Sonntag, 2. Juli 2006

Robert E Howards KULL :: Die Religion von Atlantis (Ende)


Fortsetzung von Teil 3

Zur Zeit von König Kull hatte sich die Erste Religion der Menschheit soweit verbreitet, dass sie als universell angesehen werden kann. Nicht nur die Hohen Zivilisationen der Sieben Reiche (Valusien etc.) verehrten und schworen auf dieselben Gottheiten, sondern selbst die Barbarenstämme, die die Piktischen Inseln und Atlantis bewohnten. („Exile of Atlantis“)

Die Trennung der Religion der Vorzeit in die hochstehendere, transzendente Religion, wie sie von den Naacal-Meistern verbreitet wurden und den primitiveren Opferkult, der als Überbleibsel vormenschlicher Praktiken angesehen werden kann, ist eine idealtypische. Doch selbst die versprengten Angehörigen nichtmenschlicher Kulte hatten die Lehre der Meister soweit angenommen, dass sie diese Gottheiten – in Konkurrenz zu ihren eigenen vorprimitiven Wesenheiten – für existent erachteten. („The Altar and the Scorpion“)

Und dies sind die Namen der Hohen, Wahren Götter: Valka, Hotath, Helfara.


Valka galt allgemein auf der Jüngeren Erde als der Gott der Götter, Man nannte ihn den Allmächtigen und schrieb ihm allgemein die Erschaffung des Menschengeschlechtes als seiner mächtigsten Schöpfung zu. Er stand erhaben über allen anderen Gottheiten und Dämonen, so dass seinen Namen in einem Atemzug mit dem einer minderen Gottheit zu nennen, fast schon blasphemisch erschien („Riders Beyond the Sunrise“).Er war das, was dem modernen Verständnis von Gott – der monotheistischen Interpretation des Numinosen – am nächsten kommt. In Valkas Namen finden wir die erste Vorstellung des Menschen von „Gott“ als ewigem Ursprung und Endpunkt der Schöpfung.

Aus „Isle of the Eons“ wissen wir, dass in Mu Valka der Gott der Fruchtbarkeit und des Wachstums ist, der Herr von Land und See. Valka beschreibt in anderen Worten das kreative Potential. Obwohl in den Kull-Geschichten nichts über Ritus, Religion oder Symbolik der vorsintflutlichen Zeit offenbart wird, können wir davon ausgehen, dass der Schöpfer Valka – wenn er denn eine bildliche Darstellung erlaubte – am wahrscheinlichsten durch den Phallus dargestellt: Ein Lingam in Form einer Säule, Herme oder einem Monolithen, der an zentraler Stelle errichtet wurde. Eine angemessene Darstellung des Potentiales, wie sie sich in allen Kulturen der Menschheit in einer oder anderen Form wieder finden lässt.

Ob seine Gestalt mit einer anderen, primitiveren Vorstellung der Entstehung der Welt in Verbindung steht – von Ka, dem Vogel der Schöpfung, dessen Kommen und Gehen den Anbeginn und das Ende der Zeit bezeichnet, ist fraglich, auch wenn die Namen Valka/Ka ähnlich klingen. Vielleicht war der Vogel der Schöpfung nur eine andere Form, unter der Val-Ka verehrt wurde.

Der andere wichtige Gott des Thurischen Zeitalters war Hotath. In „Isle of the Eons“ ist Hotath der archetypische Kriegsgott – er bildet zusammen mit Valka die Überreste einer unvollständigen Hierarchie, wie man sie in fast allen, zumindest den indogermanischen Mythologien nachweisen kann. Dem Kriegsgott wurde nicht überraschend, die Fähigkeit zugesprochen, direkteren Einfluss zu nehmen und über Menschen und ihre Seelen zu urteilen.

