganz, aber du verstehst schon!“

Ja, das verstehe ich und es trifft es leider zu gut. Und auf das widergegebene Zitat zurückzukommen… tatsächlich machen die unheilige Verbindung vom hasszerfressenen Kirchenvater Augustinus bis zum sexsüchtigen Bergsteiger Crowley sehr viele Leute. Scheint so eine Art „Malen nach Zahlen“ zu sein: man sieht zwei Punkte und kann nicht umhin, sie mit einer Linie zu verbinden.

Der erste, der die beiden streitsüchtigen Publizisten August und Aleister miteinander in Verbindung setzte, war tatsächlich Mr. AC selbst, der sich in seinem fragmentarischen Essay Antecedents of Thelema (Vorläufer von Thelema) mit Händen und Füssen gegen eine solche Verbindung wehrte. Nehmen wir ihn mal beim Wort, vielleicht wusste er ja ausnahmsweise, was er sagte.

Eine schlichte Websuche offenbart einige hundert Stellen, an denen diese Verbindung allein durch räumliche Nähe konstruiert wird. Klingt kompliziert, heißt aber nur, dass die beiden nahe beieinander stehen. Gerne zitiert wird anscheinend, dass Crowleys Magnum Opus „Das Buch des Gesetzes“ Ideen von Nietzsche, Augustinus und Rabelais verwendet. (Das mag sein, sagt aber nichts über die Qualität eines Schriftstellers aus – selbst Shakespeare hat sich reichlich im geistigen Umfeld seiner Zeit bedient.)

Immerhin, die Verbindung zwischen diesen beiden Schriftstellern verärgert nicht nur den Agnostiker, sondern setzt auch die Rechtgläubigen unter Zugzwang. Wenn Crowley, immerhin im Sprachgebrauch so genannter Experten der Erfinder des „Neosatanismus“, von Augustinus abgeschrieben haben sollte, lässt das den Bischof von Hippo auch nicht gut aussehen. Es gilt also zu beweisen, dass a) es nicht so war oder b) alles ganz anders gemeint ist.

Ein schönes Zitat, in seiner sprachlichen Eleganz fast entwaffnend: Was Augustins Kriterium bestimmt und Crowleys Prinzip abgeht, ist die Liebe.“ (Man erinnere sich, die Pointe von Crowleys Prinzip ist „Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.“)

Es gilt hier mit einem Irrtum aufzuräumen: Augustinus hat nicht die Art von Liebe gemeint, die man allgemein erwarten würde, das normale Gefühl zwischen Menschen, oder vielleicht sogar zwischen Männern und Frauen. Man würde in diesem Zusammenhang im Lateinischen Original wahrscheinlich eine Form von „Amare“ erwarten – Sie wissen schon, amo, amas, amat etc. – stattdessen schrieb er jedoch „dilige et quod vis fac“.Diligere“ jedoch hat eine etwas andere Bedeutung, die mehr in Richtung Respekt gilt, eine andere Art der Liebe auf jeden Fall.

Dem zitierten katholischen Autoren ist das lateinische Original anscheinend auch nicht so vertraut. Wenn man genau ist, scheint Crowley in seiner Wortwahl weicher und menschenfreundlicher zu sein als Augustinus. „Love“ ist einfach zu verstehen als „diligere“, deswegen wahrscheinlich auch erfolgreicher. (Augustinus war nie auf einem Cover von den Beatles.)

Das hat man nun davon.

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