Sonntag, 28. Juni 2020

Flashback :: Ein grünes Buch in Red Hook


ruhe ≠ lautlosigkeit
    entrückt von diesen menschen
    umgeben vom hauch der stadt
    sitze ich in einem sonnenmeer
    auf dieser grünen bank.
die flügel der helikopter umschwirren mich

Grünes Notizbuch, "der Muse", Blatt XX + XXII (notiert in Red Hook)

Montag, 22. Juni 2020

Flash Fiction :: Das Mitternachtskino, eine Kritik

Die Psychologie sah wie ein Pharao aus; schreiend wie ein fühlendes Wesen, ein schwarzer Spalt im grünleuchtenden Schnee! Die letzten Götter tanzten, die blinden, die man nicht auf unserem Planeten findet! Zeit für das Mitternachtskino!“ Mit dieser aufpeitschenden Reklame hat man die Zuschauer in diesen dunklen Saal gelockt, wo schwarzer, staubiger Samt die abgestandene Luft zusammenzupressen scheint. Ein Kritiker hat sich mit ihnen verirrt, das schludrig gedruckte Programmheft im Revers. Alle Plätze sind besetzt, ein Gefühl ungeheurer Schuld liegt über dem Publikum. Eine neue Art von Film! Eine neue Art von Ausdruck! Was wird das Mitternachtskino offenbaren? Wellen der Zerstörung kommen aus den hintersten Rängen, gewisperte Warnungen und Prophezeiungen, die andere nicht sehen dürfen; durch diese erstickende Nacht, durch diesen abstoßenden Friedhof des Universums. Hinter den Welten vage Geister schrecklicher Dinge, hirnloser Zwerge, die hervorkommen und sich auf den Köpfen niederlassen.

Die Stimme des Kritikers: „Die allgemeine Spannung war grauenhaft, als das elektrische Licht schwächer zu werden begann. Auf die Leinwand geworfen sah ich das Kreischen der Städte. Optische Musik sollte dargestellt werden, bewegte Ornamente, lebende Architektur, miteinander verschmelzende Farben, gigantische Grabeswinde auf grünen Wassern. Sprechenrampenfremd, buchfeindlich, losgelöst von allem Zuvorgewesenen, ein eigener Stil von Film. Dumpf, delirierend, dunkel. Es gibt eine teuflische Änderung in der Jahreszeitenfolge und böse Gesichter, eine brütende Vorahnung schrecklicher körperlicher Gefahr. Durch die glitzernde Leinwand strahlt das Gefühl einer weitverbreiteten, allumfassenden Gefahr, die einem die Luft nimmt. Abscheuliche Schlangen, absurd, eine Sinfonie des Grauens, doch sorglich durchgearbeitet, handwerklich vollkommen, in sich abgeschlossen.“


Sonntag, 14. Juni 2020

Pyropunk :: Semper Fi

„Shambhala, sagen Sie“, wiederholte er und sog nachdenklich an seiner Bruyerepfeife. „Shambhala… warum nicht gleich Shangri-la? Oder… Xanadu?“

Mark Leandrowsky erbleichte.

„Ich habe Nacktphotos aus der Umkleidekabine von Olivia Newton-John“, stotterte er, „und glauben Sie mir, Käpt’n… die Gravitation ist nicht unser Freund!“

„Natürlich“, nickte Käpitän Frakes, „der Kosmos wird von gewaltigen und fremdartigen Kraften regiert. ‚Die Welten heulen ihren eigenen Totengesang’ und all das. Aber wenn wir nur die Affen eines kalten Gottes sind, sollten wir dann nicht für jede Idee und jeden Traum dankbar sein?“

„Immer noch besser als mit Kacke werfen“, knurrte KER, aber er war nicht überzeugt.

Samstag, 13. Juni 2020

Zitat der Woche

"Und im Wind erlischt die Fackel
Die des Pfades Leuchte war,
Schrecken bietet das Gewässer,
Schrecken auch die Landung dar."
Friedrich Schiller: "Hero und Leander"

Freitag, 12. Juni 2020

3rd Mind :: Jeder Mann und jede Frau ist ein Dinkus

In der Typografie bedeutet der Begriff Dinkus ein graphisches Element zur Teilung von Text, zum Bespiel bei einem Abschnitts- oder Szenenwechsel. Heutzutage wird dies oft durch drei Sternchen oder Punkte in einer horizontalen Reihe bezeichnet. Ein Signal an den Leser, dass etwas fehlt (Zeit) oder dass etwas sich geändert hat (Perspektive).

Im reichen Schatzhaus der Bilder (uniCode), der Geschichte der Typographie, findet man aber auch heute noch ein früher gerne benutztes Symbol, den sogenannten Asterism(us) ⁂ - diesen Ausdruck kann man (wenn überhaupt) am Besten als „Sterngruppe“ übersetzen. Derselbe Ausdruck nämlich wird auch in der Astronomie verwendet, als Bezeichnung einer als solche wahrgenommene Ansammlung von Sternen und den Linien, mit denen sie verbunden werden können. Die Definition dieser Asterismen (Sterngruppen) scheint rein subjektiv, sie sind keine offiziellen Konstellationen oder Sternbilder, sondern nur Orientierungshilfen. Eben wie in der Typographie.

Eine attraktivere Variante des Dinkus – abseits vager Gedanken über die Sternbilder unserer Wahrnehmung – ist das sogenannte Fleuron, zum Beispiel ❦, die sogenannte „Druckerblume“ oder das „Aldusblatt“ (nach dem italienischen Renaissance-Drucker Aldus Pius Manutius 1449/1452 – 6. Februar 1515). Das Fleuron ist jede Art von stylisierter floraler Verzierung, d.h. von Blatt oder Blume, die als Ornament verwendet wird. Sie ist Teil der Ornamentik der dekorativen Künste, womit anscheinend dann auch die Typographie (oder Teile von ihr) gemeint sind.

Oh Wunder der Welt! Oh nutzloses Wissen! Aber wenigstens kann man jetzt mit seiner Insiderkenntnis der dekorativen Künste glänzen, und der nächste Mediendesigner fühlt sich nicht ganz so verärgert, dass er die Taste rechts neben dem "Ü" mehrfach benutzen muss. Und es gibt ja genug Sternchen in jeder gutgefüllten Fontsammlung (oder Unicode Dingbats)...

Brüder und Schwestern, wir alle sind ein Asterismus, und jeder Mann und jede Frau ein Dinkus.

Werkstattbericht 2020-06-12



Herzliche Grüße von der Nordseeküste, aus den mythischen Gefilden von Zollern am Meer, gleich hinter Geilhausen und ganz kurz vor Wilhelmshaven. Bitte jetzt auf die Bremse treten, sonst landet ihr im Meer. Ich habe es schon lange aufgegeben, über das Wetter und andere Dinge nachzudenken, die inzwischen nicht mehr berechenbar sind und der Logik eines Paralleluniversums unterliegen. Wenden wir uns anderen Dingen zu, bei denen uns kein anderer in die Suppe spucken kann.



#R.I.P.Department

Anscheinend ist noch einer der "Helden" meiner Jugend gestorben, der Autor so legendärer Comics wie "GreenLantern/Green Arrow", "The Shadow" und der Neuausgabe von "The Question" (damals die am besten geschriebene Serie... "ZEN oder die Kunst, ein Superheld zu sein"...). Ladies und Gentlemen, Mr. Dennis O'Neil...



#mediaporn

Eigentlich wollte ich mal so nebenbei das Layout und die inhaltliche Organisation dieses und der anderen Blogs modernisieren, damit es ein bisschen übersichtlicher und leichter wird. Leider scheint zeitgleich Blogger seiner Useroberfläche dem GoogleStandard angepasst zu haben, und ehrlich gesagt habe ich wenig Lust, mich jetzt erstmal in die Gebrauchsanweisung zu versenken, damit ich die Funktionen finde, die früher einfach und übersichtlich an einem Ort versammeln waren.
Nur noch Icons, und sogar einige, die ich noch nie gesehen habe.
Sieht ja nett aus, aber...
Aber "nett" heisst soviel wie "leckmich" in Schöndeutsch.

P.S. Hat sich eigentlich schon mal jemand gewundert, wenn das Icon für "Speichern" eine Floppy Disk ist? Ist das nicht irgendwie paradox?



#superweird #zitatderwoche
"Lha" bedeutet auf tibetisch "überlegener Körper" oder "Energiekörper". Nach den Konzepten der tibetischen Medizin und Astrologie befindet sich zwischen dem physischen Körper und dem Geist der Lha-Körper, der sich wie eine Körperkopie, ein Schatten oder eine Reflexion des physischen Körpers entwickelt. Daher wird es subtiler oder Energiekörper genannt. Es kann mit bloßem Auge kaum gesehen werden.

#heraldiksoftcore #cirksenapress

Dienstag, 9. Juni 2020

3rd Mind :: Der typographische Untergrund

Wenn es stimmt, dass das Internet zerbrochen ist und die Sozialen Netzwerke als Medium zum wertfreien Informationsaustausch versagt haben, wittert der Untergrund wieder seine Chance. Ist es wieder an der Zeit, den Webblog als natürlichen Erben des Egozines neu zu beleben oder... die Lippen werden trocken und die Zunge zögert, es auszusprechen... 180° Retro zu werden?

Die Stimme des Untergrundes (egal welcher Coleur und Richtung), das war früher die Graue Literatur, Samisdat, sehr oft Druckerzeugnisse, die mehr oder weniger regelmäßig, in geringer Auflage (unter 1.000 Exemplaren) und jenseits der etablierten Vertriebswege, teilweise unter abenteuerlichen Bedingungen, weitergegeben wurden. Das Fanzine, das Egozine, oder einfach das Zine. Reich wurde man damit nicht, aber man gewann schnell Freunde, Einfluß und die natürliche Feindschaft des überentwickelten Ästheten, der nicht verstehen konnte, dass eine direkte Kommunikation nicht auf Hochglanzpapier gedruckt werden sein muss. Wahrheit offenbart sich auch sehr schön auf den grob designten Seiten von 80g chlorfrei gebleichtem Kopierpapier.

"Schnüffelkleber war nicht so sehr schlecht geschrieben als kaum geschrieben; Grammatik war nicht vorhanden, Layout war willkürlich, Überschriften wurden normalerweise nur in Filzstift geschrieben, Schimpfwörter wurden oft anstelle eines begründeten Arguments verwendet... alle davon gaben dem Schnüffelkleber seine Dringlichkeit und Relevanz" *

Es hat einen gewissen Charme, solche Broschüren nach all den Jahren wieder in die Hand zu nehmen; sie sind Artefakte einer vergessenen Geschichte, Illustrationen des Zeitgeistes einer anderen Vor- oder Nachkriegszeit als man heutzutage vielleicht denken würde. Und die einfache Herstellungsweise ergibt ein erstaunliches Mass an Möglichkeiten. Mit heutigen Mitteln wahrscheinlich exponentiell. Die Chaoskurve der Operation Mindfuck: Man nehme ein DinA4 Blatt und falte es, schon hat man das klassische Template für Zine-Design, doppelseitig kopiert vier DinA5 Seiten. [Bei Bedarf wiederholen.] Deswegen haben alle die alten Zines eine durch vier teilbare Anzahl von Seiten, parallel zur Aufteilung industrieller Magazine, wobei diese oft ein Vielfaches von 8 oder 16 Seiten aufweisen, je nachdem wie groß der ursprüngliche Druckbogen ist.

Eigentlich braucht man jetzt nur noch eine Schere, einen Cutter und eine Tube Fixogum, und man kann sofort loslegen. Die Typography fliegt einem um die Ohren, man schnüffelt den Leim (Fixogum bringt leider nix), Satzfahnen flattern im Wind, und als Letztes wird das Titelbild und die Mitte des Zines gestaltet. denn die Mitte, da ist die Welt eine Auster. Wenn man das fertige Heft hier aufschlägt, hat man eine echte Doppelseite... das Centerfold! Doppeltviel Platz für doppeltviel Wahnsinn! Das DinA4 Ausreißposter, die Xeroxcollage, der steife Mittelfinger, der sich dem Establishment und dem überentwickelten Ästheten entgegenstreckt...

Also, ich glaube, das wäre immer noch ein interessantes Medium, und Mann, das Geld für ein paar Kopien kann man sich doch sicherlich auch heute noch zusammenschnorren, oder?


* Wenn der automatische Übersetzer meisterhaft überfordert wird, klingt es einfach lustiger.