Donnerstag, 27. Januar 2011

Kirby Thorsday


Fliegende Trolle! Nein, wirklich... aus "Journey into Mystery" No.124
"Thor" und "Asgard" visualisiert by Jack Kirby, © by Marvel Comics.

Lovecraftiana in der roten Maske

In einem Leserbrief zu einer früheren Ausgabe von REDMASK wurde bereits die Frage gestellt, welche von den veröffentlichten Erzählungen tatsächlich "konkret" dem Cthulhu-Mythos oder der Lovecraftiana zuzuordnen sind. Eine unschuldige, vielleicht ein wenig frustrierte, aber doch sicherlich sinnvolle Frage, die jedoch auch die Erzähler selbst in einen Zustand kognitiver Dissonanz stürzen muss. Irgendjemand ist uns auf die Schliche gekommen, hallt es panisch durch die Telefonleitungen, wie kommen wir da wieder raus…?

Es ist wahr: es sind nicht nur die Leser, sondern auch die Autoren, die bei einigen Fabeln lähmende Unsicherheit empfinden, ob es sich um authentische Lovecraftiana oder nur um eine erstaunliche Simulation handelt; literarisches Mimikry, bizarre autoerotische Cargokulte alternder Fanboys, die die Erkennungszeichen ihrer Götter reproduzieren, ohne ihre Funktion zu kennen. (Hinweis: sie haben keine.) Können wir das bitte klären?


Martin Jungs „Die Aasschwarzen Gruben" (RM1) kommt sehr überzeugend mit einem Lovecraft-Zitat daher, aber tatsächlich gibt es keine konkrete Verbindung zum Mythos, wenn man von der Existenz endloser Höhlen voller Ghoule absieht; ähnlich steht es mit meiner hochgeschätzten „Ukkos kalte Hand“ (RM1), die zwar irgendwie den finnischen Mythos in Verbindung setzt mit dem Wendigo oder ähnlichem, die man aus mythosartigen Geschichten von Derleth u.a. kennt, aber es fehlt der letztendliche Beweis.
Ebenso grenzwertig ist „Der seltsame Fall der Periphéron“ (RM2), der in einem Pseudo-Empire-Paralleluniversum angesiedelt ist. Gut, der Planet nennt sich Necronomiconne, und der Passagier, der ‚Anzeichen der Unruhe’ aufweist, heißt Derzahla (bitte einmal rückwärts lesen), aber ist dies ein konkreter Bezug zum Mythos oder nur, wie nahe liegt, literarische Pose der Messires Gruner & Petrarcha?

In der Maximilian Gumbel-Story „Das Praetorius-Exemplar“ kommt die Mythos-Schrift „Unaussprechlichen Kulten“ des Von Junzt vor, was bedeutet, dass sie zumindest am Rand des Mythos anzusiedeln ist – weitere Geschichten um den okkulten Detektiv jedoch nicht zwangsweise. Oder doch? Und was bedeutet das dann für uns, wenn „Der Lazarus-Käfer“ (RM1) angeblich auf einer wahren Begebenheit basieren soll?

Genau umgekehrt verhält es sich mit „Das Haus im Walde“ (RM1), das thematisch und von der Detailfülle doch recht überzeugend als norddeutsche Lovecraftiana zu identifizieren ist. Der einzige konkrete namentliche Bezug zum Mythos findet sich jedoch so versteckt und ist so esoterisch, dass selbst der Autor suchen muss, um die Verbindung wieder herzustellen. Er hätte es sich es auch einfacher machen können, und unter den üblen Schriften, die im Blunck-Haus zu finden waren, ein paar der verdammten Bücher des Mythos verstecken können…
update: "Das Haus im Walde" zitiert die Leiber-Papiere, erwähnt das Ältere Pharos, Aythamaahn, Kythamil, Yaddith, die grünen Monde von Yag.

„Akte 13“(RM2) ist eine Art literarischer Doppelagent. Er beginnt mit der faktoiden Kritik an der so genannten „Gregorius-Ausgabe“ des Nekronomicons, die der Schikowski-Verlag auf die Welt gebracht hat, schnell jedoch wird klar, dass die Kritik von jemandem kommt, in dessen Universum das Kitab Al Azif mehr als nur Realität ist. Daraus folgt, dass alle weiteren vorgelegten Dokumente ebenfalls in einer lovecraftischen Welt angesiedelt sind. Die Existenz versunkener Kontinente und ihrer abscheulichen Gottheiten eingeschlossen.
update: namentlich erwähnt wird die "lemurische Gottheit" Barthanggana, die Mutter der Abscheulichkeiten, auch "Grüne Schlange" genannt.

„Der Gefangene der Kasbah“ (RM2) jedoch ist der Jackpot der Lovecraftiana in der roten Maske. Hier ist der Plot nur Nebensache, um möglichst vielseitig der Vorgabe zu entsprechen: Was wäre, wenn William S. Burroughs eine Cthulhu-Geschichte geschrieben hätte? Irgendwo in der Interzone, am Strand von Marokko: hier gibt es alles, Beatniks und Exilanten, Drogenprofessoren und Kultisten, die auf wahnwitzigen Pfeifen etwas herbeisingen wollen… Und dann sind da noch einige andere direkte Bezüge zum Mythos eingemischt, aber dezent, so dass man sie erst beim zweiten Lesen bemerken kann… oder wenn es schon längst zu spät ist…

In kommenden Ausgaben von REDMASK:  
Die Leiber-Papiere! Fischmenschen des Wold Newton! Und… Cthulhu singt!

Mittwoch, 26. Januar 2011

Links 2011-01-26

via Kirby Dynamics: "Journey into Mystery# 119, page 12 (Aug 1965). Kirby/Colletta. The published page followed by a scan of the original artwork."
Das gleiche Bild, der Tempel der Dunkelheit fällt, war vor einiger Zeit hier als Sunday Pinup zu sehen. Im Original natürlich zehnmal besser.

via Physorg.com: War das Universum flüssig?

via Technology Review: "giant planet embryos" (Bitte notieren!)

via Miskatonic Museum: "The Witch and Cthulhu Cults." Während der Arbeit an den neuen Erzählungen für REDMASK ist mir aufgefallen, dass in den Geschichten Lovecrafts neben den verdammten Büchern auch immer wieder die umstrittene Arbeit von Mrs Murray erwähnt wird, die gleichzeitig auch eine Grundlage des Matriarchatsmythos des modernen Wiccakultes ist. Wicca = Cthulhoid? Und ich dachte, Androidenwicca wäre schon schlimm...

Sonntag, 23. Januar 2011

Planet der Verdammten :: Hauptseite

PLANET DER VERDAMMTEN
und andere Geschichten vom Ende der Zeit.

  • HIER finden Sie eine kurze Übersicht über alle Erzählungen in diesem Band.
  • HIER finden Sie das Titelbild des Buches.
  • HIER können Sie PLANET DER VERDAMMTEN bei Lulu.com bestellen.

Sunday Pinup


Wir betreten Asgard, Sterblicher... aus "Journey into Mystery" No.119
"Thor" und "Asgard" visualisiert by Jack Kirby, © by Marvel Comics.

Samstag, 22. Januar 2011

Planet der Verdammten :: Inhalt

Alt und grau sind die Länder der Erde geworden, und seltsame Sterne lenken ihr Geschick...
In einer fernen Zukunft sind alle Landmassen zu einem letzten Superkontinent verschmolzen, der unter einer altersschwachen Sonne langsam dahinsiecht. Es ist eine Zeit der Magie und des Aberglaubens, und die dem Untergang geweihte Menschheit wird von den Hinterlassenschaften einer Millionen Jahre alten Geschichte und den fremdartigen Mächten eines lebensfeindlichen Kosmos bedroht.
Vier neue phantastische Erzählungen in der Tradition von Clark Ashton Smith und Jack Vance aus Axel M. Gruners Serie um die Sterbende Erde ARULLU.


