Freitag, 30. Mai 2014

Fanboy :: Die Einhornquelle


Ein vergessener Klassiker der Fantasyliteratur (zurecht), aber auch: "Game of Thrones" auf Valium


Dolorosa Dalarna... Dolorosa Dalarna... Valar Morgulis...


Ein überbordendes Bücherregal kann etwas geisterhaftes haben... man steht davor, und jeder der Buchrücken drängelt sich nach vorne, wahrgenommen zu werden, wispert, tuschelt, gibt Gehässigkeiten über seinen Nachbaren zum besten, nur damit man erneut diesen Titel wählt und nicht einen anderen. Und dann gibt es diesen einen, unbewachten Moment, meistens wenn man eh schon elend oder fiebrig ist und einem sowieso alles egal ist, man angeekelt ist von dem ganzen schrillen Getuschel des Papieres und plötzlich ein Buch in der Hand hält und sich wundert: "Wer zum Teufel bist Du denn?"

So unlängst geschehen mit "Die Einhornquelle" (The Well of the Unicorn, 1948) von Fletcher Pratt. Damals erschienen in Heynes Fantasy Classics Reihe, weil es nun mal... um... ein Klassiker ist. Und deswegen hatte ich es auch von dem Grabbeltisch mitgenommen, und ich weiß ganz genau, dass ich ungefähr zwei Seiten nach dem Vorwort gelesen habe und das Buch dann ins Regal zurückstellte, wo es prompt verstummte. Ich hatte etwas Flottes und Gradliniges erwartet, so wie die Geschichten um den verwirrten Weltenreisenden Harold Shea, die Fletcher Pratt zusammen mit Lyon Sprague de Camp, meinem alten Feind, verfasst hatte. Sehr enttäuschend. Anscheinend war es doch de Camp, der die ganzen flotten Ideen hatte.

Nun, wenn man eh schon elend oder fiebrig ist, macht es auch keinen Unterschied, und es war immerhin ein Buch, dass ich noch nie gelesen hatte... ein Klassiker, gelle? Epische Fantasy... muss irgendwas wie "Herr der Ringe" sein. Tja, reingefallen.


Ich mache hier keine Entschuldigungen, die "Einhornquelle" ist schwere Lektüre, um nicht zu sagen, dröge. Fletcher Pratt mag uns etwas zu sagen haben - was auch immer - aber er tut es auf eine schwerfällige, tönerne, "realistische" Weise, die wenig Begeisterung weckt, den durchaus vielschichtigen Geschehnissen zu folgen. Am originellsten fand ich noch, dass Fletcher Pratt so unoriginell war, dass er nicht einmal selbst eine Fantasywelt begründete, sondern sich die Grundkonzepte aus einem Theaterstück von Lord Dunsany zusammenklaubte. Nun, wenn man eh schon elend oder fiebrig ist, ist man auch für kleine Dinge dankbar.

Und dann geschah etwas Seltsames. Während ich mich noch durch die alten Seiten kämpfte, in denen vom Bürgerkrieg in Dalekarlien berichtet wird, dem Streit des Eisernen Ringes (der Freien) gegen die despotischen Vulkinger, die vielleicht oder vielleicht auch nicht mit Billigung des Kaiserreiches handeln, das fernab der Geschehnisse unter dem Schutz der mythischen Einhornquelle besteht, beschlich mich ein eigenartiges Gefühl. Irgendwie, warum auch immer, fühlte ich mich immer wieder an "Ein Lied von Feuer und Eis" erinnert, oder an die daraus resultierende Fernsehserie "Game of Thrones".

Valar morgulis, eh? Die aufständischen Dalekarlier erkennen sich mit dem Passwort "Dolorosa Dalarna", und es gibt endlose Diskussionen über den rechten Weg der Freiheit/Regierung/wasauchimmer, auch mal unterfüttert mit Bildern von einem ewigen Winter oder so... da gibt es die wilden Sternenhauptmänner aus Carrhoene, was schon verdammt ähnlich wie die unverschämten Braavosi herüberkommt. Der Held landet zuerst irrtümlich bei den grauen Fischern von Gentebbi, die vielleicht nicht so unangenehm sind wie die Greyjoys von den Eiseninseln, aber... sagen wir mal so, sobald man dieses komische Gefühl hat, fängt man an, überall Parallelen zu sehen. "Die Einhornquelle" scheint plötzlich ein erster Versuch zu sein, soetwas wie "Game of Thrones" auf Valium zu schreiben - minus etwas Morden, Profanität und Perversion. (Was nicht heißt, dass gerade diese schätzenswerten Ingredienzien in der "Einhornquelle" gar nicht vorkommen. Nur eben nicht explizit, sondern genauso dröge wie alles andere beschrieben.)

Aber, immerhin ein Klassiker, gelle? Und vielleicht hatte auch der Autor von "A Song of Ice and Fire" mal einen Nachdruck in der Hand, war elend oder fiebrig und sagte sich, das man so etwas nun auch wirklich ein bisschen lebendiger schreiben könnte. Fände ich eine durchaus angemessene Art, einem vergessenen Klassiker der Fantasyliteratur Respekt zu erweisen, den man nicht wirklich lesen mag. Vielleicht ist das auch nur eine im Fieberwahn entstandene Theorie von mir, und alles Zufall. Als alter Fan von Michael Moorcocks hexerischem Albinoprinzen Elric von Melniboiné habe ich mir nur fast die Zunge abgebissen, als ein Zauberer mit dem Namen Meliboe auftauchte.

Keine Kommentare: