Ein vergessener Ort, an dem selbst die alljährlichen Touristenströme vorbeiziehen. Ein magischer Ort. Ein Ort, an dem der Schatten der Vergangenheit tonnenschwer in Form von Schwarzwälder Granit auf dem Pulsschlag der Metropole ruht. Ein steinernes Gesicht, das über den Fluss starrt, südwärts gewandt, und sich müde auf sein Schwert stützt.
Das Bismarck-Denkmal in Hamburg wurde heute hundert Jahre. Irgendwie gehört er eigentlich nicht hierher, der Preusse. Und doch steht er finsterblickend hoch über der Elbe und scheint auf etwas zu warten. Sehr filigran ist es nicht, das Denkmal, sondern von heidnisch-primitiver Brachialität. 35 Meter hoch, 625 Tonnen schwer. Ein Ungeheuer.
Tatsächlich steckte hinter der Errichtung des Denkmales im Jahre 1906 – wie bei sovielen Errungenschaften des Hamburgers – kühles Kalkül merkantiler Gesinnung. Den Stadtstaatenstolz gab man schnell ab, als man merkte, dass durch die Zugehörigkeit zu Bismarcks Reich viel mehr Geld mit Handel zu verdienen war. Unter 219 Vorschläge entschied man sich für den absolut monumentalsten und setzte ihn für die unglaubliche Summe von einer halben Million Reichsmark um. Warum kleckern, wenn man auch klotzen kann?
Seitdem steht er da, relativ unbeachtet, und strahlt granitene Sturrheit aus. „Ein peinvoll stilisiertes Götzenbild“ (Alfred Lichtwark) Immerhin hat es sich unter den Hamburger Magiern herumgesprochen, dass man auf das Denkmal klettern kann und zu Füssen des Kanzlers eine hervorragende Aussicht und eine annehmbare Akustik zur Rezitation & Invokation hat. Manches Mal wurde hier das Liber Israfel zelebriert, bevor man auf Eroberungsfeldzug auf den Kiez marschierte, oder Anfang April an drei aufeinander folgenden Tagen die Drei Kapitel des Liber Al rezitiert. Andere, sinistere Arbeiten wurden meistens zur Geisterstunde abgehalten.
Aber selbst die Eingeweihten wussten wenig über die im Sockel verborgenen Bunker, die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges dort eingebaut wurden. Die Gewölbe wurden, das weiß man, als Schutzbunker genutzt, aber wahrscheinlich dienten die Gewölbe auch anderen Zwecken – die fanatischen Parolen an den Wänden und ein Foto von einer so genannten „Schwarzen Sonne“ im Innersten des Bunkers lassen vielleicht sogar auf eine geheime Kultstätte der SS schliessen. Eine beunruhigende Nachbarschaft für den St. Paulianer.
Die immer wiederkehrende Frage,. warum der „Steinerne Kanzler“ so ernst und bekümmert dreinschaut, lässt sich aus der Vita Bismarcks erklären. Er steht gerüstet, nach Süden blickend, in die Richtung, aus der sein grosser Gegner im Kulturkampf immer wieder auftauchen wird.
Bismarck hält eine ewige Wacht an der Elbe gegen den Katholizismus.
Gut gemacht, Otto.
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(In Reaktion auf einen Artikel von Thomas Hirschbiegel in der MOPO vom 20.07.2006)
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