XOWOSTORON. Polaris, das letzte Überbleibsel der Technischen Zivilisation wird von dem Unheil bedroht, das aus dem ewigen Eis emportsteigt. Und ein Engel erscheint, um Zeugnis der Geschehnisse zu werden...

DIE PILZE VON ABADDON. Als der alte Meister einer Gilde von Giftmischern einen Hinweis auf eine legendäre Quelle seltener Drogen findet, weiß noch niemand, auf was für unheiligem Grund sie wachsen...

PLANET DER VERDAMMTEN. Der Grüne Stern hat das Ende seines Lebenzyklus erreicht. Das Universum ist in die Zothische Zone eingetreten und der letzte Held kämpft gegen den Herren der Welt...

DER STEIN VOM ALDEBARAN. Aus dem höchsten Norden bringen Händler einen fremdartigen Stein in die Handelskontore von Kalfor. Und bei jedem, der den Stein berührt, bleibt etwas zurück. Etwas Fremdes und Tödliches...

Zusätzlich enthält PLANET DER VERDAMMTEN das Essay "Rückkehr zur Sterbenden Erde" über das "Dying Earth"-Subgenre der Phantastik.

Freitag, 21. Januar 2011

Rückkehr zur Sterbenden Erde [4]


Rückkehr zur Sterbenden Erde, ein Essay

Besser noch wird dieser eigentümliche Effekt in zwei anderen Werken Farmers erzielt, die beide in fernster Zukunft angesiedelt sind, auch wenn diese Zukünfte einander auszuschließen scheinen. In The Stone God Awakens (1970) findet sich ein Mensch der Gegenwart in einer Zukunft wieder, in der Tiere sich zu humanoiden Sapienten entwickelt haben, die Amerikas jedoch von einer Superintelligenz beherrscht wird, die sich in Gestalt eines kontinentgroßen „Baumes“ offenbart. Immerhin, es gibt noch sexy Waschbärmädchen. Die Post-Apokalypse, in der Tiere zu Menschen und Menschen zu Tieren geworden sind, ist nichts Neues, wenn wir uns an Pierre Boulles La Planète des singes (1963) oder seine Filmversionen erinnern, oder das in Anlehnung daran von Jack Kirby erschaffene Comic-Epos Kamandi, The Last Boy on Earth (1976 und folgende). Was aber, wenn der Kampf um den Planeten der Affen längst entschieden ist und es keine Menschen mehr gibt, nach denen es sich zu suchen lohnt?

Dark Is The Sun (1979) ist ein weiterer Versuch, das Subgenre der Sterbenden Erde mit den Sensibilitäten der Moderne zu besuchen. Und es ist wirklich die Sterbende Erde, die uns Mr. Farmer zeigt: sie stirbt vor unseren Augen. Die Sonne ist dunkel, grell der Himmel; der Planet steht kurz davor, mit dem Rest des Universums vom Ereignishorizont des Big Crunch verschluckt zu werden. Die letzten Menschen durchwandern ein ganz anderes Nachtland auf der Suche nach ihren Seeleneiern, aber können selbst die Endprodukte pflanzlicher, mineralischer und außerirdischer Evolution, mit denen sie sich verbünden, sie vor dem Hitzetod des Universums retten? Während wir von der Physik, die ihren Abenteuern zugrunde liegt, auch nicht überzeugt sind, müssen wir doch den Erfindungsreichtum und Entschlossenheit, mit dem sie und der Autor ihrem ultimativen Eskapismus frönen, bewundern.

