Dienstag, 22. Januar 2008

Der kosmopolitische Messias

(Es ist schon traurig, wenn man sich zweimal hintereinander auf die Tagesschau als Informationsquelle beziehen muss, aber die Gelegenheit ist zu günstig...)

Die vollmundige Mitteilung ist ungefähr "Die UN hat einen neuen Mitarbeiter", illustriert mit einem Bild eines spindelbeinigen Spiderman. "Ab 2009 wird Spiderman gemeinsam mit der Weltorganisation Gutes tun und nebenbei helfen, ihr Image zu verbessern. Dafür sollen eine Million Comics an Schüler in den USA verteilt werden, in denen Spiderman zusammen mit der Uno gegen das Böse kämpft und ihr bei ihren humanitären Aufgaben hilft." Begründet wird dies als Superhyperhoopy-Idee mit dem wunderbaren Zitat, mit dem Spiderman seit einem halben Jahrhundert hausieren geht. "Aus großer Macht folgt große Verantwortung", oder so. (Dies als quintessentielle Marvelweisheit gehandelte Zitat ist nur eine Fassung eines altbekannten Prinzips, nichts wirklich Neues. Höchstwahrscheinlich die verklumpte Version eines Ausspruches von Franklin Delano Roosevelt, der ja immer gut für einen anspornenden Sinnspruch war.)

"Somit passt Spiderman viel besser zur Uno als ein gedopter patriotischer US-Militarist wie Captain America", heisst es weiter, "oder der Hulk, ein durchgeknallter Atomwissenschaftler, der sich nicht beherrschen kann. Auch ein Großkapitalist mit Schuldkomplexen und Gummianzug-Fetisch wie Batman wäre kaum geeignet, der Weltengemeinschaft würdig zur Seite zu stehen."

Was stimmt nicht an diesem Bild? Vielleicht, dass Captain America spätestens seit dem Vietnamkrieg für die Idee "Amerika" eintritt und unlängst vom industriell-militärischen Komplex ermordet worden ist? Oder dass ein Charakter von Marvel Comics als schlimmsten Vertreter seelenlosen postmodernen Industrialismus eigentlich zu der UN nicht wirklich passt? Oder dass Spiderman auch nicht mehr so das tolle Vorbild ist, spätestens seit den mordlüsternen Anfällen der letzten Zeit - Spiderman ist schliesslich ein gesuchter Verbrecher (mal wieder) - oder seit die Industriekapitäne von Marvel ihm seine Ehefrau aus dem Leben geschrieben haben und ihn retroaktiv wieder zu einem neurotischen Milchbubi gemacht haben, der bei seiner senilen Tante wohnt? Seit 50 Jahren? Bitte! So eine Art von Fetischismus möchte ich nicht wirklich mehr sehen.

Gäbe es nicht einen besseren Mitarbeiter für die UN? Ein echtes Vorbild für alle, bekannter als Jesus, einen geborenen Weltenbürger, der vor allem seit inzwischen genau 70 Jahren humanitäre Einsätze von sich aus fliegt? Oder ist das schon wieder Speziesismus? Oder hat man Angst vor den religiösen Untertönen?

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