Hotath als Kriegsgott verkörperte einen irdischeren Aspekt des kreativen Potentials, das in Valka sinnbildliche Form gefunden hat. Als Kriegsgott, der die Ackerfurche aufreisst, war er vielleicht auch für die Bauern bedeutsam. In den meisten Mythologien sind die Kriegsgötter entweder chthonischer Natur oder ebenso wie ihre Könige/Väter Himmelsgötter. Es ist vielleicht nicht zu phantastisch, Hotath als Kriegsgott auch mit dem Bild des Blitzes in Verbindung zu bringen. Wenn wir den Vorstellungen folgen, die Mr. Frazer so ausgiebig in seinem Buch „Der Goldene Zweig“ ausgebreitet hat, die archetypische Trias von Blitz, Baum und unsterblicher Mistel, wurde Hotath wahrscheinlich am angemessensten durch einen Baum dargestellt.

Zusammen mit Hotath wird öfters eine Gottheit namens Helfara erwähnt, ohne weitere Angaben zu machen. Sie scheint selbstverständlich zu Hotath zu gehören, wobei jedoch unklar ist, in welcher Beziehung. Hier scheinen sogar die Wurzeln menschlicher Vorstellungen von einer ‚Hölle’ als Ort der Strafe zu liegen. Wenn Hotath und Helfara die Seelen ungerechter und eidbrüchiger Menschen zur Hölle verdammen, kann man vielleicht in Helfaras Namen sogar die proto-indogermanische Wurzel dieses Wortes erkennen. Helfara als „Höllenfahrer“, ein Herold oder Wagenlenker, der die Seelen ihrer ewigen Strafe entgegenbringt? Leider ist zuwenig von der Sprache der thurischen Kulturen überliefert, um einen Zusammenhang mit späteren Dialekten unterstützen zu können, obwohl dies sicherlich verführerisch wäre.

Eine weitere, wahrscheinlichere Erklärung wäre jedoch, dass Helfara die notwendige weibliche Ergänzung zum chthonisch-uranischen Kriegsgott Hotath darstellt, eine gleichermassen kriegerische wie irdische Erdgottheit. Ob sie durch die Yoni dargestellt wurde, ist fraglich – wenn sie mit Hotath ein Paar bildete, sicherlich, dann wird aber auch Hotath durch den Phallus dargestellt worden sein.

Die früheste Form der Religion basierte, wie Forlong Dux vorhergesagt hatte, auf der Verehrung einiger weniger Ur-Demiurgen, deren transzendente Natur sich in Abbilder des Natürlichen hüllte. Erst mit dem Ende des Thurischen Zeitalters sollte diese erste Religion der Menschheit Auflösungserscheinungen zeigen: das langsame Einschleichen anderer Gottheiten, die zwar menschlichen Ursprungs waren, aber viele der Charakteristika der vormenschlichen Opferkulte aufwiesen. Dies war aber nur eine weiteres Zeichen des Unterganges der Thurischen Zivilisation, die unter dem Ansturm der Barbaren von Atlantis zugrunde ging.

Zu dem Zeitpunkt, als das Thurische Zeitalter mit dem Untergang von Atlantis sein Ende fand, war die Ur-Lehre der Naacal-Meister bereits in Vergessenheit geraten, und eine Vielzahl von Religionen und Philosophien war durch Vervielfachung und Rekombination der Archetypen entstanden. In den beiden letzten bekannten Überbleibseln atlantischer Kolonien, der Insel Bal-Sagoth im Nordatlantik („Gods of Bal-Sagoth“ ) und der Stadt Negari in Westafrika („The Moon of Skulls“), konnten die Hohen Götter nur dem Namen nach überleben – die Religion von Atlantis war hier zum primitiven Opferkult einer dunklen Gottheit namens Gol-gor oder Gol-goroth degeneriert. Vielleicht war dies die Basis für die Vorstellung der theosophischen Geschichtsschreibung, dass Atlantis aufgrund des Ausübens „Schwarzer Magie“ untergehen musste.

Und hier beginnt die Geschichte.

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