Die Sterbende Erde als Subgenre der Phantastik ist, wie wir gesehen haben, relativ klar umrissen und somit überschaubar. Es ist ein Universum nebenan, das einen hohen Wiedererkennungswert hat, aber wie auch andere Orte gehört es inzwischen zu den Verlorenen Welten der Phantastik. So wie die Voyagersonden uns unsere Träume von einem Roten Mars mit wilden vierarmigen Kriegern und barbusigen Prinzessinnen zerstörten, mag es sein, dass es nicht einmal eine Erde geben wird, deren Todeszuckungen wir bestaunen können aus der Sicherheit unseres Lehnstuhles. Es ist ein Bild der Romantik, ganz unromantisch jedoch sind die globalen Zerstörungen – körperlicher und geistiger Natur – die der Mensch jetzt bereits schon angerichtet hat. Vielleicht vergiften wir den Himmel schon morgen, und ob dann noch Wale da sein werden, die sich auf Schwingen in die Lüfte erheben, wer weiß es schon? Die Kreaturen am Ende der Zeit, wann werden sie geboren werden? Das Abhumane schreitet bereits jetzt unter uns umher, die Sonne liegt altersmüde in einem düsteren Himmel, Ödnis breitet sich um uns und die Welt, die wir kennen, lieben oder verachten, ist nur noch eine schwache Erinnerung, ein Traum, der langsam verblasst, während um uns herum die letzte Dämmerung heran bricht.

Erschreckend erkennen wir, dass wir die Sterbende Erde bereits erreicht haben, ohne einen Umweg von 30 Millionen Jahren genommen zu haben. In der Finsternis, die uns umgibt, machen wir uns auf in die Reise durch ein Nachtland erstaunlicher Dimensionen. Die Entropie hat gesiegt, so wie wir immer gewusst hatten, dass sie siegen wird, und die Hoffnungen und Wünsche des Menschen haben sich als bedeutungslos herausgestellt. Wir sitzen an einem melancholischen Ufer, inmitten der Ruinen, und warten darauf, zu erwachen. Natürlich reicht es, das Buch zu schließen. Wer sagt, dass die Flucht aus dem Morgen schwer ist? Aber man denke nur – die Sonne verlöscht und die eisige Erde schwingt blind und schwarz durch einen leeren Raum!

Wir werden zurückkehren, da bin ich ganz sicher – zurückkehren zur Sterbenden Erde.


aus: PLANET DER VERDAMMTEN, Axel M. Gruner (2011)

Donnerstag, 20. Januar 2011

Kirby Thorsday


Odin aus "Journey into Mystery" No.123
"Thor" und "Asgard" visualisiert by Jack Kirby, © by Marvel Comics.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Rückkehr zur Sterbenden Erde [3]


Rückkehr zur Sterbenden Erde, ein Essay

Es ist ein klar umrissenes Bild, und somit ein sehr eingeschränktes Subgenre – mehr als nur apokalyptisch, auch wenn es hilft, wenn die Menschheit erst einmal gescheitert ist. Hier überschneidet sich die Sterbende Erde mit den apokalyptischen und postapokalyptischen Thematiken der Science Fiction oder Phantastik per se. Von Michael Moorcocks The Ice Schooner (1969), das in einer neuen Eiszeit angesiedelt ist, in der Walfische sich mit paddelartigen Flossen über die Eisebenen des Mato Grosso schieben, ist es nur noch ein kurzer Weg hin zu einer Erde am Ende der Zeit, in der alles vereist ist und der Mond nur noch ein Berg, von dem unheimliche Silberkrieger die letzten Menschen jagen. Glücklicherweise naht der Ewige Held mit seinem Schwarzen Schwert des Untergangs, in einem von Eisbären gezogenen Streitwagenschlitten. Immer nach Norden, in die Dunkelheit, in das Unbekannte. Ja, in Moorcocks Phoenix in Obsidian (1970) taucht die Sterbende Erde wieder auf, wie auch in anderen kleineren Werken dieses Schriftstellers, in denen Themen der Romantik mit der Sensibilität der New Wave behandelt werden. Es sind die Selbstverdammten, die faustischen Charaktere der gothic novel, die die Sterbenden Erden und den Zeitstrom von Moorcocks Multiversum bewohnen, wobei die unbekümmerten Hedonisten, die ihr Schlaraffenland am Ende der Zeit mit der gestohlenen Energie sterbender Sonnen speisen – die Tänzer am Ende der Zeit (1972 und folgende) – noch die untypischsten sind.

