Montag, 21. Oktober 2013

Arullu :: Prähistorie

Beim Sortieren meiner Unterlagen (Zeit für das alljährliche herbstliche Neuformatieren der internen Festplatte) stelle ich fest, dass ich seit unglaublicher langer Zeit jedes Jahr immer wieder eine Kurzgeschichte schreibe, die in Arullu, der Sterbenden Erde, spielt. Die ersten Gehversuche, unsicher und ungelenk, machte ich wohl vor etwa dreißig Jahren auf den Seiten unserer Schülerzeitung. Die Armen, wenn sie nur gewußt hätten, wo das alles enden wird... Die ersten Geschichten waren je eine Seite DinA4 lang (engbeschrieben, ohne Absatz), und hatten so sinnige Titel wie: DER STEIN, DER PILZ und DIE STADT. Da kann man natürlich nicht viel Entwicklung oder psychologisches Drama erwarten. Ich meine... 1 Seite.

Aber dies waren die Nuclei, aus denen ich im Laufe der Jahre solche Geschichten wie "Der Stein vom Aldebaran" und "Die Sümpfe von Manou" gesponnen habe. Aus DIE STADT ist bislang noch nichts geworden, aber ich fühle mich inspiriert, und das kann ja nichts Gutes heißen.

Aber schauen wir mal, was ich aus dem Folgenden machen kann. Entschuldigen Sie bitte den Stil eines dreißig Jahre jüngeren Querkopfes, der sein ganzes Geld für Bücher von Crowley, Clark Ashton Smith und Jack Vance auf den Kopf gehauen hat...







Aus dem Archiv:
DIE STADT

Hast Du, Wanderer, vom Schicksale Utors gehört, des Himeliers?
Er wanderte durch die Wüsteneien Musgraws, wo die heißen Winde tanzen, doch er wußte nichts von Birdum, der Stadt der Mumien, inmitten der blutroten Wüste von Zagamalana. Er wußte nichts von der Stadt.
Es war in den kochenden Stunden der Dämmerung, da sein erschöpftes Fiberntier ihn zu jener hohen, sichelförmigen Düne brachte, von der herab er zum ersten Male die verwehten, dunklen Ruinen der Stadt sehen konnte, und er runzelte die Stirne ob ihrer Proportionen.
Doch er war froh, nach jener langen, beschwerlichen Reise wieder der Zivilisation zu begegnen und wußte doch nichts von dieser. So ritt er die Düne herab, in die verwehten Schutthaufen und die abscheulich gewundenen und verbogenen Wände aus dunklem Gagat.
Der, dem er begegnete, war Takatlok, der Graue Sammler.
Auf einem Haufen gebleichter Knochen kauerte er, und seine wässrigen, alten Augen studierten gelbe Streifen, beschrieben mit spinnenhaften Glyphen. Seine gichtigen Hände strichen verlangend über sie.
Dann hob er das verfressene Gesicht, und Utor der Himelier bemerkte mit Abscheu, daß Würmer durch das linke Auge krochen, das so starr ihn anblickte. Dennoch (denn er war ein Himelier) grüßte er.
Der Graue Sammler erwiderte stumm den Gruß, und dann sprach er, mit dem grausigen Rascheln des Windes in Mumienbinden.
„Kehr um, Mensch. Dies ist DIE STADT.“ Utor stieg von seinem Fiberntier ab. „So?“ Er band seine Kreatur an einer geborstenen Säule an. „Birdum. Die Verfluchte. DIE STADT.“ Der Graue Sammler keuchte und in dem Keuchen lag irgendwie das arge dumpfe Brüten eines Pestwinds. „Ein interessantes Plätzchen“, höhnte Utor der Himelier.
„Ein verfluchter Platz. Es ist besser für Dich zu gehen.“
Utor lachte rauh auf und zog die gezackte Klinge aus seiner Schärpe. „So? Du verheimlichst mir wohl gewiße Schätze hier, was?“
„Seit Äonen gibt es keine Schätze mehr. Grabräuber kamen, wenn die Sonne im Zenit stand, denn des Abends wagten selbst sie es nicht.“ „Geschwätz!“, schrie Utor (denn er war ein Himelier), und schlug dem Grauen Sammler mit einem Hieb den Kopf ab. Dunkles Blut sickerte aus dem ausgetrockneten Körper. Spöttisch lachend hob Utor den Kopf an und legte ihn auf ein Piedestal. Dann verneigte er sich.
„Vielleicht gefällt Dir altem Griesgram ein solcher Sockel?“
Doch in jenem Momente ergab es sich, daß die Sonne endgültig versunken war, und das scheußliche, dunkelrote Dämmer der Wüste Zagamalana kroch heran und hüllte DIE STADT ein. Und Utor drehte sich verwundert um und sah die rote Wüste in roten Flammen stehen. Und da er auf die rote Wüste starrte, da sprach hinter ihm eine Stimme.
„Ich warnte Dich, Du Narr. Nun sollst auch Du verflucht sein.“
Der Himelier wandte sich erschrocken um, und sah die fast fleischlosen Kiefer des eingesunkenen Schädels des Grauen Sammlers zucken. „Xowóstorons Höllen“, hauchte er erschrocken. Seiner klammen Hand entfiel die gezackte blutige Klinge in den düsteren Sand.
„Ich habe Dich gewarnt“, raunte der Schädel. „Dies ist DIE STADT. Seit Äonen gibt es für uns nur je einen Tag, wo wir auf Erden wandeln können. Doch die Nacht gehört uns.“ Utor schrie, als sich aus der Erde vor seinen Füßen zerfressene Hände wühlten und ein gespaltener Schädel folgte. „Heute jedoch soll unsere Stadt um einen Bürger erhöht werden!“, sprach der Schädel, und Utor sank zu Boden, besinnungslos.

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