Montag, 9. November 2009

In der Verlassenen Stadt [2]

Sie lag kopflos mitten auf der Straße, von einem Schatten umgeben, der dunkler als die Finsternis war. Ich war unangenehm von dem Gedanken berührt, daß es hier Leben geben sollte, so undenklich schien dies inmitten der finsteren Straßen. Ein kalter Schauder rann meinen Rücken herab, als ich den schlaffen kalten Leib umdrehte. Auf der breiten uniformierten Brust des Mannes prangten gräßliche Narben, die mich schreckerfüllt zurückzucken ließen. WAS konnte solche Wunden reißen, die bis zu den Knochen herabdrangen? Es war ein namenlos schreckli- cher Anblick, jene Krater im kalten Fleisch des Toten mit den herausgerissenen Eingeweiden... ich will nicht weiter darüber berichten, denn auch heute noch überkommt mich das Gefühl namenlosen Entsetzens, das mich damals gepackt hatte. Doch wäre ich froh gewesen, hätte ich diese.Leiche nicht gesehen, und auch nicht die klaffenden Wunden, die seltsam geformte, vierfingrige Klauen gerissen hatten Denn diese Klauen sind es, die mich in den Wahnsinn treiben. Ohne sie könnt ich mir einreden, es wär alles doch nur ein Traum gewesen, nur ein Traum einer langen, endlosen Nacht. In der schlaffen Hand des Toten fand ich eine seltsame Feuerwaffe mit einem dicken, kubischen Lauf. Ich nahm sie mit mir, denn der Tote brauchte sie nicht mehr, und wer wußte ob ich sie nicht brauchen konnte?

So wanderte ich weiter unter den todesschwarzen Gebäuden, die sich über meinem Haupt fast mit ihren Häuptern zu berühren schienen, ja, fast bildeten sie ein Dach über mir, fast begruben sie mich mit ihren zyklopischen schwarzen Riesenmauern, in denen kein Fenster, keine Tür zu sehen war. Blicklose Totenschädel waren's, die mich verfolgten und in den Wahn zu treiben versuchten. Schweigen war Über der verlassenen Stadt, nichts regte sich, kein Leben existierte mehr in den lichtlosen Strassenschluchten.

Sicherlich war der Tote der letzte der hier Lebenden gewesen. Nur ein Schrecken war mir noch behalten, den ich zu vergessen versucht hatte: WO war ich? Und WARUM war ich hier? Doch mein fieberndes Hirn war gänzlich damit beschäftigt, in den leblosen Dunkelheiten der verlassenen Stadt zu überleben. So bemerkte ich auch nicht den schwächlichen, fahlen Lichtstreif, der die Straße entlangkroch, der über dem Haupt des höchsten Gebäudes erschien und doch immer breiter wurde. Fahles, kränkliches Licht flutete über die leere Straße. Und ich blieb in kosmischem Grauen wie angewurzelt inmitten der Straße stehen, denn was da über den Dächern der Stadt war - WAR DIE SONNE! Doch wie sah sie aus?

Ein schwächliches, lichtloses Zyklopenauge, das greisenhaft blinzelte und keine Wärme mehr zu geben vermochte. Doch es war die Sonne, jenes warme, lebensspendende gelbe Gestirn, das ich Tag für Tag vor Augen gehabt habe. Aber wieviele Jahrtausende waren vergangen, als ich durch eine Tür trat und mich in einer verlassenen, leblosen Stadt wiederfand? ICH BEFAND MICH AM ENDE DER ZEIT!

Lange stand ich da, eine menschliche Statue, versteinert von jener kosmischen Erkenntnis meines Schicksals.

Kein Wort drang über meine Lippen, doch die seltsame Waffe brannte in meiner Hand. Da rissen mich schrille Schreie zurück, und ich fuhr herum und sah eine blutige Horrorszene im fahlen Licht der altersschwachen Sonne. In einer Fontäne von Blut wurde ein blondes Haupt von den Schultern gefegt, eine fledermausflügelige Höllenkreatur stieß kreischend zu, bluttriefende vierfingrige Krallen vorschlagend. Rote Augen lachten vor unheiliger Blutlust. Eine zweite, und eine dritte und vierte Kreatur folgten mit langsamen Schlägen ihrer nachtschwarzen Schwingen einer blutüberströmten Frau, die in namenloser Furcht schrie. Und ich sah die roten Krallen, die sich ihr näherten, und hatte den Mörder des Mannes gefunden. Die Frau sah mich. Obwohl sie wußte, daß sie keine Chance hatte, versuchte sie mich noch zu warnen : "Flieh, du Narr! Die Blutjäger von Moggrótain sind schon überall! Die Dämonen von Gartangur marschieren -- aaa!"

Und sie ging nieder in dem dunklen Rudel der geflügelten Alptraumkreaturen. Und bevor ich es mir versann, hatte ich schon die Waffe hochgerissen und feuerte auf den Dämon, der sich gerade blutüberströmt von der kopflosen Leiche erhob und auf mich zuflatterte. Mit dem gedämpften Donner eines Booom! zuckte ein armdicker roter Strahl aus dem Kubus der Waffe und traf den Geflügelten. Er wurde fast in Stücke gerissen. Die drei andren Kreaturen hoben ihre blutbesudelten Häupter von der Frau und sahen mich mit roten, wissenden Augen an.

Mein Gott! Sie waren menschlich und doch unmenschlich, weder Tier noch Gott, sondern beides, weder Mann noch Frau - etwas unbeschreiblich anderes, fremdartiges! Nichts irdisches war an ihnen, als sich ihre vierfingrigen blutroten Klauen lösten und sie auf ihren schwarzen Fledermausschwingen auf mich zu flatterten, mit der blutgerinnenden Langsamkeit von Alptraumgestalten. Ich schrie in nervenzerfetzender Furcht auf und feuerte nochmal. Doch der Schuss erstarb in der Mitte. Das Feuer verzehrte die Kreatur, sie fiel mit verkohlten Flügeln kreischend zu Boden, die anderen glitten weiter auf mich zu.

Ich warf die nun nutzlose Waffe von, mir und floh. Sie folgten mir.

Über die endlose Alptraumjagd weiß ich kaum noch etwas. Sie jagten mich durch die leblosen finsteren Straßenschluchten der verlassenen Stadt. Ich rannte atemlos durch die wechselnden Muster von Fähle und Finsternis, bis ich glaubte, ihnen entkommen zu sein. Doch dann legten sich nachtdunkle Fledermausschwingen um mich, und alptraumhafte, ja höllische Fratzen grinsten in mein totenstarres Gesicht. Dann stürzten sich Moggrótains Blutjäger in ungezügelter Blutlust auf mich.

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