The Ice Schooner, die Abenteuer des Walfängers Arflane, wird instinktiv mit Melvilles Moby Dick verglichen, wenn der Plot nach Aussage von Mr. Moorcock jedoch von einem minderen Werk Joseph Conrads entlehnt ist. Immerhin, die Suche oder Jagd, an der Kapitän Arflane beteiligt ist, richtet sich vielleicht nach etwas ebenso metaphysischem oder transzendenten wie die des Kapitän Ahab. Eine direkte Fortsetzung von Moby Dick ist stattdessen The Wind Whales of Ishmael (1971) des unvergesslichen Philip José Farmer, in dem er, dessen Name Ishmael ist, die Sterbende Erde betritt, die eine vollkommene Wandlung erfahren hat und die Meeresfauna sich mit der Austrocknen der Ozeane in die Himmel zurückgezogen hat. Ein unvergessliches und skurriles Werk, das durch seinen Bezug zur vorigen Geschichte noch an Eigentümlichkeit gewinnt.

aus: PLANET DER VERDAMMTEN, Axel M. Gruner (2011)

Montag, 17. Januar 2011

Rückkehr zur Sterbenden Erde [2]


Rückkehr zur Sterbenden Erde, ein Essay

Der Zeitreisende in H.G.Wells Roman The Time Machine (1895) folgt als erster dem Ruf der Entropie und gelangt ans Ende der Zeit, eine triste Einöde, in der es außer einem krabbenartigen Wesen kein leben mehr zu geben scheint. Dieser Zeitreisende jedoch ist gewitzter als so manche andere – er kehrt zurück und unterhält seine gut situierten viktorianischen Mitbürger mit wohligem Schaudern. Er sollte nicht der erste Abenteuerer sein, der mit Geschichten vom Kampf und Sieg der letzten Menschen in unsere Gefilde zurückkehren sollte. Edmund Hamiltons The Lost World of Time (1941) und The Time Axis (1948) von Henry Kuttner adaptieren das Thema für die Seiten der Pulps, aber hier ist die Sterbende Erde nur eines von vielen phantastischen Universen nebenan – verlorene Welten, Zwielichtzonen, auf der anderen Seite der Sonne, im Inneren der Erde, im Inneren eines Atoms – gerade gut für ein Abenteuer oder eine einzigartige, sonderbare Geschichte. Die dunklen Visionen, die William Hope Hodgson in seinen Romanen The House on the Borderland (1908) und The Night Land (1912) ausbreitet, bieten nicht das einfache Entkommen in die Tiefen eines Lehnstuhles. Die Sterbende Erde, die die namenlosen Helden dieser Erzählungen besuchen, ist definitiv dem Untergang geweiht. Es herrscht beständiges Dunkel, und am Horizont schleicht unverstellbares umher, das Abhumane – gigantisch, stumm, blind, monströs.

