Dienstag, 9. November 2010

Aus Lovecrafts Notizbuch [4]

Ein Grauen aus der Vergangenheit (oder der Zukunft), knapp außerhalb der Erinnerung (oder der Vorahnung). Ankunft eines außerirdischen Wesens auf der Welt…

Es ist nicht der kosmische Horror, den Lovecraft empfand, dies ist nur seine Hinterlassenschaft. Das wahre Grauen, das liegt hinter diesem kindischen Vergnügen verborgen (lies weiter!) Das wirkliche neue England war das England der Morlocks, nicht der Eloy: Red Hook, Brooklyn Heights, der Schmutz von Manhattan. Dies war im Jahrzehnt der Pulps, des Mobs, der Depression normal. Lovecraft, der letzte Vertreter eines vergessenen Kolonialamerikas, war im Gegensatz dazu etwas, dass gegen jede Norm verstieß. Der Träumer. Der Emo-Oneironaut. Der geistig Abnorme. Der Freak. Der Außenseiter.

Schwarze Katze auf einem Berg in der Nähe einer dunklen Spalte im Hof eines alten Gasthauses. Miaut heiser - lockt Künstler in die dunklen Geheimnisse von drüben. Stirbt schließlich in hohem Alter. Spukt in den Träumen des Künstlers herum - lockt ihn, ihr zu folgen. Seltsames Ergebnis (erwacht nie? oder macht die bizarre Entdeckung einer alten Welt außerhalb des dreidimensionalen Raums?).
Jemand, der seinen Reichtum auf dunkle Weise erwarb, verliert ihn. Erklärt seiner Familie, er müsse den ORT erneut aufsuchen (entsetzlich und unheimlich und außerdimensional), wo er zu seinem Gold kam. Andeutungen von möglichen Verfolgern oder der möglichen Nicht-Rückkehr. Er bricht auf. Aufzeichnung, was mit ihm passiert: oder was in seinem Haus passiert, wenn er zurückkehrt.
Bewohner einer anderen Welt - Gesicht maskiert, vielleicht mit Menschenhaut oder operativ an die menschliche Gestalt angepaßt, Körper unter der Kleidung außerirdisch. Nach der Ankunft auf der Erde versucht er, sich unter die Menschen zu mischen. Entsetzliche Aufklärung. Von Clark Ashton Smith vorgeschlagen.


Von Außen, aus dem Unbekannten, bedroht das Fremde unsere bekannte Welt. Schon sind die Grundfesten unseres banalen Selbst-Bewußtseins bedroht. Außerhalb des flackernden Lichtes unserer Gewissheit lauert etwas außermenschliches, außerirdisches… vielleicht auch nur Ausländisches. Verständnis für das, was außerhalb unseres Selbst liegt, können wir nicht aufbringen, weil wir es einfach nicht verstehen können. Es ist fremd, und aus den unermesslichen Tiefen des Raumes naht es, uns zu penetrieren, zu infizieren, zu assimilieren. Es ist bereits die außergewöhnliche Idee, die unseren Verstand krank machen kann. Es bleibt nur der Rückzug ins Innere… aber wer kann sagen, ob nicht auch in den Tiefen des Inneren Raumes die gleichen Gefahren lauern wie in den Abgründen des Äußeren Raumes?

Traum, in einer ungeheuren Halle seltsamer Architektur zu erwachen, wo unter Tüchern Gestalten auf Steinplatten liegen, eine Lage, die der eigenen gleicht. Andeutungen von verstörend nichtmenschlichen Umrissen unter dem Laken. Eines der Objekte bewegt sich und wirft das Laken ab - ein außerirdisches Wesen zeigt sich. Andeutung, daß man selbst solch ein Wesen ist - der Geist ist in einen Körper auf einem anderen Planeten versetzt worden.
(Traum von) einem Fahrzeug - einem Eisenbahnwaggon, einer Kutsche etc. - die man betäubt oder im Fieber besteigt, und die ein Bruchstück einer vergangenen oder außerdimensionalen Welt sind - die den Reisenden aus der Wirklichkeit in verschwommene, vom Alter niedergedrückte Gebiete oder unglaubliche Abgründe des Wunders entführt.
Sie erwähnen einen Schädel, der anstelle des Gehirns eine merkwürdige metallische Vorrichtung enthält - wobei Sie andeuten, daß letztere entweder selbst ein außerirdisches und mit Bewußtein begabtes Wesen ist oder aber eine Art Empfänger, durch den weit entfernte Wesen von draußen den Körper, in dem er eingepflanzt ist, lenken können.


Es ist kein Traum, selbst in unseren wachen Momenten empfangen wir diese lenkenden Impulse. Eine kaum vernehmbare Stimme raunt aus den Faltungen unseres Gehirns. Wohl vertraut, aber die Ideen, die sie uns einflüstert, werden zunehmend fremdartiger…. Und außergewöhnlicher.

Zitate aus Lovecrafts Notizbüchern nach: H.P. Lovecraft: „Azathoth“ Vermischte Schriften, ausgewählt von Kalju Kirde. Übersetzung Frank Rottensteiner, Suhrkamp, Frankfurt a. Main 1989

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