Die nächsten Verwandte von Hodgsons Visionen sind die Erzählungen, die der kalifornische Maler und Schriftsteller Clark Ashton Smith beginnend im Jahre 1932 im legendären (und einzigartigen) Magazin Weird Tales veröffentlichte. Die Geschichten von der Sterbenden Erde, oder präziser von Zothique, dem Letzten Kontinent, bilden einen der umfangsreichsten, beeindruckendsten und bedrückendsten vom Mr. Smiths Zyklen, vage inspiriert von theosophischen Spekulationen über untergegangene und zukünftige Kontinente. Zothique ist der letzte Überbleibsel der eurasischen Landmasse, so scheint es, aber jede Spur der Vergangenheit ist längst vom Wüstensand ausgelöscht worden. Es ist eine artifizielle Welt des Non-Sequiturs, es gibt keine Überlebenden, die für die nächste Geschichte zur Verfügung stehen würden. Der wahre Protagonist von Zothique ist die schillernde Prosa von Clark Ashton Smith, reich an Arabesken und dunkler Poetik, mit der er diese bizarre Welt zum Unleben erweckt. Vampirblumen im Garten des Adomphas! Die Insel der Folterer! Die makrokosmischen Hengste des Thamagorgos! Mordiggian der Beinhausgott! Es sind schwarze Phantasien aus der 1001. Nacht, die der Décadence oder dem düsteren Symbolismus der Rosenkreuzersalons näher stehen als den Pulpmagazinen, in denen sie ursprünglich veröffentlicht wurden.

Ein anderes, aber ebenso einprägsames Bild der Sterbenden Erde finden wir als eine der tausend kunterbunten Konfettiwelten des großen Jack Vance, mit Namen „die Sterbende Erde“ (The Dying Earth, 1950 und folgende). Auch diese Welt erkaltet, ist dem Untergang geweiht und birgt nicht viel Aussicht auf Besserung, aber die trostlose Szenerie steht in krassen Widerspruch zu dem putzmunteren Treiben der letzten skurrilen Weltenbürger. Pittoreske Zauberer feilschen um Zaubersprüche oder fliegen per Magie an den Rand der Galaxis, Homunculi und Wegelagerer jagen einander die Schätze der Vergangenheit ab, und ein Dieb namens Cugel trickst sich von einer verfahrenen Lage zur nächsten, noch schlimmeren. Gene Wolfe's The Book of the New Sun (1980–83) ist geradezu eine Fortsetzung von Jack Vance Welt, selbst nach Aussage des Autoren, sozusagen eine Rückkehr zur Sterbenden Erde, nur anders, und Mr. Wolfe sollte nicht der einzige sein, der zur Sterbenden Erde zurückkehren sollte, zu den erkaltenden Landen und der sich verdunkelnden Sonne.


aus: PLANET DER VERDAMMTEN, Axel M. Gruner (2011)

Sonntag, 16. Januar 2011

Sunday Pinup


Neues Leben am Ende der Welt aus "Journey into Mystery" No.122
"Thor" und "Asgard" visualisiert by Jack Kirby, © by Marvel Comics.

Samstag, 15. Januar 2011

Rückkehr zur Sterbenden Erde [1]


Rückkehr zur Sterbenden Erde, ein Essay

I had a dream, which was not all a dream.
The bright sun was extinguished, and the stars
Did wander darkling in the eternal space,
Rayless, and pathless, and the icy Earth
Swung blind and blackening in the moonless air;

Als George Gordon Noel, der sechste Baron Byron im Juli 1816 sein viel gerühmtes Gedicht Darkness verfasste, hatte der Ausbruch des Berges Tambora globale Klimaanomalien hervorgerufen, die ein „Jahr ohne Sommer“ hervorbrachten. Das endgültige Verlöschen der Sonne war prophezeit worden, und Furcht, Melancholie, Selbstmord und religiöser Eifer erfasste Europa. Die Vorstellung, am Ende der Zeiten zu leben und Zeuge des Unterganges der Schöpfung zu sein, reizte die dunklen Seelen der Romantiker, die bislang ihre gedankenschweren Manuskripte in den Ruinen alter Klöster und Festungen verfassten. Es ist ein starkes Bild, das auch überleben sollte, als das Jahr ohne Sommer und die Weltuntergangsprophezeiungen verstrichen, wie sie es gewöhnlich zu tun pflegen. Aber man denke nur – die Sonne verlöscht und die eisige Erde schwingt blind und schwarz durch einen leeren Raum!

Die Romantik suchte das Schreckliche und das Erhabene, und wie so vieles blieb das Bild der sich verdunkelnden Erde in der Leere des Raumes zumindest in ihrem illegitimen Kind, der Phantastik, erhalten. Was ist erhabener als die Ruinen eines einst stolzen Reiches? Was schrecklicher als der Friedhof einer ganzen Welt? Manuskripte, verfasst in den Ruinen der Welt, in den Ruinen meines Verstandes, in den Ruinen unserer Träume… Das Bild der Sterbenden Erde – als Vision des Hobbyapokalyptikers oder als Subgenre der phantastischen Literatur – ist sicherlich ein starkes. Die Sterbende Erde ist leicht identifizierbar und nicht zu verwechseln, egal unter welchem Namen sie sich verbergen mag. Die Sonne ist fast erloschen und während die Wissenschaft und die lange Geschichte des Planeten fast völlig in Vergessenheit geraten ist, ist Magie wieder zu einer dominierenden Kraft aufgestiegen, oft in Verbindung mit Aberglauben, Barbarei, Pessimismus und einer in Selbsthass übergehenden Menschenfeindlichkeit. Dies ist nicht schlimm, denn es gibt auch nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt: die Erde ist wüst und kalt geworden, und das Abhumane, das Barbarische, und oft auch das Endprodukt einer divergenten Evolution triumphiert in den letzten Ruinen der Menschheit. Die nahe liegenden Themen dieses Subgenres sind somit ein essentieller Weltschmerz, ein zum Untergang verdammter Idealismus, Hoffnung auf Erneuerung und das Scheitern derselben, der Mangel an Unschuld, an Ressourcen, an Licht, kurz, die allgemeine Entropie aller kulturellen und psychischen Merkmale.

Man mag der Faszination mit der Sterbenden Erde einen gewissen metaphysischen (Kultur-)pessimismus unterstellen, und darauf hinweisen, dass dieses Bild wie jeder Futurismus nur eine Projektion der jeweiligen Vorlieben des Autoren ist. Tatsächlich ist der hier aufgezeichnete Endsieg der Entropie – die ultimative Dystopie – wahrscheinlicher als jedes goldene Utopia, zu dem die Sternenschiffe unserer Jugend segeln möchten. Im scheinbar regellosen Verhalten chaotischer Systeme wie dem Bewusstsein des Menschen gibt es immer verschiedene „Wege ins Chaos“, und das Systemverhalten für eine bestimmte zukünftige Zeit zu berechnen, ist praktisch unmöglich. Also ist die einzig wirkliche mögliche Zukunft diejenige, die grundlegend chaotisch und entropisch ist; der Zeitenstrom umspült keine sicheren Gestade, sondern folgt einer scheinbar irregulären inneren geometrischen Struktur.

aus: PLANET DER VERDAMMTEN, Axel M. Gruner (2011)

Freitag, 14. Januar 2011

Späte Rache

via Kultur | STERN.DE: "Der scheidende Gouverneur von Florida, Charlie Crist, will in seinen letzten Tagen im Amt den Rockmusiker von dem Vorwurf reinwaschen, sich bei einem Konzert in Miami 1969 entblösst zu haben."
Nasowas. Wie, und die Drogen? der Alkohol? Die Groupies?
All das Blut?

Donnerstag, 13. Januar 2011

Kirby Thorsday


Ein Lebender Streitkolben! aus "Journey into Mystery" No.122
"Thor" und "Asgard" visualisiert by Jack Kirby, © by Marvel Comics.

Montag, 3. Januar 2011

Remodeling...

Pünktlich zum neuen Jahr habe ich den Nemedhouse-Stern, der mir seit vielen Jahren treue Dienste leistet, noch einmal neugestaltet, mit gefälligeren Proportionen. Immerhin, für etwas, das eigentlich nur Deko für eine Dichterlesung in kollektivem Wahnsinn war, erstaunlich langlebig...